"Allez Les Bleus" Frankfurt, 01.07.2006

Vatreni

Hrvatska u srcu!
Guten Morgen. Naja, verdammt früh wie fast immer wenn ich mir ein Spiel vor Ort anschauen will. Am Vorabend haben wir noch den Geburtstag eines Freundes und mehr oder weniger den Halbfinaleinzug Deutschlands gefeiert. Hilft alles nix, der Zug nach Frankfurt geht um 7.39 Uhr vom Hauptbahnhof. Also noch mal das kroatische Trikot übergestreift und los geht’s. Mein Freund und ich wissen sowieso nicht wem wir die Daumen drücken sollen also feiern wir noch mal die Mannschaft die uns wirklich am Herzen liegt. In Grafing holen wir uns noch nen Kaffee und verpassen fast unseren Zug Richtung München. Am Hauptbahnhof hol ich mir noch was zum Essen und dann steigen wir auch schon ein. Die Zeitung hab ich natürlich vergessen zu kaufen. Schade, wollte wissen was die Medien so über das gestrige Spiel schreiben. Aber ok, dann unterhalten wir uns eben. Sowieso schön mal wieder alles mögliche ungestört ansprechen zu können.

In Stuttgart steigt ein Mann ein mit dem wir uns nett unterhalten und der uns dann auch seine Bild da lässt als er in Darmstadt aussteigt.. Hier seh ich auch zum ersten Mal den Tritt von Cufre. Sieht übel aus. Hinter uns saß die ganze Fahrt über ein komischer Kerl der uns ansah als ob er uns umbringen will. Hab’s echt langsam mit der Angst zu tun bekommen. In Frankfurt am Hauptbahnhof können wir ihn dann endlich abschütteln.

Wir sind erst mal von den Hochhäusern beeindruckt als wir aus dem Bahnhof treten. Sowas sieht man auf dem Land, und München gehört da dazu, nicht. Wir wollen ne Sightseeing-Tour starten, aber wo zum Teufel sind wir? Erstmal wird ne Karte gesucht. Die berühmtberüchtigte Kaiserstraße ist vor unserer Nase und sie scheint in Richtung Römer zu führen. Also gehen wir da entlang. Viele Sex-Shops, viele Cafes, nicht so anrüchig wie ich’s mir vorgestellt habe. Einige Stände mit Fanartikeln und andere mit Getränken sind aufgebaut. Wir gehen weiter bis uns ein junger Mann anspricht. Er fragt uns: “Are you from Serbia?“ Ich schau auf mein Trikot und denk mir: „Knapp daneben du Vollpfosten.“ Wir sagen ihm auf Englisch das wir aus Kroatien sind und meinen wir können auch Deutsch. Er ist ein Student aus Fulda und macht irgend ne Umfrage über die WM. Wir füllen aus und kommen dann mit ihm ins Gespräch. Netter Kerl, trotz mangelnder Geographiekenntnisse. Wir sitzen noch ein bisschen bei nem Bier zusammen, dann brechen wir auf. Die Blicke der Leute sind das Beste am ganzen Tag. Da wir die blauen kroatischen Auswärtstrikots anhaben halten uns alle auf den ersten Blick für Franzosen. Das Gesicht als sie merken: „Da stimmt doch was nicht“ ist immer unbezahlbar.

Wir laufen am Goethe-Haus vorbei, besuchen den Römer und die St.-Pauls-Kirche. Danach sehen wir uns noch nen Kaiserdom an, da ist grad ne kroatische Firmung, wir bekommen also allerlei Feedback für unsere Trikots. Neben dem Dom ist n Paulaner-Biergarten und wenn man schon in Frankei furt ist muss man natürlich nen Schweinebraten essen. Wir hocken neben zwei netten Mexikanern. Einer im Mexico-, der andere im Brasilien-Trikot. Wir wechseln ein paar Worte und Essen. Immer wieder laufen französische und brasilianische Fans vorbei. Die Mexikaner gehen und zahlen unsere Rechnung, wir ihre. Die Bedienung hat sich nämlich mit den Tischen geirrt. Aber wir hatten annähernd die gleiche Summe, so what?

