Das VfB-Problem: zwölf Spieler auf der Kippe
"Dem VfB bleibt nach dem frustrierenden Saisonverlauf nichts anderes übrig, als das Gesicht der Mannschaft zu verändern. Dazu muss sich der Klub zunächst von einigen Spielern trennen. Die Kandidatenliste reicht von C wie Cacau bis Z wie Zivkovic.
Am Dienstag ist Erwin Staudt mal wieder fremdgegangen. Die Württembergische Sportjugend hatte ihn gebeten, einen Vortrag zum Thema Ehrenamt zu halten. Der Rede schloss sich ein Smalltalk an - und damit war der Ausflug für den Mann beendet. Staudt landete bei seinem Hauptamt. Die Zuhörer wollten wissen, welche Gründe es für die Pleiten beim VfB gibt. "Wir hatten ein bisschen Pech* bei unseren Personalentscheidungen", sagte der Präsident. Statt Pech hätte er über die Transferpolitik in den vergangenen drei Jahren auch Unvermögen sagen können. Deshalb steht der Verein vor einem Scherbenhaufen. Er muss die vielen Fehlgriffe korrigieren, um das Gesicht der Mannschaft zu verändern. Mit Oberflächenkosmetik ist es da kaum getan. Tiefe Schnitte sind nötig.
Damit wiederholt sich die Geschichte. 1999 steckte der Klub in derselben Zwickmühle. Das Problem damals wie heute: der VfB will einige Wackelkandidaten loswerden, aber er darf das nicht laut aussprechen, um die Preise nicht zu verderben. 1999 hießen die zur Disposition stehenden Spieler Legat, Spanring, Zaharievski, Didi, Stojkovski oder Markovic, denen für ihre vorzeitige Vertragsauflösung dann stellenweise sogar Abfindungen gezahlt werden mussten. Jetzt haben diese Leute Nachfolger gefunden. Der Kreis umfasst zwölf Namen - wobei die Reihenfolge ziemlich beliebig ist.
- Jon Dahl Tomasson (29, Vertrag bis 2009). Er kam ablösefrei, weil ihn der AC Mailand nicht mehr wollte. Beim VfB ist Tomasson mit einem geschätzten Jahreseinkommen von vier Millionen Euro der absolute Großverdiener. Bisher war er sein Geld nicht wert. Bei einem anderen Klub müsste er Abstriche machen. Ist er dazu bereit?
- Jesper Grönkjaer (28, Vertrag bis 2008, Ablöse drei Millionen Euro). Der Grönkjaer-Berater Morabito hat im kleinen Kreis erzählt, die VfB-Delegation habe nach der Verpflichtung freudig davon gesprochen, dass nun endlich ein neuer Regisseur gefunden worden sei. Dabei hat Grönkjaer immer nur Außenstürmer gespielt - eine Position, die im VfB-System gar nicht existiert.
- Boris Zivkovic (30, Vertrag bis 2007, Ablöse 200 000 Euro). Auch der Kroate kassiert ein millionenschweres Salär. Er ist an den 1. FC Köln ausgeliehen - mit dem Ergebnis, dass er auch dort enttäuscht. Wie übrigens bei allen momentan ausgeliehenen Spielern zahlt der VfB auch bei Zivkovic einen Teil des Gehalts weiter - was künftig so bleiben dürfte, wenn es nicht gelingt, den Status zu ändern und die Profis zu verkaufen.
- Ludovic Magnin (27, Vertrag bis 2008, ablösefrei). Weil klar war, dass Philipp Lahm zum FC Bayern zurückkehren würde, hatte der VfB zwei Jahre Zeit, um einen linken Verteidiger zu suchen. Das Resultat: Magnin, der für Bremen nicht mehr gut genug war.
- Emanuel Centurion (23, Vertrag bis 2007, Ablöse 2,5 Millionen Euro, im Augenblick ausgeliehen). Schon nach wenigen Wochen stand fest, dass der Argentinier den Durchbruch nicht schaffen würde. Wenn überhaupt, dann ist Centurion wohl nur in Südamerika weitervermittelbar.
- Elson (24, Vertrag bis 2007, Ablöse 500 000 Euro). Für den zurzeit ebenfalls ausgeliehenen Brasilianer gilt dasselbe wie für Centurion. Auch er dürfte in Europa kaum einen Abnehmer finden - und die Vereine in seiner Heimat haben kein Geld.
- Mario Carevic (24, Vertrag bis 2008, Ablöse 250 000 Euro). Dem Kroaten fehlt es an elementaren Voraussetzungen, speziell an der Grundschnelligkeit. Erstaunlich ist, dass das die damaligen VfB-Verantwortlichen Giovanni Trapattoni und Herbert Briem nicht erkannten, obwohl Carevic im Sommer ein einwöchiges Probetraining absolviert hat.
- Cacau (25, Vertrag bis 2007, ablösefrei). Der Trainer Armin Veh baut nicht unbedingt auf den Stürmer, der zwischenzeitlich sogar nicht mal mehr zum Aufgebot gehörte.
- Marco Streller (24, Vertrag bis 2008, Ablöse drei Millionen Euro). Er wurde wie Zivkovic an den 1. FC Köln ausgeliehen. Die Perspektive in Stuttgart ist bescheiden. Streller gilt als zu verletzungsanfällig.
- Christian Tiffert (24, Vertrag bis 2007, ablösefrei). Er tritt seit Jahren auf der Stelle. Klubs aus England bekunden loses Interesse.
- Thomas Hitzlsperger (24, Vertrag bis 2007, ablösefrei). Er blieb weit hinter den Erwartungen zurück und ist zudem in Ungnade gefallen, weil er das Stadion nach seiner Auswechslung am Samstag gegen Frankfurt vor dem Schlusspfiff verlassen hat.
- Heiko Gerber (33, Vertrag bis 2007, Ablöse 350 000 Euro). Er ist über seinen Zenit hinaus und blockiert einen Kaderplatz für die jungen Spieler wie Serdar Tasci.
Wer den VfB verlässt, ist ungewiss. Davon hängt jedoch ab, wer neu kommt. Im Gespräch sind neben einem Regisseur der Verteidiger Andreas Ottl, der Stürmer Paolo Guerrero (beide Bayern) und der Mittelfeldspieler Roberto Hilbert (Greuther Fürth). Zudem sollen Talente wie Beck, Tasci, Nehrig oder Weis herangeführt werden. Ob das auch konsequent passiert und was das alles in der Umsetzung bedeutet, wird Erwin Staudt vielleicht bei seinem nächsten Auftritt vor der Sportjugend erklären müssen."
Stuttgarter Zeitung 27. April 2006