AC Milan - Livorno 2:1 (1:1)

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Ultras liberi!

Nach unserem letzten Besuch im Dezember schien uns die Zeit wie eine Ewigkeit vorzukommen, endlich wieder ins Stadion gehen zu können. Eigentlich sollte das erste Spiel in 2007 welches wir besuchen würden, das CL-Spiel in Glasgow werden, doch wollten wir schnellstmöglich einen absoluten Kurztrip einlegen. Mit von der Partie waren die üblichen Verdächtigen.

Zwei Monate sind seit dem letzten Besuch vergangen. Die Vorfreude endlich wieder auf den heiligen Stufen zu stehen stieg von Tag zu Tag. Bis genau eine Woche vor dem Spiel die Ereignisse von Catania alles über den Haufen zu werfen schienen. Zunächst wurde der komplette Spieltag an jenem Wochenende abgesagt. Was nun passiert, wusste niemand so genau. Werden alle Spieltage um eine Woche nach hinten verschoben? Oder wird der abgesagte Spieltag irgendwann nachgeholt und die anderen Spieltage bleiben unverändert?

Wer Italien kennt, weiß, dass man derartige Entscheidungen nicht schnell und logisch zu lösen versteht. Zunächst hieß es, es wird nicht gespielt, bis ein entsprechender Gesetzentwurf seitens der italienischen Regierung vorliegt, der die Sicherheit in den Stadien gewährleisten soll. Das hieß für uns erstmal abwarten, ob überhaupt gespielt wird.

Als am Mittwoch dann endlich der Entwurf bekannt gegeben wurde und die Liga ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen sollte, war die Frage, ob der Spieltag Ascoli-Milan oder der tatsächlich angesetzte mit Milan-Livorno gespielt werden sollte noch nicht geklärt. Wiederum hieß es abwarten. Jedoch hatten wir nicht mit einem Auswärtsspiel gerechnet und somit war das auch nicht im engen Zeitplan vorgesehen. Wie denn auch, konnte ja keiner so ein Chaos vorhersehen. Zudem war im Gespräch Gästefans in Zukunft den Weg ins Stadion zu verbieten.

Dann endlich der erste Hoffnungsschimmer am Donnerstag. Es wird definitiv gespielt, und zwar Milan-Livorno. Nur jetzt wurde es immer verrückter. Die Regierenden hatten beschlossen, nur Besucher in Stadien zuzulassen, die den Bestimmungen des Pisanu-Dekrets entsprechen. Das heißt über elektronische Drehkreuze verfügen, Tickets müssen personalisiert sein und elektronisch eingelesen werden, eine bestimmte Anzahl von Videokameras zur totalen Überwachung muss installiert sein sowie Räumlichkeiten der Polizei zur Verfügung gestellt werden. Also BigBrother in Reinkultur, man versucht das englische System einzuführen um so die Gewalt im Stadion zu verhindern. Und was ist mit der Gewalt außerhalb der Stadien? Es wird lieber versucht mit, an den Haaren herbeigezogenen, Argumenten uns das Liebste zu nehmen, nämlich den organisierten Tifo auf den Rängen der Stadien in denen unser Milan aufläuft, als in vernünftigen Gesprächen mit den Capos der Ultras vernünftige Rahmenbedingungen für alle zu schaffen.
Auf jeden Fall bekamen wir die Hiobsbotschaft, dass San Siro zu den Stadien gehörte, die als „unsicher“ eingestuft wurden und daher würde man vor leeren Rängen spielen müssen. Die Regierung hat einen derart harten unabdinglichen Kurs eingeschlagen, dass man sogar wochenlange Verbote für San Siro befürchten musste, da, um alles so einzurichten, die Arbeiten bis Oktober andauern würden. Wir überlegten schon, was wir nun mit den gebuchten und bezahlten Flugtickets anfangen sollten. Storno war zu teuer und kam uns eigentlich auch nie in den Sinn. Wir wollten da sein, auch wenn wir nur von außen unser Milan unterstützen konnten. Auch wenn es einigen als Verrückt erscheint, uns war es auch wichtig einfach durch unser Kommen zu zeigen, wir lassen uns nicht unterkriegen, wir stehen zu unserer Curva und unserem Milan, egal wie verkorkst die Situation im Moment auch ist.
Nachdem Spieler, Trainer und Vereinsoffizielle immer lauter über „porte chiuse“ gejammert haben, und unsere Vereinsführung versprochen hat, alles daran zu setzen, die Fans am Sonntag ins Stadion hineinlassen zu dürfen, keimte bei uns wieder Hoffnung auf. Die Arbeiten an den Drehkreuzen liefen auf Hochtouren. Man könnte zwar nicht alle bis Sonntag fertig stellen, aber ausreichend, um einen planmäßigen Einlass und Abfluss der Zuschauer zu garantieren. Hä? Es sind ja nur noch 48 Stunden bis Anpfiff! Und entsprechende Drehkreuz-Einlässe bekommt man ja auch in jedem Baumarkt. Na, uns war es egal, solange die Hoffnung blieb ins Stadion zu gelangen. Auch Kontakte zur Alternativa brachten keine genaueren Angaben dazu, was am Sonntag passieren würde. Auch nachvollziehbar, da fast stündlich neue Nachrichten eingestreut wurden. Für Samstagabend war dann eine Versammlung angekündigt worden, ob Zuschauer ins San Siro dürfen oder nicht.

