Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Kerpinho

FL-Pate
Teammitglied
Der FC Bayern München im Frühjahr 2009. Eine Bestandsaufnahme.

Was wurde in den letzten Tagen und Wochen nicht alles geschrieben, geredet, analysiert, spekuliert, schwadroniert. Kaum einer der sich nicht genötigt sah, seinen Senf zum Deutschen Rekordmeister abzugeben. Nicht selten war er scharf. Zu scharf.

Ganz besonders für einen: den Trainer, Jürgen Klinsmann.

Als der 44-Jährige Schwabe im vergangenen Sommer seinen Dienst an der Säbener Straße antrat, war die Euphorie groß, der Optimismus kannte fast keine Grenzen. Von einem Aufbruch zu neuen Ufern, einer neuen, modernen Fußball- und Spielphilosophie war die Rede. One Touch Fußball hieß das Zauberwort. Das Spiel schneller machen, jeden einzelnen Spieler jeden Tag ein Stück weit voranbringen. Endlich wieder, sowohl sportlich als auch spielerisch, auf Augenhöhe mit den ganz Großen aus Spanien, Italien und England zu agieren. Ja, so lautete die Zielvorgabe. Mit Klinsmann, dem Visionär, dem Sympathieträger, dem Querdenker, dem Autor des legendären und unvergesslichen Sommermärchens. Und alles schien, irgendwie, möglich.

Mit dem, vermeintlich, besten Trainingszentrum im Profifußball wurde der erste Grundstein, eine Basis, gelegt. Die Begeisterung die jene neue "Kicker-Tagesstätte" hevorrief, sollte möglichst schnell auf das Tagesgeschäft, die Pflichtspiele des FC Bayern, transportiert werden. Was sich, trotz buddhistischem Beistandes in vierfacher Ausführung, als schwere, ja, kaum lösbare Aufgabe herausstellen sollte.
Der holprige, unerwartet schlechte Saisonstart rief prompt die ersten Kritiker auf den Plan. Was war da los? Klinsmann, der "Wunderheiler", etwa doch nur ein schnöder Schamane, ein Blender? Alles fauler Zauber?

Die magischen Formeln und ihre Interpreten wurden von nun an jedenfalls hinterfragt. Gründlichst. Mal mehr, mal weniger sachlich.
Die ersten die dran glauben mussten waren ausgerechnet die vier Buddhas. Vom einstigen, beschworenen und erhofften "Energiefluss" war schon im September nicht mehr viel zu spüren. Ganz im Gegenteil. Die Bayern-Profis schienen an Energiestau zu leiden. Der Kopf, Körper und besonders die millionschweren Beine und Füße zu hemmen schien. Selten zuvor trat eine Bayern-Mannschaft derart konfus und lethargisch auf, wie bspw. in den Spielen gegen Werder Bremen (2:5) und Hannover 96 (0:1). Plötzlich schien alles, was mit der Verpflichtung von Jürgen Klinsmann ein Selbstläufer werden sollte, außer Kontrolle. Taktik, Auf- und Einstellung. Ja, selbst das geistige Wohlbefinden der Herren Fußballmillionäre war von nun an, Land auf, Land ab, ein, wenn nicht das Thema.

Sicher - Jürgen Klinsmann hat gerade zu Beginn seiner Amtszeit einige, vermeidbare, Fehler begangen. So war es sicherlich der Sache nicht nicht dienlich, ausgerechnet den von ihm bestimmten "Capitano", in Persona von Mark van Bommel, gleich zu Beginn der Spielzeit, aufgrund von Formschwäche, auszubooten und somit seiner Autorität, seines Selbstbewußtseins und seines Ansehens zu berauben.
Auch die überzogene, anfängliche Rotation und die Philosophie der flexiblen Taktik und Spielweise hätte schonender und sinnvoller vonstattengehen können. Keine Frage.
Aber letzten Endes standen da elf erfahrene und durchweg bundesligataugliche Topspieler auf dem Platz. Und niemandem wird deren Auftreten mehr geschmerzt und zugesetzt haben als ihrem Chef himself.

Eben jener wird dem Nachfolger des Titanen, der sich einst - noch auf der Ersatzbank des Münchner Nobelklubs sitzend - schon als potentielle Nummer Eins der deutschen A-Nationalmannschaft ins Gespräch brachte, sicher nicht dazu geraten haben, durch sein unsicheres und fehlerhaftes Auftreten die Hintermannschaft zu verunsichern. Ebenso wenig wird er die Herren Weltklassespieler Lucio und Demichelis, quasi über Nacht, ihrer natürlichen, außergewöhnlichen fussballerischen Fährigkeiten beraubt haben. Auch wenn sich der geneigte Zuschauer, angesichts der teilweise desolaten Auftritte dieser erfahrenen Spitzenkräfte, dieses Eindrucks kaum noch erwehren konnte.

