Der Aufsteiger der Saison im Interview

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Pottkind im Norden
Dortmund - Für DFB-Trainer Erich Rutemöller ist er „das Paradebeispiel einer Entwicklung vom Talent zum Leistungsträger“, der kicker bezeichnet ihn als „Aufsteiger der Saison“, Borussia Dortmund will seinen Vertrag vorzeitig bis 2008 verlängern. Gründe genug für ein Gespräch mit Florian Kringe.

Herr Kringe, bleiben oder pokern?
Kringe: Der BVB war immer sehr fair zu mir. Er wird mein erster Ansprechpartner sein. Versprochen!

Bleiben oder Pokern?
Kringe: Ich muss Ihnen ja nicht sagen, dass so eine Vertragsverlängerung von verschiedenen Faktoren abhängt.

Welche Faktoren?
Kringe: Ich habe Ziele. Ich möchte wissen, wer außer mir über 2006 hinaus beim BVB bleiben soll und wird.

Welche machen Sie sich?
Kringe: Ich habe erst ein Bundesligator geschossen – für den 1. FC Köln. Ich denke, dass ich endlich eine meiner vielen Chancen nutzen muss. Das beschäftigt mich. Ich sollte stattdessen besser den Kopf hochnehmen und schauen, wo der Torwart steht. :klatsch:

Erich Rutemöller hält Sie trotz dieser Schwäche für ein Paradebeispiel der sinnvollen Karriereplanung.
Kringe: Mein Weg war richtig! In Dortmund gab es viele Stars, die immer gespielt haben. Als Jugendkicker war es fast unmöglich, hineinzurutschen. Acht, neun Partien saß ich auf der Bank, habe aber nicht eine Minute gespielt. Wenn dich der Trainer nicht einmal nach dem 3:0 einsetzt, denkst du: Das macht hier keinen Sinn! Dann kam das Angebot aus Köln. Dort habe ich gespielt, bin aufgestiegen, abgestiegen, konnte mich präsentieren. Schließlich wollte mich der BVB zurück – Happy-End auf Umwegen.

Für Talente wie Sie, Marc Kruska oder Markus Brzenska ist die finanzielle Situation der Borussia ein Glücksfall?
Kringe: Das ist so! Aber schon das Beispiel Stuttgart hatte viele Vereine ermutigt, stärker auf die Jugend zu setzen. Und nicht auf durchschnittliche Ausländer.

In Dortmund fehlt Talenten noch immer die Bindung zu den Profis. Kein gemeinsames Trainingsgelände, die ständige Tour über Rasenplätze der Vororte. Sehr unglücklich....
Kringe: Ach das Trainingsgelände... Vor zehn Jahren hat man schon darüber diskutiert. Ohne entsteht eben kein gemeinschaftlicher Geist, aber jetzt arbeitet die Klubführung ja wirklich intensiv daran. In manchen Kabinen, in denen wir uns früher umgezogen haben, bröckelte der Putz. Aber trotz der schlechten Umstände wurde im Nachwuchs immer gut gearbeitet. Jungs wie Gambino oder Kruska haben den Sprung geschafft.

Junge Spieler brauchen Vorbilder. Ihr eigenes hieß lange Stefan Effenberg. Was hat Ihnen an ihm gefallen?
Kringe: Seine Überzeugung, seine Präsenz. Er hat Ruhe ausgestrahlt, ist in entscheidenden Momenten aber unglaublich aggressiv gewesen. Ein überragender Fußballer. Sein Privatleben hat mich nie interessiert.

Was die Präsenz auf dem Platz angeht, haben Sie im vergangenen halben Jahr einen Quantensprung gemacht.
Kringe: Die Konsequenz einer Entwicklung. Ich komme nicht neu zu einem Verein und haue gleich auf den Putz. Ich mag es ja selbst nicht, wenn ein Neuer in die Kabine kommt und gleich die Welle macht! Das Eingewöhnen war schwierig für mich: Vor meinem Wechsel hatte ich alles mit Matthias Sammer abgeklärt. Und auf einmal war Sammer weg, Bert van Marwijk kam. Der hat mich auf die Bank gesetzt – ich wusste gar nicht, was er von mir hält.

Sie hatten viel Zeit, darüber nachzudenken.
Kringe: Stimmt! Ich habe mir gedacht: Um bei den Amateuren zu spielen, dafür bist du nicht zum BVB gekommen. Hättest mal besser versucht, beim 1. FC Köln zu bleiben oder andere Angebote anzunehmen. Im Nachhinein habe ich mir mal wieder zu viele Gedanken gemacht.

Denn dann...
Kringe: ...denn dann habe ich meine Chance bekommen, durfte spielen. Ich habe gemerkt, dass ich dazu gehöre. Dieses Gefühl hatte ich vorher nicht. Meine Akzeptanz in der Truppe ist sukzessive gewachsen. Ich übernehme jetzt gerne Verantwortung. Hört sich platt an, oder?

Eine andere Platitüde lautet: Der BVB ist wieder ein Team mit Wir-Gefühl. Sind die vielen Deutsch sprechenden Akteure ein Grund?
Kringe: Es ist bestimmt nicht von Nachteil, wenn man sich untereinander verständigen kann.

Finanzkrise und sportliche Krise – hat gerade das zusammengeschweißt?
Kringe: Die Fans und die Spieler, auch die Spieler untereinander – da ist schon was dran. Klingt aber wieder platt.

Manchmal ist Fußball platt. Was unternehmen Sie außerhalb des Platzes, um geistig nicht zu stagnieren.
Kringe: Ich will ein Fernstudium im Sportmarketing-Bereich beginnen. BWL, Zahlen, das interessiert mich.

Waren die BVB-Zahlen der vergangenen 14 Monate interessant genug?
Kringe: Ganz ehrlich: Zum Schluss habe ich nicht mehr hingeschaut. Das waren Zahlen im Überfluss. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was hier los wäre, wenn der BVB nicht mehr existieren würde.

Einige Profis wären ablösefrei, viele würden finanziell weich fallen. Das hätte geholfen, den Schmerz zu verarbeiten.
Kringe: Eine Mentalitätsfrage. Der Christian Wörns bekommt finanziell garantiert keine Probleme mehr, aber er hat sich Sorgen um den Verein gemacht. Mit Dede habe ich gesprochen. Dem liegt der BVB wirklich am Herzen.

Ihnen auch. Bleiben Sie?
Kringe (lächelt): Wir sprechen ganz bald drüber.
 
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