Die schnellste Maus von Andalusien
Dortmund – Am Samstag gab David Odonkor (22) den Frustrierten. Nach Dortmunds 3:1 in Stuttgart, das er von der Bank verfolgen musste, raunzte der Nationalspieler: "Ich sage nichts. Das gäbe nur Ärger!" Der wäre schnell verflogen, so wie Odonkor schnell verflog: Am Sonntag. Nach Spanien, zu Betis Sevilla.
Am Montag absolviert Borussias rechter Außenstürmer, der die 100 Meter deutlich unter 11 Sekunden laufen kann, laut seinem Berater Kon Schramm den medizinischen Check in der andalusischen 700.000 Einwohner-Hauptstadt. Der BVB wird nach bestätigten Informationen 6,5 Millionen Euro Ablöse kassieren. Am Abend wartete Sportdirektor Michael Zorc allerdings noch "auf eine schriftliche Sicherheit".
Sie sollte zu erbringen sein, denn die Kriegskasse der Iberer ist gefüllt. Betis verkaufte Spaniens Nationalspieler Joaquin, der nun durch Odonkor ersetzt werden soll, für 25 Mio. Euro an den FC Valencia – der zweitteuerste Sommer-Transfer in Spanien. Nur Real Madrid bezahlte für Mahamadou Diarra (Olympique Lyon) mehr: 26 Mio. Euro.
Süffisant darf man behaupten, ein großer Teil der Ablöse für Odonkor stehe Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann zu. Der hatte den Dortmunder unverhofft für die WM nominiert, wo sich das Eigengewächs als einer der schnellsten Spieler der Welt und Spektakel-Joker profilierte. Gegen Polen (1:0) bereitete er Oliver Neuvilles Siegtor vor, anschließend herrschte im Land Odonkor-Hysterie. Der Neu-Prominente sagt: "Dafür, dass mich kleine Jungs nach Autogrammen fragen, habe ich immer gearbeitet." Inzwischen schreibt er und schreibt. Ein modernes Märchen.
Die Euphorie verdeckt den Blick auf eine realistische Einordnung seines Könnens: Da sind die Probleme in der Ballbehandlung, unpräzise Flanken und mangelnde taktische Flexibilität. Natürlich, das "System Odonkor" ist in gewissen Situationen eine Waffe, übertragen auf eine Startformation aber ist es berechenbar. In Dortmund wäre der Profi in einem 4-4-2 Bankdrücker geblieben.
Gehalts-Quantensprung
In Sevilla darf Odonkor spielen. Und hat nun ausgesorgt. Der ehemalige Briefträger soll einen Vier- oder Fünfjahresvertrag unterschreiben, der mit rund 1,4 Mio. Euro dotiert ist – netto. Bislang kassierte er deutlich weniger als eine Million Euro – brutto. Zorc: "Das wird ein Quantensprung."
Der BVB parkt seine frischen Millionen zunächst über den 31. August hinaus auf einem Festgeldkonto. Boss Hans-Joachim Watzke sagt: "Wenn es sich anbietet, können wir wieder Qualität verpflichten. Ein gutes Gefühl."
Bielefelds Innenverteidiger Heiko Westermann steht 2007 ganz oben auf der Wunschliste.
Sonntag, 27. August 2006 | Sascha Fligge
quelle: westline