Merkwürdig war sein Abgang nur für die, die keinen Einblick in die damalige Situation in Gladbach haben und hatten und sich nicht intensiv genug mit den Facetten und dem Charakter des Menschen und Trainers Lucien Favre beschäftigt haben.
Favre hat damals mit seinem abrupten Weggang die Saison für Borussia Mönchengladbach gerettet und den Weg frei gemacht für neue Impulse, die der Verein und die Mannschaft unbedingt brauchten. Favre ist ein positiv Verrückter und Getriebener, der immer und ständig auf Fußball und die Verbesserung seiner Mannschaft und jedes einzelnen Spielers fixiert ist und nie zufrieden ist, vor allem nicht mit sich selbst. Das führt zum einen dazu, dass er wirklich (fast) jeden Spieler, den er im Training über einen längeren Zeitraum hat, besser macht und weiter entwickelt, gleichzeitig aber, dass es für seine Spieler unheimlich anstrengend und auch nervig sein kann, unter ihm zu trainieren, weil er eben auf Winzigkeiten und Details achtet.
Diese Versessenheit auf Details funktioniert bei den Spielern in der Regel aber nur über einen bestimmten Zeitraum, so dass diese für sich selber auch immer noch den Nutzen, den Vorteil, die Verbesserung erkennen und bereit sind, immer weiter an sich mit Freude und Spaß an solchen Details zu arbeiten. Nach ein paar Jahren aber kommt es oft dann in der Mannschaft, vor allem wenn sie über Jahre zusammen sind, zu einem Punkt, wo dieses Training stresst und die Weiterentwicklung stockt. In dem Moment hinterfragt sich Favre, der Perfektionist extrem selber und stellt sich die Frage, inwieweit er der Mannschaft tatsächlich noch helfen und sie weiter entwickeln kann.
Favre hatte nach der Saison mit der CL-Quali erkannt, dass dieser Punkt erreicht war und wollte schon in der Sommerpause aufhören oder aber der Mannschaft ein völlig neues und anderes Gesicht geben, um eine andere Spielphilosophie entwickeln zu können und so neue Reize und Impulse zu setzen. Dies war aber auf dem Transfermarkt nicht umsetzbar, zumal Eberl schon frühzeitig Transfers gesichert hatte und überzeugt war, dass auch dieses Team sich noch weiter entwickeln konnte. Dür Eberl stand Favre nie, auch nach 5 Niederlagen nicht zur Disposition, für Favre waren die 5 Niederlagen der Beweis, dass er in der Pause richtig mit seiner Einschätzung gelegen hatte und er sah persönlich keinen Weg mehr, wie er die Mannschaft wieder so von seinem Weg überzeugen konnte, dass sie sich frei und unvoreingenommen darauf einlässt und mit ihm gezielt darauf hin arbeitet und an ihn und seine Gedanken glaubt.
Das war der Punkt, an dem er überzeugt war, dass ein Weiterarbeiten mit ihm ihm, der Mannschaft und auch dem verein mehr schadet als eine abrupte Trennung. Da er jedoch wusste, dass Eberl niemals einen normalen Rücktritt akzeptieren oder ihn entlassen würde, Eberl hätte die Saison bis zum bitteren Ende durchgezogen, sah er für sich in seiner Vorgehensweise, erst die Öffentlichkeit über seinen Rücktritt zu informieren und Fakten zu schaffen, den einzigen Weg, die verfahrene Situation aufzulösen.
Zu dem Zeitpunkt war das für sehr viele, auch viele Gladbach-Fans merkwürdig, eine Frechheit, ein "Im-Stich-lassen" etc. und für Außenstehende erst recht. Wer die Situation und Sachlage nüchtern betrachtet mit den Informationen, die heute bekannt sind, muss jedoch klar konstatieren, dass Favre da sich einfach selber treu geblieben ist und Gladbach keinen Bärendienst getan hat, sondern den Weg für einen notwendigen Neubeginn frei gemacht hat. Deswegen könnte er inzwischen auch jederzeit wieder Trainer in Gladbach werden, sogar mit Handkuss.