Ich habe mir nun mal das ganze Interview zu Gemüte geführt. Und, äh, wie kurzsichtig bzw. realitätsentfernt ist der Herr Hembert eigentlich?
Spannender als die Premier League, mehr Fans und Potenzial - der Sportbusiness-Experte Emmanuel Hembert lobt den deutschen Fußball. Nur an Image und Vermarktung müsste man noch arbeiten. Hembert zeigt den Weg zur Spitze.
Hier fängt's ja schon an - wobei da teilweise auch stern.de 'schuld' ist. Was haben Spannung, Fans, Image und Vermarktung mit Fussball zu tun - also mit dem Sport ansich? Denn da liegt erst mal der grosse Unterschied der beiden Ligen: die Qualität des Spiels. Natürlich ergibt sich diese Qualität auch oder sogar vorallem durch die finanzielle Situation. Aber bevor die BuLi-Teams - national aber vorallem eben auch international - nicht qualitativ besseren Fussball bieten, wird dieser Markt für das Ausland und auch für andere Topstars weiterhin weitestgehend uninteressant bleiben. Da bringen auch die erwähnten schönen VIP-Logen herzlich wenig.
Imaging. Das fängt an bei der Art der Übertragung. Viele englische Spiele im Stadion können genauso langweilig sein, wie überall. Aber im Fernsehen sieht man das nicht, da wird ein anderes Spiel aufgeführt. In England arbeitet SkyTV sehr eng mit den Klubs zusammen. Da geht es nicht um journalistische Qualitäten. Da geht es um ein Produkt. Bundesliga-Fußball ist nicht langweiliger, mir scheint er in vielen Fällen sogar spannender zu sein.
Wie ist das zu verstehen? Wird uns bei einem langweiligen Kick zwischen Liverpool und Everton eigentlich jeweils eine alte Wiederholung eingespiesen? Ich verstehe echt nicht, auf was der Mann hinaus will. Etwa, dass die Qualität der Premier League-Spiele auch nicht immer sensationell ist? Breaking news. Ausserdem erachte ich doch gerade das TV-Paket 'BuLi' als ein sehr gutes. Sowohl die Live-Berichte von Premiere als auch die Spieltagzusammenfassungen von ARD - oder ZDF?! - sind professionell und ansprechend gestaltet. Ich bin beispielsweise kein Fan eines BuLi-Vereins und finde auch das Niveau nicht sensationell - dennoch führe ich mir Woche für Woche die Spiele zu Gemüte. Weil's einfach sehr spannend und gut aufgebaut ist. Da sehe ich also nicht wirklich ein Problem.
Was wirft die Bundesliga noch als Qualität in den Wettbewerb um Gunst und Markt?
Ihre Geschichte und ihre Geschichten. So wie die von Hoffenheim. Dritte Liga, zweite Liga, erste Liga, Herbstmeister - so etwas vermag zurzeit keine andere Liga zu erzählen. Was ich sagen will: Die Bundesliga sollte, gerade um die Auslandsvermarktung voranzutreiben, etwas mehr, wie man bei uns sagt, die Vögel um den Baum fliegen lassen.
Gerade DAS ist doch ein Negativargument. Da kommt mal eben ein Team ohne jegliche BuLi-Erfahrung und fegt die ganze BuLi weg? Ich glaube kaum, dass dies beim neutralen Fussballfan eine 'Wow, sieh dir diese klasse Liga an!'-Wirkung auslöst - im Gegenteil.
Die Ausbildung eigener Talente, von Stars. So wie Manchester United Ende der 90er. Damals bestand das Gerüst der Mannschaft beim Champions-League-Sieg 1999 gegen Bayern München aus Spielern wie Giggs, Scholes, Neville, Irwin, Butt, Beckham. Sie haben die Erfolgsgeschichte der Marke "Manchester United" begründet. Nehmen Sie heute Thierry Henry, Steven Gerrard, Frank Lampard, Didier Drogba, Cesc Fabregas. Sie sind in England erst zu Stars geworden. Weltfußballer Cristiano Ronaldo war 18, als er zu United wechselte.
Na also, doch noch. Hier liegt unter anderem ein ganz grosses Minus der BuLi. Sie bringt es nicht fertig, aus Toptalenten Weltklasse-Leute zu machen. Es heisst ja immer wieder so schön, dass die Bayern damals anstelle von Santa Cruz Kaka hätten haben können. Aber wo wäre Kaka jetzt? Ich würde jede Wette eingehen, dass er nicht Weltfussballer geworden wäre. Genauso verhält es sich mit den von Hembert angesprochenen Spielern. DA muss man ansetzen. Selbstverständlich ist die finanzielle Übermacht aufgrund der Investoren ein Riesenvorteil für die Premier League. Aber man muss sich halt entscheiden: Will ich ewig rumheulen oder versuche ich auf einem anderen Weg, zum Erfolg zu kommen? Hoffenheim ist da kein schlechtes Beispiel. Klar haben die für ihre Topleute einiges hingeblättert. Aber da hat's auch Stammspieler im Kader, die vorher anderswo unter 'ferner liefen' rangierten. Irgendwas muss Hoffenheim richtig gemacht haben. Schliesslich rangieren eben diese Spieler nun als Stammspieler auf Rang eins der Liga. Ein anderes Beispiel ist Juventus. Die haben auch nicht mehr die grosse Kohle wie einst. Was macht man? Man setzt auf eigene Talente. Und siehe da - es geht auch so. Auch 'Ausbildungsvereine' wie Sporting, Porto oder gar Lyon bringen am Laufband Topleute heraus. Barcelona will ich als Beispiel gar nicht erst weiter ausführen. Warum also geht das nicht auch bei den deutschen Topklubs? DAS sollte man sich mal ernsthaft fragen. Denn dagegen kann man in naher Zukunft was tun. Auf den 'Untergang der Premier League' hingegen kann man nur warten. Fragt mal den Uli, wie lange das dauern kann...