FCK-Trainer Michael Henke glaubt an Klasse und Charakter seiner Mannschaft und setzt im Abstiegskampf vor allem auch auf die Fans der „Roten Teufel"
„Ich bin keine Memme ..."
Kaiserslautern. Michael Henke, der Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern, glaubt an seine Mannschaft und an die Wende zum Guten.
Frage: Herr Henke, die neueste Hiobsbotschaft passt zum 1. FCK im November 2005: Christian Nerlinger fällt nun auch noch aus. Tragisch für ihn, der nach einem Jahr zurückgekommen ist ...
Michael Henke: Ja, aber das passiert im Fußball. So etwas ist kaum vermeidbar. Aber das ist auch für uns schlecht. Christian war in der zentralen Position immer mehr in den Rhythmus gekommen. Das wirft ihn wieder zurück. Er spielt in der Mannschaft ja als Führungsperson eine wichtige Rolle, die er aber nur optimal ausfüllen kann, wenn er auch spielt.
Was macht Sie optimistisch, dass Hans Meyer am 19. November als neuer Trainer des 1. FC Nürnberg auf dem Betzenberg keinen guten Einstand feiern kann?
Dass die Mannschaft nach dem Berliner Spiel deutlich gemacht hat, dass sie alles der Konzentration des Nürnberg-Spieles unterordnet. Und dass die Spieler als Mannschaft zusammen gerückt sind. Optimistisch stimmt mich auch, dass die Leistung vor dem Spiel in Berlin nicht so schlecht war. Gegen Leverkusen haben wir gute Ansätze gezeigt, bis zum Ausgleich auch spielerisch gut ausgesehen. Im Pokal sind wir in Erfurt weiter gekommen, haben auch die schwierige Phase nach dem 2:2 gut gemeistert. Gegen Dortmund haben wir ein verlorenes Spiel noch umgebogen. Ja, selbst in Gladbach, haben uns nach dem 1:4 viele bescheinigt, dass wir ganz guten Fußball gespielt haben. Das sind ein paar gute Ansatzpunkte, auf denen wir aufbauen können. Die Mannschaft arbeitet gut. Am Mittwoch hatten wir ein sehr hartes Konditionstraining, da wurde sehr hart Willensschulung betrieben.
Wo sieht der Trainer die Ursachen der FCK-Krise?
Es ist schwer, das in wenige Worte zu fassen. Die Misserfolge haben uns zurückgeworfen. Das Selbstvertrauen fehlt - im Gegensatz zu den ersten Spielen, als wir vor Selbstvertrauen gestrotzt haben. Das 1:5 gegen Bremen und der besonders schwer wiegende Verlust des Derbys gegen Mainz haben arg am Selbstvertrauen gekratzt. Uns fehlen die Erfolgserlebnisse. So sind wir in ein Tal reingerutscht. Es fehlte die Konstanz über mehrere Spiele. Andere Spiele, die ganz ordentlich waren, wurden durch individuelle Fehler verloren. Nürnberg, Hannover, Frankfurt - jetzt kommen Gegner, die unsere Kragenweite haben. Gegen die müssen wir punkten.
Haben Sie den Kader überschätzt?
Nein. Das hat keiner von uns gemacht. Uns allen war klar, dass das ein schwieriges Jahr werden wird. Ich bleibe dabei: Der Kader ist besser, als er zuletzt gespielt hat.
Herr Henke, haben Sie die Hierarchie der Mannschaft verkannt, als Sie Thomas Ernst zu Saisonbeginn durch Jürgen Macho ersetzt haben?
Hierarchie hin, Hierarchie her. Glücklicherweise haben wir zwei gute und erfahrene Torleute, dazu auch auf dieser Position Talente. Jürgen Macho hat ordentlich gehalten. Ein Beleg dafür ist auch die Rückkehr in die österreichische Nationalmannschaft. Aber wir haben viele Gegentore bekommen. Schon in der Vergangenheit hat Thomas Ernst gute Leistungen gezeigt. Sein Stellenwert in der Mannschaft ging auch nicht verloren, als er nicht die Nummer eins war. Dadurch wird seine wichtige Rolle zusätzlich dokumentiert.