Am Samstagabend, keine 24 Stunden mehr bis zum Anpfiff, schienen sie es tatsächlich geschafft zu haben. Milan darf vor Publikum spielen, allerdings werden nur Dauerkartenbesitzer zugelassen. Ein Anruf bei ARN und uns wurde sofort bestätigt: “Kein Problem, Eure Tickets liegen vor uns!“ Was die da wohl wieder gedreht haben, dachten wir uns.

So kam es dann auch, wir liefen mit den Jungs der ARN durch einen der neuen Tordurchgänge, wo wirklich äußerst lasche Leibesvisitationen uns den gestrengen Arm und die neue Richtung des Gesetzes spüren ließ. Dann ging es weiter zu den altbekannten Toren, hinter dem irgendein Edelstahlgebilde stand, ähnlich den Metall-Detektoren am Flughafen, durch das man ging, nachdem ein Ordner das Ticket eingescanned und abgerissen hatte. Das darin installierte Drehkreuz war zur Seite gedreht und kam überhaupt nicht zum Einsatz. Das gab natürlich sofort ein Chor, der uns alle zum Lachen brachte: „Il tornello non funziona, il tornello non funzionaaaaaaaaaa“. Weiter zum Treppenaufgang, wo Stewards aufpassen sollten, dass jeder in den richtigen Block bzw. Ring des Stadions geht. Lächelnd stand diese Figur in seiner knallgelben Weste da und scherte sich einen Dreck um unsere Tickets, geschweige denn wo wir laut Ticket überhaupt hingehörten.
Natürlich war durch die Ereignisse der letzten Tage(Sperre freier Ticketverkäufe) die Curva nicht bis auf den letzen Platz voll besetzt. So dass man uns einlud sogar in die 2. Reihe hinter der Transenna einen Platz einzunehmen. Nach all dem Frust der letzten Tage spürte man förmlich die Lust der Curva zu singen. Auch wenn mangels Gästefans natürlich der letzte tropfen Adrenalin fehlte, entwickelt sich rasch ein ganz ordentlicher Support, der nur etwas abebbte, wenn einige Lieder für unseren Geschmack zu lange gesungen wurden. Klare Ansage auch der Capos zur Schweigeminute, die in absoluter Stille abzuhalten war und jede Art von Lärm oder sonstiger Gebärden verbat.

SPIEL°!

Nach dem Schlusspfiff verließen wir schnurstracks das Stadion, denn es blieb nicht viel Zeit, bis der Flieger abheben sollte. Wir waren auch heilfroh, dass alles Glatt gegangen ist. Immerhin standen wir in einem absolut unsicheren Stadion, ohne funktionierende Drehkreuze, mit laschen Kontrollen und Leuten, die sogar ohne Dauerkarte anwesend waren. Was da hätte alles passieren können, man mag es sich nicht ausmalen. Man kann nur heilfroh sein, in einem Stück wohlbehalten diesen Ort der Verdammnis wieder verlassen zu haben.

Und so wurde aus einem Spiel, von dem man vorher dachte, was will man da groß schreiben, noch ein richtiges Abenteuer. Mit der „neuen“ Erkenntnis, dass man in Italien bei weitem nichts, aber auch gar nichts so heiß essen muss wie es vermeintlich gekocht wurde. Der Sinn des ganzen Hypes um sichere Stadien hat sich uns ohnehin noch nicht erschlossen. Ein Drehkreuz vor dem Stadion, oder eine Kamera die Filmen kann, wie viele Plomben einer im Mund hat, hilft nichts, wenn die Polizei es nicht verhindern kann, dass wie in Florenz, die einheimischen Ultras den Gästeultras, die friedlich auf die Abfahrt ihres Zuges warten, bis auf den Bahnsteig folgen können und es zu Scharmützeln führt, die Polizei total überreagiert und unbeteiligten Schaulustigen, die still am offenen Zugfenster stehen, wie die neugierige Oma an ihren Fenstersims im 3. Stock, die Pfefferspray-Kanone unter die Nase halten. Mit Sicherheit unterstützen wir nicht den Tod einer Person, aber die einseitige Berichterstattung zu den Vorfällen von vor einer Woche, diese sinnlose Stadion-Sicherheit-Diskussion, die praktisch kurzerhand kollektiv ausgesprochenen Stadionverbote an alle nicht Dauerkartenbesitzer, Gästefans und Fans, denen der Einlass in ein der Stadt gehörendes Stadion untersagt wird (Ja richtig, der Stadt, die es versäumt hat, innerhalb von 18 Monaten, das Dekret Pisanu auf ihr Stadion umzusetzen), gehen uns gehörig gegen den Strich. Dass Ultras ganz und gar nicht auf Konfrontationskurs unterwegs sind, alles zerstören, was nicht niet und nagelfest ist oder anderen regelmäßig nach Leib und Leben trachten ist nämlich die Realität die wir feststellen konnten. Sicher gibt es immer wieder Individuen, die aus der Reihe tanzen, aber die absolute Mehrheit benimmt sich absolut korrekt und fordert dafür nur ein wenig mehr Freiraum für ihre Leidenschaft, den Tifo, ein.

Forza Milan!
Ultras liberi!


Bilder: Achtung die sind groß und ich habe keine Lust sie zu verkleinern :floet:
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Die neue Pufferzone von außen

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Anstehen

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Anstehen dauerte diesmal etwas länger

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Die schönen Drehtüren brauchen eben Zeit.

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Die super Drehkreuze zum gerade Durchspazieren

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Livorno war aufgrund des neue Gesetzes auch stark vertreten

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Die West-Tribüne

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Aufwärmen

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Die Schweigeminute. Die bösen Ultras blieben still. Auf den anderen Tribünen wurde geklatscht.
 
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