Ein weiteres Übel, aus Sicht von Jürgen Klinsmann und dem Auftreten seines FCB, war sicherlich auch die gerade absolvierte Europameisterschaft. Ein Event welches seine Spuren hinterließ. Keiner der Nationalspieler erreichte in den ersten Wochen und Monaten Normalform. Noch nicht einmal annähernd. Am schlimmsten betroffen war ausgerechnet der Goalgetter Nummer Eins, Luca Toni. Verletzungs- und formbedingt war er, im Vergleich zum Vorjahr, nur noch ein Schatten seiner selbst. Ähnlich wie sein Sturmkollege Klose, der - einmal mehr - in einem Leistungsloch zu versinken drohte. Und als ob der "Ausfall" des gesetzten Sturmduos nicht schon Strafe genug wäre, fiel auch noch der einzige echte Kreativspieler, Franck Ribery, über mehrere Wochen hinweg aus.

Kurzum, die Bedingungen für Klinsmann waren, gerade zu Beginn seiner Bayern-Regentschaft, alles andere als einfach, förderlich. Der Trainer selbst freilich führte dies niemals wirklich als Alibi an. Stand stets seinen Mann, stellte sich kompromisslos hinter seine Spieler, die immer wieder durch erschreckend schwache Auftritte zu "glänzen" wußten.
Klinsmann, der bekennende Optimist, glaubte an "seine Jungs", an die Umsetzung und Realisierung der ausgebenen Ziele. Früher oder später wird es schon klappen.

Möglich, dass er die Gesetze des Marktes - gerade bei einem Verein wie dem FC Bayern München - unterschätzte. Sich vermeintlicher Fehler und deren Auswirkungen im Fußball-Tagesgeschäft, welches für den Vereinstrainer Klinsmann ja Neuland darstellt(e), nicht wirklich bewußt war. Aber Klinsmann wäre nicht Klinsmann, wenn er sich durch Kritiker und Kritiken von seinem Weg abbringen lassen würde.

Obwohl - war die nicht was?

Ok, die Umstellung des Spielsystems. Aber die hing wohl eher damit zusammen, dass er nach einer gewissen Anlaufphase feststellen musste, dass die Gegebenheiten, in Form des vorhandenen Spielermaterials, dann wohl doch nicht zur schnellen Umsetzung der eigenen Philosphie taugten.

Eine erste, richtige, Einsicht. Eine erste, schmerzhafte, Niederlage.

Was folgte war die Rückkehr zum Hitzfeldschen-Spielsystem. War es ja auch, zu großen Teilen, Hitzfelds Mannschaft, die er da übernommen hatte. Ein Vermächtnis, welches - gerade was Spielkultur anbelangt - nicht selten Anlaß zur Kritik gab und gibt.

Eine Mannschaft, die - nüchtern betrachtet - zwar stets für eine Deutsche Meisterschaft, aber - gerade angesichts der starken, internationalen Konkurrenz - niemals für das Erreichen des größten Zieles, dem Gewinn der Uefa Champions League, gut ist.

Ob sich die Verantwortlichen dieser Tatsache bewußt sind?

Spiele wie gegen Lissabon, die - im Nachhinein betrachtet - ohne Stellenwert und Aussagekraft waren, ließen Zeit zum träumen. Riefen Träumer auf den Plan. Denn alles erschien, plötzlich, irgendwie, möglich.
Zumindest dann, wenn man außer Acht ließ, dass es sich hier allenfalls um einen international drittklassigen Gegner handelte.
Und die Kluft zwischen Dritter (Lissabon), Zweiter (München) und Erster Liga kann, in der Realität, immens und grausam sein.

Gegen den Erstligisten aus Barcelona sah der FC Bayern nicht nur kein Land, nein, er ging unter.
Und eine Rettungsweste war weit und breit nicht in Sicht. Selbst wenn Klinsmann ausgebildeter Rettungsschwimmer wäre - er hätte es nicht verhindern können.

Das Problem des FC Bayern ist nicht der Trainer. Nein. Es sind zum einen die ausgegebenen, viel zu hohen und unrealistischen Ziele. Und zum anderen das vorhandene Stammpersonal, welches den an und mit ihm verbundenen Erwartungen schlichtweg nicht Rechnung tragen kann.
Dies darf und kann kein Freifahrtschein für einen Bayern-Trainer, in diesem Falle Jürgen Klinsmann sein. Aber es zeigt auf, dass es - um die Realisierung der Bayern-Ziele (CL-Gewinn und attraktiver Fußball) zu verwirklichen - in der Tat eines Wunderheilers bedarf. Und ein solcher ist, weder im Beruf des Fußball-Übungsleiters noch andernorts zu haben.
Soll heißen, dass der FC Bayern kein Trainer- sondern ein Spielerproblem hat.

