Sachsen Leipzig soll Flügel bekommen
Von Matthias Wolf
Alter Fuchs in der vierten Liga: Eduard Geyer
19. Dezember 2006
Es war eine traurige Rückkehr für Eduard Geyer. Der ehemalige Erfolgstrainer, mittlerweile beim Oberligisten FC Sachsen Leipzig unter Vertrag, verlor vor 935 Zuschauern mit 0:2 bei der zweiten Mannschaft von Energie Cottbus. Der 62 Jahre alte Trainer blieb danach der Pressekonferenz fern, kletterte mit versteinerter Miene in den Bus. Geyers Mannschaft hatte an diesem tristen Novembertag bereits dreizehn Punkte Rückstand auf Platz eins. Ein bitteres Los für den Mann, der offen sagt, er würde gerne noch einmal in der Bundesliga arbeiten.
Mittlerweile hat das Team den Abstand auf neun Zähler verringern können. Aber nicht nur deshalb tauchte er am letzten Spieltag der Bundesliga-Hinrunde als Zuschauer wieder bestens gelaunt im Stadion der Freundschaft auf. „Ja, es tut sich was in Leipzig“, sagte er. Das Interesse des Getränkeherstellers Red Bull aus Salzburg am Fußball-Standort Leipzig ist öffentlich geworden. 50 Millionen Euro will der österreichische Konzern investieren, um den FC Sachsen in die Bundesliga zu führen.
„Es tut sich was in Leipzig“
Raumschiff Zentralstadion am Oberligastandort Leipzig
Die Zahl mag Klubpräsident Rolf Heller nicht bestätigen, er sagt nur: „Die Dimensionen sind enorm.“ Und Geyer weiß, daß bisher veröffentlichte Meldungen, wonach das Geld nur fließt, wenn seine Mannschaft in dieser Saison den Aufstieg schafft, falsch sind.
„Red Bull würde sich auch bei Verbleib in der Oberliga nicht abschrecken lassen“, sagt Michael Kölmel, der Chef der Kinowelt. Der Filmhändler ist auch Betreiber des Leipziger Zentralstadions und Sponsor beim FC Sachsen. Red Bull hat zu ihm Kontakt aufgenommen. Zwar dürfte der Investor, wenn der Aufstieg in diesem Jahr nicht gelingt, durch die Reformen im Amateurlager zwei Jahre verlieren, „aber wer so viel Geld in die Hand nimmt, hat auch Geduld“, sagt Kölmel. „Mein Eindruck ist, daß Red Bull das in Leipzig unbedingt machen will.“
Standort in Deutschland gesucht
Der Konzern, in Österreich schon mit Herbstmeister Red Bull Salzburg auch im Fußball, habe nach einem geeigneten Standort in Deutschland gesucht – und Leipzig für ideal empfunden. Vor allem, so Kölmel, weil die Infrastruktur vorhanden sei und kein Stadion gebaut werden müsse. „Der Pferdefuß vierte Liga“, so Kölmel mit einem Lächeln, „könnte die Sache letztlich zu einer besonderen Erfolgsstory machen.“
Für den Leipziger Fußball, der dann auch ein großes Jugendinternat bekommen soll, ist es womöglich die letzte Chance auf bessere Tage. „Fußball ist hier ein Trauerspiel, ausgerechnet in einer Stadt, die im Osten wie keine zweite boomt“, sagt Heller. Der Direktor einer Krankenkasse, einst Präsident der Frankfurter Eintracht und von Rot-Weiß Erfurt, trat vor zwei Jahren mit hehren Zielen an: Er hätte am liebsten aus den verfeindeten Klubs Sachsen und Lokomotive einen Leipziger Großverein geformt, doch er spürte rasch, „daß Fußball hier Krieg bis aufs Messer ist“. Nun sieht er das Ende seiner Amtszeit kommen: „Wenn das mit Red Bull perfekt ist, übergebe ich den Verein.“
Stimmenmehrheit für Red Bull
Noch vor Weihnachten wird es weitere Verhandlungen geben, Kölmel rechnet mit einer Einigung im Januar. „Nur noch die Feinjustierung“ sei zu erledigen, sagt Heller. Danach müßten allerdings die Mitglieder die Zustimmung erteilen zu einem Vorgang, der mit Sponsoring nur unzureichend beschrieben ist. „Es wäre eine Art Übernahme“, weiß Heller.
Red Bull fordert die Stimmenmehrheit in den Gremien des Klubs, zudem alle Vermarktungsrechte, auf zehn Jahre. Zudem sind unpopuläre Maßnahmen geplant, welche die Traditionalisten unter den Fans, und das sind beim einstigen DDR-Oberligaklub Chemie Leipzig nicht wenige, schon auf die Barrikaden bringt: Die grün-weißen Vereinsfarben sollen dem Rot und Weiß des Konzerns weichen. Der Stadionname wird geändert, womöglich, so Heller, wird auch der Vereinsname abgewandelt.
„Wer viel Geld gibt, will viel“
RB Sachsen Leipzig – das wäre nach deutschem Recht, das nicht so viel zuläßt wie in Österreich, wohl denkbar. LR Ahlen läßt grüßen. „Im Gespräch ist vieles“, sagt Heller, „wer viel Geld gibt, will auch viel haben.“ Aber Leipzig hat wohl keine Wahl. Um das dem Volk noch einmal zu verdeutlichen, könnte laut Heller Franz Beckenbauer, ein guter Freund von Red-Bull-Chef Dieter Mateschitz, zur Versammlung kommen. Beckenbauers Assistent Markus Höfl war bei den Gesprächen in Leipzig bereits dabei. „Es ist gut, wenn man einen Kaiser im Rücken hat“, sagt Kölmel.
Daß Sachsen Leipzig bald Flügel bekommt, ist derzeit schwer vorstellbar. 3000 Zuschauer verlieren sich meist nur im weiten Rund. Sämtliche Investitionen in Spieler sind zudem verpufft. Rund 1,6 Millionen Euro, etwa die Hälfte des Oberliga-Etats, hat Kölmel auch in dieser Saison wieder beigesteuert, in einem Gesamtpaket. Darin enthalten ist auch die Nutzung des Stadions. 600.000 Euro gibt er allein dafür, damit Sachsen in der Arena spielt, behält allein die kargen Einnahmen. Künftig würde er die Arena direkt an Red Bull vermieten.
„Für Kölmel ist das aktuell ein riesiges Zuschußgeschäft“, sagt Heller. Dennoch will der Filmmann mit dem Faible für Fußball in der Winterpause erneut zubuttern, um mit neuen Spielern den Aufstieg noch zu schaffen. Denn dann bliebe auch der Zeitplan unverändert: 2011 wollen Leipzigs Rote Bullen in der Bundesliga sein.
Text:
F.A.Z.