Das schreibt die Bochumer Presse übers Spiel in Siegem :
Beste Abwehr als Schießbude (von Michael Eckardt)
"Wir haben gedacht, dass so etwas wie in St. Pauli nicht noch einmal passieren würde. Aber offenbar sind wir noch nicht soweit, wie wir gedacht haben." Marcel Maltritz, gestern Kapitän einer desolaten Mannschaft und einziger Bochumer Spieler, der sichtlich Ehrgeiz und Konzentration auf den Rasen des Leimbach-Stadions brachte, war nach der 0:3-Niederlage in Siegen restlos bedient.
Die Überraschung, die Marcel Koller angekündigt hatte, war wirklich eine. Mit einer 4-2-3-1-Formation wollte der VfL-Trainer die nach sechs sieglosen angeschlagenen Sportfreunde überrumpeln. Leidtragender des Umbaus war Joris van Hout, der zunächst auf der Reservebank Platz nehmen musste. Eine große Chance für Tommy Bechmann, auf sich aufmerksam zu machen. Der Däne spielte zentral hinter der Sturmspitze Edu, flankiert von China rechts und Momo Diabang links.
Ähnlich überraschend hatte Siegens Trainer Jan Kocian aufgestellt. Mit Billy Reina, Miroslav Spizak und dem Sportfreunde-Urgestein Till Bettenstädt, üblicherweise so etwas wie ein Joker beim Aufsteiger, ging Kocian, der auf Kapitän Peter Nemeth und Andreas Nauroth verzichten musste, in die Offensive.
Begünstigt durch Fehler von Daniel Imhof und Bechmann kamen die Gastgeber zu ersten Chancen. Spizak, der überall auf dem Platz zu finden und kaum unter Kontrolle zu bringen war, scheiterte an Rein van Duijnhoven, Billy Reina biss bei dem Holländer ebenfalls auf Granit. Bechmann, von China wenig später in Szene gesetzt, hätte seinen Fehler korrigieren können, doch der Däne ließ sich von dem überragenden Spizak in bester Position den Ball von der Fußspitze wegspitzeln.
Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt deutete sich an, dass Bechmann und Diabang der Mannschaft keinerlei Impulse geben konnten. Und je länger das weitgehend auf Regionalliga-Niveau dahin plätschernde Spiel dauerte, desto deutlicher wurde, dass den Bochumern mit Thomas Zdebel und Zvjezdan Misimovic Herz und Hirn fehlten. Dennoch schien keine Gefahr zu herrschen. Siegen wirkte nicht wirklich durchschlagskräftig, und irgendwann würde dem VfL schon noch die Stunde schlagen.
Doch Kollers Mannschaft schlug sich selbst. Rein van Duijnhovens Blackout vor Bettenstädts Treffer musste nicht unbedingt in die Niederlage münden. Aber dass Martin Meichelbeck und Momo Diabang dem Schützen des 2:0, Daniel Bogusz, kurz nach dem Anpfiff der zweiten Halbzeit Tür und Tor öffneten, durchkreuzte alle Pläne. "Wir schießen die Tore ja selbst, spielen zu brav und zu bieder", analysierte Marcel Maltritz anschließend ebenso bitter wie treffend. Bettenstädts zweites Tor, nur zwei Minuten später, fiel ebenfalls unter das vorweihnachtliche Motto: Macht auf die Tür, das Tor macht weit. Es war der Knockout und die Bankrotterklärung einer noch bis vor kurzem gerühmten "zu Null"-Abwehr. Eine "Katastrophe", urteilte auch Pavel Drsek, "wir haben die Siegener aufgebaut". Der ehemalige Duisburger hob mahnend den Finger und legte ihn gleichzeitig in die derzeit klaffende VfL-Wunde. "In zwei Wochen gegen Aachen müssen wir nicht schönen Fußball spielen wollen, sondern erst einmal den Kampf annehmen."
Dass es nämlich mit dem entsprechenden Engagement gar nicht so schwer gefallen wäre, in Siegen zu punkten, zeigte die Schlussphase. Ein wenig Druck, und die Sportfreunde wankten. Heiko Butscher, der eingewechselte van Hout und Bechmann hatten allerbeste Tormöglichkeiten. Dass sie allesamt nicht genutzt werden konnten, passte ins Bild eines Tages, der vielen Bochumer Fans noch lange zu schaffen machen wird.