So lange diese Erkenntnis nicht bis in die Köpfe der eigentlich Verantwortlichen (Hoeneß und Rummenigge) vorgedrungen ist, wird sich an dieser Tatsache auch nichts ändern. Da helfen dann auch ein Arsene Wenger, ein Louis van Gaal, ein Matthias Sammer, ein Roberto Mancini, oder wie sie alle heißen, allenfalls nur kurzzeitig weiter.
Der ein- oder andere nationale Titelgewinn wird aber sicherlich auch unter Beibehaltung der aktuellen Personalpolitik drin sein.
Mit oder ohne Jürgen Klinsmann.

Es wird sich schon eine neue "Bayern-Sau" finden, die dann durch die mediale Fußballlandschaft getrieben werden kann. Der "unerklärlichen" Kluft zwischen Anspruch und Realität sei Dank!
 
Zuletzt bearbeitet:

gary

Bekanntes Mitglied
Du wurdest hier schon vermisst. Aber jetzt ist klar, dass du erst mal Zeit brauchtest, um die Wahrheit aufzudecken :zahn:

Es sind zum einen die ausgegebenen, viel zu hohen und unrealistischen Ziele.

Gestern war zu lesen, dass die ausgegeben Ziele des FCB weder zu hoch noch unrealistisch waren, man ist sportlich voll im Soll :mahnen:
 

Aimar

Frauensportbeauftragter
Du wurdest hier schon vermisst. Aber jetzt ist klar, dass du erst mal Zeit brauchtest, um die Wahrheit aufzudecken :zahn:



Gestern war zu lesen, dass die ausgegeben Ziele des FCB weder zu hoch noch unrealistisch waren, man ist sportlich voll im Soll :mahnen:

Kerp verwechselt anscheinend die Ansprüche die sein Arbeitgeber an den FC Bayern stellt mit denen des Vereins. :floet:
 

Webchiller

Bekanntes Mitglied
Zuviel Text. Aber ich bin mir sicher, dass sich aus den Reaktionen hierzu sehr schnell ableiten lässt, worum es inhaltlich genau ging. :zahn:
 
B

Braveheart99

Guest
:schlecht:

Bis zu dem Zeitpunkt als Du Klinsmann den Freifahrtschein ausgestellt hast, wars ja wenigstens noch einigermaßen lustig ...
 

Vatreni

Hrvatska u srcu!
Als der 44-Jährige Schwabe im vergangenen Sommer seinen Dienst an der Säbener Straße antrat, war die Euphorie groß, der Optimismus kannte fast keine Grenzen.
Bei dir vielleicht. Ich hab schon damals genug kritische Stimmen gehört. Die Fangemeinschaft war in dieser Frage eher gespalten als in kollektiver Euphorie.
Mit dem, vermeintlich, besten Trainingszentrum im Profifußball
Wer hat denn so nen Käse behauptet?:suspekt:Als ob Milan, Arsenal und Co. nicht ähnliche oder gar bessere Bedingungen bereits seit Jahren haben.
 

Kerpinho

FL-Pate
Teammitglied
Um die Suche nach einem Wunderheiler zu umgehen...hier einmal mein Vorschlag für die Kader-Zusammenstellung 2009/10:



-------------Klose---------------Toni

-----Ribery------------------------------Diego

--------Zé Roberto------Tymoschtschuk

Schäfer----Demichelis-------Lucio--------Lahm

-----------------------Enke



4 neue Stammspieler, 4 Spieler, die für Qualität bürgen. Das Niveau heben.

  • Spieler wie Ottl, Lell, Altintop, Borowski und Oddo haben bei einem europäischen Spitzenverein rein gar nichts zu suchen.
    --> Fazit: verkaufen!

  • Schweinsteiger und van Bommel sind zwar, auf ihren Positionen, erstklassige Fußballer, allerdings physisch und psychisch zu langsam. Verschleppen demzufolge das Spiel und stehen einem schnelleren Spielaufbau zumeist im Wege.
    Sie sehe ich allenfalls noch als Ergänzungsspieler.
    Gleiches gilt, streng genommen, für Luca Toni. Dessen Laufbereitschaft und techn. Fertigkeiten (Dribbling) sich doch in einem sehr überschaubaren Rahmen halten. Dennoch ist er, in Normalform, ein Torgarant. Und da gleichwertiger, techn. versierterer, Ersatz sehr teuer ist, bleibt er. Zumindest 09/10!

