Krimi-Held Steffen Bohl
FUSSBALL: FCK beweist nach 0:2 Charakter und schlägt Koblenz mit 4:3
Von unserem Redakteur Horst Konzok KAISERSLAUTERN. Freitags-Krimi auf dem Betzenberg: Der 1. FC Kaiserslautern gewann das Zweitliga-Derby gegen TuS Koblenz hoch verdient 4:3 (0:2). Krimi-Held: Steffen Bohl. Er kam nach 53 Minuten und schnürte einen grandiosen Doppelpack.
Der FCK legte ein höllisches Tempo vor, bestürmte das Koblenzer Gehäuse beflügelt durch Sebastian Reinert und Sven Müller auf der rechten, Josh Simpson, der nach der Pause abbaute, auf der linken Außenbahn. Michael Gurski stand sofort unter Beschuss, parierte einen Scharfschuss des herausragenden Ideengebers Tamás Hajnal und Simpsons Nachschuss (3.). In der 7. Minute hielt Gurski nach Hajnal-Ecke einen Kopfball von Azar Karadas, der zu wenig torgefährlich war, aber kämpfte. In der 21. Minute nach einem pfiffigen Heber von Aki Riihilahti in den freien Raum musste Noureddine Daham das Tor machen! Er setzte sich gut durch, den Ball aber am langen Eck vorbei. Ein Königreich für einen Torjäger ...
Es passte ins Bild, dass Moussa Ouattara nach Hajnal-Ecke einen Flugkopfball neben das Tor setzte (29.). Es war die sechste Chance, aber das Feuer der „Roten Teufel" war dann erstmal erloschen. Dafür schlichen sich Schlampigkeit und Schludrigkeit ein. Erst spielte der zu lautlose Kapitän Beda einen bösen Fehlpass, dann schoss Ouattara einen katastrophalen Bock. So kam Sahin in der 34. Minute frei vors Lauterer Tor, Jürgen Macho rettete. Ouattaras Missetat: Übermut!
In der 38. Minute stand der Spielverlauf Kopf, 0:1, statt 4:0: Freistoß Frank Wiblishauser, Goran Sukalo stiehlt sich im Rücken Bedas davon - 0:1. In der 45. Minute ist die Abwehr erneut in Unordnung, Macho greift vorbei und der bei den FCK-Amateuren groß gewordene Rüdiger Ziehl trifft zum 0:2. Glück für den FCK, dass Kenan Sahin 60 Sekunden nach der Pause knapp das Lauterer Tor verfehlte.
Zwei Minuten später waren die „Roten Teufel" zurück im Spiel: Nach einer weiteren gute Hajnal-Ecke zwingt Beda Sahin zum Eigentor. Der „Betze" lebt. Der „Betze" bebt. 40.028 Zuschauer erleben ein großes Derby.
Nach 53 Minuten verlässt der überforderte Riihilahti verletzt den Platz. Steffen Bohl kommt zu seinem zweiten Saisoneinsatz und beweist, dass er gelernter Angreifer ist: Hajnals siebte Ecke köpft Bohl drei Minuten nach seiner Einwechslung zum 2:2 in die Maschen. Und lässt in der 61. Minute mit einem Drehschuss das 3:2 folgen. Sven Müller: „Das Tor hat Steffen nach seinem super Kopfballtreffer wie in Trance gemacht. Er wird den Tag nie vergessen." Drei Minuten später setzt Daham nach Tiéku-Black-out und Müller-Vorarbeit den Ball zum 4:2 in die Maschen. Sekunden vorher aber hat der spielstarke Mann aus Algerien seinen Ruf als Chancentod aufpoliert, ist frei vor dem großartigen Gurski aufgetaucht - und gescheitert.
„Ich habe in der Halbzeit die Charakterfrage gestellt. Die Mannschaft hat sie eindeutig beantwortet", lobte FCK-Trainer Wolfgang Wolf.
Sechs Minuten vor dem Ende kam Koblenz noch einmal ran: Anel Dzaka verlängerte einen Grenier-Freistoß. Auf der Gegenseite scheiterte der eingewechselte Stefan Lexa zweimal an Gurski.
TuS-Trainer Milan Sasic: „Für unseren Kampf hätten wir den Sieg verdient gehabt. Aber als Sportsmann muss ich zugeben, Kaiserslautern hat genauso gut gekämpft, war spielerisch besser und hat verdient gewonnen."