Hat der Eklat um Ciriaco Sforza die Talfahrt beschleunigt?
Es wäre zu billig, ,Ciri" als Alibi zu benutzen. Wir haben mit ,Ciri" Spiele gewonnen, wir haben mit ,Ciri" Spiele verloren. Das Thema ist abgehakt.
Herr Henke, Ihre Mannschaft hat in Berlin in der ersten Halbzeit einen Bundesliga-Fehlpass-Rekord aufgestellt. Können Sie als Trainer das erklären?
Die Erklärung kann nur sein, dass die Spieler mit dem Druck nicht fertig geworden sind. Das frühe Gegentor war eine Ursache dafür. Sonst gibt es keine Erklärung für diese Fehlpässe. Selbst neutrale Beobachter des Abschlusstrainings in Berlin hatten gesagt: ,Mensch, die Mannschaft ist aber gut drauf". Diese technischen Fehler hängen mit unserer Gesamtsituation zusammen.
Welche Fehler hat der Trainer Michael Henke gemacht?
Das ist schwer zu sagen, das ist eine Diskussion, auf die ich mich nicht einlasse. Es ist aber völlig falsch, wenn jemand von sich behauptet, dass er frei von Fehlern wäre. Wir Trainer müssen aus der Situation, wie sie sich stellt, Entscheidungen treffen. Die Trainingsleistungen sind nun einmal für mich ein entscheidendes Kriterium. Unter identischen Voraussetzungen würde ich alle Entscheidungen wieder so treffen. Dass manches nicht aufgegangen ist, war so nicht voraussehbar.
Herr Henke, Sie haben schon vor dem Desaster in Berlin gesagt, dass Sie nicht auf Teufel-komm-raus an der Vierer-Abwehrkette festhalten werden, sondern sich viele Gedanken über einen Systemwechsel machen. Angesichts des Personals in der Abwehr ist ja auch der Rückgriff auf den Libero eine Option. Stellen Sie gegen den „Club" auf Dreierkette um?
Wir sind dabei, das richtige System für das Spiel gegen Nürnberg im Training zu entwickeln. In Kaiserslauern ist das alles am wenigsten eine Systemfrage. Am wichtigsten ist eine Top-Einstellung, die hundertprozentige Konzentration. Wir müssen von dem Ziel beseelt sein, Nürnberg schlagen zu wollen. Dazu muss das taktische Grundsystem, die Ordnung eingehalten werden. Wir haben anfangs ja mehr mit einem 4-3-3 gespielt, dann 4-4-2, zuletzt auch mit der Raute. Die Mannschaft ist da flexibel, ich bin keineswegs auf ein System festgenagelt.
Was wünscht sich der FCK-Trainer von den eigenen Fans im nächsten Heimspiel?
So wie die Saison verlaufen ist, gibt es für uns keinen Grund, sich über unsere Fans zu beschweren. Die haben immer zur Mannschaft gestanden. Die Fans haben immer viel Geduld gehabt. Gerade gegen Nürnberg wird es vielleicht wichtig sein, dass die Fans Geduld bewahren. Es wird eventuell auch schwierige Phasen in dem Spiel geben. Wir müssen durch Leistung dafür sorgen, dass der Funke überspringt. Mein Wunsch ist, dass die Fans unser 12. Mann sind, so wie das auf dem Betzenberg schon oft der Fall war.
Sie haben kürzlich gesagt, Ihr Verhältnis zur Mannschaft sei weiterhin sehr gut, das Arbeitsklima in Ordnung. Ist das trotz der Talfahrt wirklich so geblieben?