  • Ribery braucht (endlich) einen kongenialen Partner im MF. Einen Spieler der ihn nicht nur unterstützt, nein, ihm ebenbürtig ist. Gegnerische Spieler bindet und somit den Franzosen entlastet, ihm mehr Freiheiten verschafft.
    Diego von Werder Bremen ist so einer. Ein Spieler der Bayern München überaus gut zu Gesicht stehen würde. Der für modernen, schnellen und technisch anspruchvollsten Fußball bürgt und steht. One Touch Fußball halt. Ganz im Sinne von Jürgen Klinsmann.
    Seltsam, dass sein Name im Zusammenhang mit dem FC Bayern München nur ganz selten zu vernehmen ist.
    Der Kauf eines solchen, weiteren Ausnahmespielers könnte, letzten Endes, auch ausschlaggebend sein, wenn es darum geht, ob Franck Ribery seinen Vertrag vielleicht doch noch über 2011 hinaus verlängert.
    Denn nicht nur er will ein Team mit Perspektive um und hinter sich wissen.

  • Die Problematik bezüglich der vakanten rechten Außenverteidigerposition ließe sich problemlos und schnell intern lösen.
    Durch den Kauf des linken Außenverteidigers Marcel Schäfer (24, VfL Wolfsburg) könnte Rechtsfuß Philipp Lahm endlich auf seiner Lieblingsposition zum Einsatz kommen.
    Und mit Schäfer, der, was Statur und Spielweise anbelangt - ähnlich wie auch Lahm -an den legendären Bixente Lizarazu erinnert, hätte der FC Bayern eine excellente Besetzung für die linke Abwehrseite gefunden.

  • Seit Kahns Abschied im vergangenen Sommer ist die Torhüterfrage ungeklärt. Kahns Nachfolger, Michael Rensing, konnte bislang zu keinem Zeitpunkt die in ihn gesetzen Erwartungen erfüllen. Nach seiner Ausmusterung vor dem so wichtigen Spiel in Barcelona scheint er bei Klinsmann keine guten Karten mehr zu haben. Sollte Klinsmann auch 09/10 Bayern-Trainer sein, scheint ein Verbleib Rensings nahezu ausgeschlossen.
    Dann könnte endlich die Stunde von Robert Enke (31, Hannover) schlagen, der zuletzt nicht müde wurde zu betonen, noch einmal erfolgreich bei einem Topklub spielen zu wollen. Enke gilt seit Jahren als einer der besten Torhüter der deutschen Bundesliga.


Realistischer Kostenpunkt für die genannten Transfers:

- Tymoschtschuk --> 14 Millionen Euro (steht bereits als Neuzugang fest, Anm. d. Red.)
- Diego --> 25 Millionen Euro
- Schäfer --> 7,5 Millionen Euro
- Enke --> 7,5 Millionen Euro
_________________________________

Kosten Gesamt: 54 Millionen Euro


Rechnet man die zu erwartenden Einnahmen durch Spielerverkäufe und CL-Saison-2008/09-Erlös gegen, sollte eine Realisierung nicht an den Finanzen scheitern.
 

netzGnom

Schlaumeier
Spieler wie Ottl, Lell, Altintop, Borowski und Oddo haben bei einem europäischen Spitzenverein rein gar nichts zu suchen.
--> Fazit: verkaufen!

Durch den Kauf des linken Außenverteidigers Marcel Schäfer (24, VfL Wolfsburg) könnte Rechtsfuß Philipp Lahm endlich auf seiner Lieblingsposition zum Einsatz kommen.
Und mit Schäfer, der, was Statur und Spielweise anbelangt - ähnlich wie auch Lahm -an den legendären Bixente Lizarazu erinnert, hätte der FC Bayern eine excellente Besetzung für die linke Abwehrseite gefunden.

Und als Backup spielt dann wer?

Diego offensiv rechts?

Enke erachte ich als zu alt. Wenn schon jemand aus der Liga, dann Wiese.

achja: machen wir jetzt also wieder einen Mehrfrontenthread auf
http://www.fanlager.de/fc-bayern-muenchen-forum/fcb-2009-2010-kader-transfers-blabla-32757.html

langsam nervt mich das gewaltig.
 

Kerpinho

FL-Pate
Teammitglied
Ze Roberto oder Lahm. (Altintop könnte dann notfalls als RV aushelfen)

EDIT: ok, den Türken würde ich ja verkaufen...

Egal. Würde sich schon eine Lösung finden...
 
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