VfL Bochum ist total aus der Spur (von Michael Eckardt)
Die erste Niederlage ist da und mit ihr eine kleine Krise. Der VfL Bochum blamierte sich mit der 0:3-Niederlage beim Zweitliga-Aufsteiger Sportfreunde Siegen nach Kräften. Erst die Pokalschlappe in St. Pauli, dann ein mühevolles Unentschieden gegen den SC Paderborn und jetzt die Watschen im Siegerland - die Bochumer sind derzeit meilenweit von ihrem eigenen Anspruch, die Nummer eins im Bundesliga-Unterhaus zu sein, entfernt. Dass mit Kapitän Thomas Zdebel (gesperrt) und Zvjezdan Misimovic (verletzt) zwei Stammkräfte fehlten, dürfte kaum eine Entschuldigung sein für die blamable Vorstellung bei einem wahrlich nicht übermächtigen Gegner, der sich über drei verdiente Punkte im Abstiegskampf und Rekordbesuch im Leimbach-Stadion freuen durfte.
Die 3000 mitgereisten Bochumer Fans quittierten dagegen den Auftritt ihrer Mannschaft mit Pfiffen und unfeinen Worten. Ähnlich enttäuscht zeigten sich auch die Offiziellen. "Grausam", befand Aufsichtsratsboss Werner Alte-goer und forderte, dass sich nun "radikal etwas ändern muss".
Das Unheil nahm mit einem Blackout von VfL-Schlussmann Rein van Duijnhoven seinen Lauf. Das schlampige Abspiel des sonst so zuverlässigen Routiniers brachte den überragenden Akteur dieses Nachmittags, Miroslav Spizak, ins Spiel. Van Duijnhoven konnte zwar zunächst abwehren, doch Till Bettenstädt war zur Stelle und vollendete. Wer geglaubt hatte, die Bochumer würden in diesem Spiel auf Regionalliga-Niveau nach dem Seitenwechsel endlich ihr wahres Gesicht zeigen und zulegen, sah sich getäuscht. Zweikampfschwach und verträumt kamen die Gäste aus der Kabine, binnen sechs Minuten machten Daniel Bogusz und erneut Bettenstädt mit ihren Treffern alles klar für den Aufsteiger, dem zuvor in sechs Spielen kein Sieg gelungen war.
VfL-Trainer Marcel Koller blieb zwar auch nach dieser derben Schlappe ruhig und besonnen, verbal umarmen wollte er seine Mannschaft aber nicht. "Erst nach dem 0:3-Rückstand haben wir angefangen zu fighten", kritisierte der 44-Jährige, der bereits vor dem Anpfiff eine gehörige Portion Sorglosigkeit bei seinen Spielern verspürt hatte. Ändern konnte Koller allerdings nichts mehr.
Schmusekurs (von Michael Eckardt)
"Gott hat die Hand über Siegen gehalten." Adnan Masic, der immer für einen flotten Spruch gute Torhüter der Sportfreunde, hätte auch sagen können: "Der Teufel hat seine Krallen nach den Bochumern ausgefahren." Wie von allen guten Geistern verlassen irrte die VfL-Auswahl über den Siegener Rasen.
Da liegt einiges im Argen. Wenn schon einem Spieler wie Martin Meichelbeck die wiederholte Zurückstufung so zu schaffen macht, dass er kaum wieder zu erkennen ist, muss das zu denken geben. Und Edus Verfassung ist nur noch mit der Vokabel Mitleid zu beschreiben: Hinter dem Siechtum des Brasilianers muss sich mehr verbergen als nur eine Formkrise.
Es kommt noch schlimmer. Tommy Bechmann, von seinem Selbstverständnis her Bundesliga-reif, von seinem Zweikampfverhalten aber eher D-Jugend, kriegt die Kurve nicht, und Momo Diabangs Freund war der Ball schon lange nicht mehr.
Nach dem mühevollen Unentschieden gegen Paderborn hatte Marcel Koller seinen Spielern zwei freie Tage spendiert, dann ein neues System einstudiert. Das eine haben sie ihm nicht gedankt, das Andere nicht begriffen. Über ein Ende des Schmusekurses bräuchte sich niemand zu wundern.