DFB-Pokal
Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, so auch in der Fernsehübertragung - 26.10.2005 09:46
Immer die Bayern!
9 von 25 Pokalspielen des FC Bayern wurden seit 2000 im TV live übertragen. So auch das Spiel bei Zweitligist Erzgebirge Aue. Die Konkurrenz in der Bundesliga beginnt zu murren. DFB und DFL wollen nun vermitteln.
Wie hier bei der 2:4-Niederlage beim 1. FC Magdeburg im Jahr 2000: Die Bayern sind auch im Pokal im TV präsent."Als das Los Aue gegen Bayern gezogen wurde, war mir sofort klar, dass dies das Live-Spiel wird. Ob das gut ist? Das muss das Fernsehen entscheiden. Die müssen wissen, was sie tun", wetterte Schalke-Manager Rudi Assauer. Der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen von Eintracht Frankfurt, das am Dienstag Schalke empfängt, meinte: "Ich kenne die Mechanismen, habe nichts anderes erwartet." Vermutet Bruchhagen, einst Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) für den Spielbetrieb, da gar eine Allianz zwischen dem FC Bayern München und den Fernsehanstalten?
Zweitligist Erzgebirge Aue gegen den deutschen Rekordmeister, ein typisches Spiel David gegen Goliath, da gibt‘s eigentlich nichts zu meckern wegen der Liveübertragung im ZDF am Mittwoch, die jedem der beiden Klubs ein zusätzliches Honorar in Höhe von 500 000 Euro garantiert. Dass den Bundesligarivalen des FC Bayern jetzt die Hutschnur geplatzt ist ("Andere Klubs sollten auch einmal in den Genuss einer Liveübertragung kommen, zumal es um viel Geld geht", so Gladbachs Sportdirektor Peter Pander, hat mit der Summe der Pokal-Liveübertragungen mit Beteiligung des Rekord-Pokalsiegers FC Bayern (12 Pokalgewinnne) zu tun.
In Aue bestreitet der FC Bayern sein 25. DFB-Pokalspiel seit August 2000 und ist zum 19. Mal in diesem Fünf-Jahres-Zeitraum an einer Liveübertragung beteiligt. Fünf Live-Übertragungen haben sich die Münchner dabei erarbeitet, weil sie zweimal im Finale (2003/ 2005) und insgesamt dreimal im Halbfinale standen - Endspiele und Halbfinals werden ausnahmslos live übertragen. 14 Live-Übertragungen und jeweils 500 000 Euro bekamen die Bayern von ARD oder ZDF zusätzlich und immer unter dem Hinweis, dass die Münchner die höchste Einschaltquote garantieren würden. Schalke (an 11 Live-Übertragungen beteiligt), Bremen (8), Mönchengladbach (6), Kaiserslautern und Leverkusen (je 5) folgen in diesem Ranking auf den Plätzen, alle anderen Profiklubs waren in weniger als fünf Spielen oder überhaupt nicht seit August 2000 live auf Sendung.
In der Regel garantieren die Münchner die höchste Einschaltquote. 11,1 Millionen Zuschauer verfolgten am 1. November 2000 in der zweiten Pokalrunde den sensationellen Triumph des 1. FC Magdeburg gegen die Bayern (1:1 n. Verl., Elfmeterschießen 4:2). Derart viele Menschen sahen nicht einmal bei den letzten fünf Pokal-Endspielen in Berlin zu, von denen die Partie FC Schalke 04 gegen Bayer Leverkusen (4:2) am 11. Mai 2002 mit 9,68 Millionen Zuschauern den Spitzenwert hatte. In der Liga ab wird schon seit dem Wettbewerb 2001/02 gemurrt, in dem alle fünf Spiele der Bayern bis zur Niederlage im Halbfinale gegen den späteren Pokalgewinner Schalke live gesendet wurden. Unter anderem das Heimspiel der Bayern gegen den VfL Wolfsburg am 23. Januar 2002, das damaligen David-Goliath-Duellen wie Darmstadt 98 - Schalke 04 oder KFC Uerdingen - 1. FC Köln vorgezogen wurde und schließlich mit 6,21 Millionen Zuschauern im Schnitt alles andere als ein Quotenrenner war.
Die Bevorzugung des FC Bayern bei der Vergabe von Live-Spielen ist jetzt auch zum Thema im DFB-Präsidium und im DFL-Vorstand geworden. "Darüber haben wir gesprochen", bestätigt Liga-Präsident Werner Hackmann kicker-Recherchen und kündigte an: "DFB und DFL wollen sich künftig in Gesprächen mit ARD und ZDF einbringen bei der Vergabe von Live-Spielen. Es geht darum, dass die Ausgewogenheit der Liga gewahrt bleibt." Grundsätzlich erhebt sich sogar die Frage, ob es für Live-Übertragungen noch zusätzliche Honorare geben soll oder die Gelder auf alle Klubs umgelegt werden, die derzeit in der ersten Pokalrunde jeweils 52 000 Euro TV-Honorar erhalten. Dieser Betrag wird von Runde zu Runde verdoppelt bis zu einem Betrag von fast zwei Millionen Euro für die Endspielteilnehmer.
Die Sonderhonorare für Live-Spiele stammen schon aus den siebziger Jahren, als die an Live-Spielen beteiligten Klubs in der Regel nicht vor ausverkauften Häusern spielten. Aue gegen Bayern ist schon seit Tagen ausverkauft; eher laufen die am Mittwoch nicht am Live-Spiel beteiligten Pokalvertreter Gefahr, vor weniger Zuschauern zu spielen, weil sich einige Fans lieber Aue - Bayern im Fernsehen anschauen als zu einem der nur eine Stunde früher angepfiffenen sieben anderen Pokalspiele am Mittwoch zu gehen.
Rainer Franzke
© Olympia-Verlag 2005 00:33:20