In dem Verhältnis gibt es keine besonderen Probleme, nur die üblichen Geschichten: Spieler, die nicht spielen, sind weniger zufrieden und mögen den Trainer meist weniger als die anderen, die spielen. Trainer und Mannschaft arbeiten sehr gut zusammen. Wenn man Berlin ausklammert, dann hat die Mannschaft das auch bewiesen. Gegen Dortmund sind wir nach dem 1:3 noch einmal zurückgekommen, die Mannschaft hat die Dinge aus der Halbzeitansprache dann auch umgesetzt. Die Moral der Mannschaft stimmt.
Der Vorstandsvorsitzende sagt, er habe Mittel frei, um die Mannschaft in der Winterpause wirklich zu verstärken. Er wartet auf Ihre Vorschläge. Auf welchen Positionen wollen Sie was tun?
Wir müssen uns auf jeden Fall Gedanken machen. Welche Möglichkeiten haben wir auf welchen Positionen? Dann ist das auch eine Frage, was finanziert werden kann und eine Entscheidung, ob einer geholt wird oder zwei kommen. Oder ob mehr möglich und nötig ist.
Die Mannschaft geht ab Montag in Westerburg im Westerwald für drei Tage ins Trainingslager. Was versprechen Sie sich von der Maßnahme?
Volle Konzentration auf die nächsten Wochen, insbesondere auf das Spiel gegen Nürnberg, intensives Arbeiten ohne Ablenkung. In den drei Tagen hat man Zeit, sich ausschließlich mit dem Spiel und der Mannschaft zu beschäftigen. Wir dürfen die Situation aber auch nicht zu schwarz malen. Wir haben gegen die Mannschaften, die unten stehen, weitgehend gepunktet. Ein schwerer Ausraster war das Spiel gegen Mainz 05. Gott sei Dank haben wir im Pokal die Chance zur schnellen Rehabilitation.
Wann haben Sie zuletzt mit Ottmar Hitzfeld gesprochen, haben Sie sich Rat geholt?
Wir haben kürzlich telefoniert, mehr privates und allgemeines. Vor den Spielen wünscht mir Ottmar per SMS immer viel Glück. Über Kaiserslautern haben wir uns weniger unterhalten, da fehlen ihm auch die Internas, um alles beurteilen zu können.
Herr Henke, die Stimmung im Umfeld des Vereins ist gekippt. Sie stehen auch medial unter schwerem Beschuss. Wie gehen Sie mit der teilweise doch sehr massiven Kritik um? Bei Ihren früheren Stationen waren Sie in vergleichbaren Situationen eher außen vor, da ging"s gegen Hitzfeld, Scala oder Köppel?
Es ist nicht so, dass ich nichts mit Kritik zu tun gehabt hätte. Dazu war ich zu nah dran. Jetzt bin ich der verantwortliche Trainer, wir sind Vorletzter, also werde ich auch kritisiert. Das ist normal. Aber ich bekomme auch viel Unterstützung und Aufmunterungen von den Leuten. Ich stehe zu meiner Verantwortung. Ich bin als Trainer ein Bestandteil der Mannschaft. Also stelle ich mich der Kritik, ich bin da keine Memme!
Wie ist Ihr Verhältnis zum mächtigen FCK-Chef René C. Jäggi?
Sehr gut. Ich kann aus meiner Sicht nur sagen, ich habe sehr viel Respekt vor ihm und seiner Arbeit und ich habe auch das Gefühl, dass das umgekehrt so ist. Wir reden über alles immer sehr offen. Wenn wir uns nicht sehen, dann telefonieren wir mehrmals am Tag. Er ist immer informiert.
Was ist wahrscheinlicher: Michael Henke ist an Weihnachten noch FCK-Trainer oder er ist ab 1. Juli Co-Trainer Ottmar Hitzfelds bei Real Madrid?
Michael Henke wird an Weihnachten noch Trainer in Kaiserslautern sein und freut sich schon darauf, Weihnachten hier in Kaiserslautern zu feiern. Das Gespräch führte Horst Konzok.
ron.de