So spielten sie
1. FC Kaiserslautern: Macho - Müller, Beda, Ouattara, Bellinghausen - Riihilahti (53. Bohl) - Reinert, Hajnal (86. Lexa), Simpson - Karadas, Daham (77. Halfar)
TuS Koblenz: Gurski - Evers (25. Forkel), Grenier, Tiéku, Wiblishauser - Sukalo (72. Langen), Ziehl - Nessos, Dzaka, Keita (72. Olumide) - Sahin
Tore: 0:1 Sukalo (38.), 0:2 Ziehl (45.), 1:2 Sahin (48., Eigentor), 2:2 Bohl (56.), 3:2 Bohl (61.), 4:2 Daham (64.), 4:3 Dzaka (84.) - Gelbe Karten: Reinert - Nessos (3), Gurski - Beste Spieler: Bohl, Hajnal, Müller - Gurski, Sahin, Ziehl - Zuschauer: 40.028 - Schiedsrichter: Fleischer (Sigmertshausen).
Stimmen und Stimmungen
„Davon träumt man"
FUSSBALL: Fans enttäuscht, dann euphorisch
Von unserem Redakteur
Oliver Sperk
Sie machen einiges mit. Aber wenn es so läuft wie gestern Abend beim 4:3 (0:2) des 1. FC Kaiserslautern im Rheinland-Pfalz-Derby gegen „die" TuS Koblenz, tun die FCK-Fans das gerne.
18.46 Uhr, Fritz-Walter-Stadion: Böse Pfiffe von den meisten der 40.028 Zuschauer zur Pause. Tenor bei den enttäuschten Anhängern der „Roten Teufel": „Jetzt muss man aufpassen, dass man nicht noch eine Klasse tiefer rutscht ..."
Der Ex-FCKler Rüdiger Ziehl aus Stambach hatte kurz zuvor für den Pfälzer Stimmungstiefpunkt gesorgt. 0:2. Als Evangelos Nessos direkt nach dem Wiederanpfiff fast das 3:0 gemacht hätte, war die Verzweiflung der FCK-Fans gigantisch.
Dass sie dennoch „das ganze Wochenende lang über dieses Spiel reden werden", wie Kaiserslauterns Trainer Wolfgang Wolf später konstatierte, daran hat ein gebürtiger Pfälzer einen Riesenanteil: der 22-jährige Steffen Bohl, im vergangenen Jahr vom SV Weingarten zur zweiten Mannschaft des FCK gewechselt.
Der gelernte Stürmer sorgte mit zwei Treffern, seinen ersten beiden Toren als Profi, für die Wende. Nach Kenan Sahins Eigentor zum 1:2 (48.) schaffte Bohl das umjubelte 2:2 (56.). Da war der gebürtige Wachenheimer, der im Städtchen an der Weinstraße auch wohnt, gerade drei Minuten im Spiel.
„Steht auf, wenn ihr Lautrer seid", hatten die nach dem 1:2 wieder deutlich besser gestimmten Lauterer Anhänger gefordert. Bohl nahm"s wörtlich und köpfte die siebte von Tamás Hajnal getretene Ecke ins TuS-Tor. Und setzte fünf Minuten später mit dem 3:2 noch eins drauf.
„Davon träumt man natürlich als Fußballer. Ich hab" am Montagabend im Bus nach dem Spiel in Rostock zu Axel Bellinghausen gesagt: Freitag werd" ich eingewechselt und mach" ein Tor. Jetzt waren"s zwei ...", sagte der einst vom TuS Wachenheim über den VfL Neustadt zum SV Weingarten gewechselte Jung-Profi, der sein Bundesligadebüt für den FCK im Vorjahr im Spiel in Frankfurt feierte. Den bitteren Saisonausklang mit dem Abstieg in der Partie beim VfL Wolfsburg erlebte der Allrounder auch auf dem Platz mit.
Gut vier Monate später und eine Liga tiefer stürzte er sich und den ganzen Betzenberg in eine ganz andere Gefühlswelt. „Steffen ...", gab Stadionsprecher Horst Schömbs wie bei FCK-Toren gewohnt vor. „... Bohl - Fußballgott", ergänzten die Zuschauer im Euphorie-Taumel. Die Uhr im Fritz-Walter-Stadion zeigte 19:16.
Eine Stunde später, als der 4:3-Sieg des FCK längst über alle Ticker gelaufen war, war Steffen Bohl der gefragteste Mann in den Stadionkatakomben. Höflich und bescheiden erfüllte er unzählige Interviewwünsche. „Seinen" Tag wollte er mit einem Abendessen mit seinen Eltern in Wachenheim feiern.
„Es war ein Top-Derby, eine richtige Werbung", beschrieb TuS-Coach Milan Sasic das Sieben-Tore-Spiel. Und FCK-Trainer Wolfgang Wolf war „sehr zufrieden" mit seinem Joker im defensiven Mittelfeld: „Er bietet sich in jedem Training an."
Nicht zuletzt Bohl sei dank: Die FCK-Fans werden alle nervlichen Strapazen vergessen. Bei so einem Spektakel. Von dem sie nun das ganze Wochenende über erzählen können.
ron.de