Wir gehen zum Fan-Fest und das hat mir von allen Fan-Festen bisher am besten gefallen. Die Location an den Main-Ufern ist einfach malerisch und die Leinwand im Main macht einiges her. Allerdings ist es schon verdammt voll. Eingang Ost ist bereits zu und Nord kurz vor Aufnahmeschluss. Also gehen wir über die Brücke zum Eingang Süd. Aber da sind die schattigen Plätze auch schon besetzt so dass wir es uns auf dem Gehweg über dem Eingang Süd gemütlich machen. Schattig ist es und ne gute Sicht hat man auch. Allerdings sind es noch 2 Stunden bis zum Anpfiff von England-Portugal. Unsere Freunde aus Graz rufen an, sie sind ebenfalls mit dem Zug gekommen. Also gehen wir zurück zum Hauptbahnhof um sie abzuholen. Immer wieder schön sie zu sehen. Schade dass die regelmäßigen Treffen heute ein Ende finden müssen. Wir suchen uns noch nen freien Platz in nem Cafe, finden aber erst im Cafe Central am Kaiserplatz was. Die Bedienung ist auch vollkommen überfordert. Also geh ich rein um zu bestellen. Der Barmann im Brasilien-Trikot sagt zu mir: „Du magst mich oder? Schönen Gruß an deine Jungs.“ Ich hab keine Ahnung was er damit gemeint hat. Schwul?

Wir hocken draußen, das Cafe füllt sich immer mehr und das Spiel geht los. Aber ich find’s interessanter mich mit unseren Freunden zu unterhalten, ist schließlich der letzte gemeinsame WM-Tag. Sie erzählen mir ein bisschen von Dortmund und wir lassen noch mal alles Revue passieren und quatschen halt über Gott und die Welt. Das Spiel zieht sich bis zum Elfern. Wir bekommen draußen das Bild ca. 3-5 Sekunden später als die Leute im Cafe. So kann man sich das nicht anschauen, also gehen wir rein. Wie ich mir dachte scheitern die Engländer mal wieder an ihren Nerven. Soll mir recht sein, mag Portugal eh lieber. Es wird Zeit ins Stadion aufzubrechen, schließlich geht bald das Spiel los. Auf dem Weg zur Tram feiern wir noch ein bisschen mit den Portugiesen. Aber natürlich mehr im Vorbeigehen. Die Tram ist gerappelt voll und braucht relativ lang zum Stadion, aber es ist gut organisiert denn es fährt eine nach der anderen. Genug Platz für alle.

Auf dem Weg zum Stadion null Stimmung, viele Leute suchen auch noch Karten. Vor der Sicherheitskontrolle null Stimmung. Ne Frechheit übrigens dass der mittlere Eingang trotz großem Ansturm nicht offen war. Aber ok, es geht voran. Auf dem Weg zum Stadion singt auch keine Sau. Also fangen mein Kumpel aus Graz und ich damit an und singen ein paar kroatische Fanlieder. Brasilianische Fans sehen uns und meinen nur: „Davor Suker“. Also singen wir ein Loblied mit den Brasilianern auf Davor Suker. Danach singen wir: „Ovo je sprovod“ (das ist ein Trauerzug) und können nicht fassen das so wenig Stimmung vor so nem wichtigen Spiel ist. Wir laufen 5 Meter an Markus Merk vorbei, aber rechtzeitig zum Spiel zu kommen ist mir wichtiger als ein weiteres Foto mit nem Schiri. Außerdem hab ich mich mit der Nummer 1 ja schon ablichten lassen.

Im Stadion, das mir mit den steilen Rängen sehr gut gefällt, dann endlich Stimmung. Wir hocken hinter dem Tor inmitten der brasilianischen Fans. Die Franzosen sind die lauteren, aber selbst die Brasilianer lassen sich diesmal nicht lumpen und singen eins ihrer Fanlieder. Aber man merkt das sie nicht so viele gemeinsame Lieder haben, bei der Größe des Landes vielleicht auch nicht verwunderlicht. Die Hymne singen alle mit, aber gleich danach setzen sich alle wieder hin. Wäre für mich undenkbar, aber heute bin ich ja neutral. Neben mir sitzen zwei Franzosen, neben meinem Kumpel zwei Deutsche. Überhaupt sind viele Deutsche um uns herum. Manche im Ghana-Trikot, manche als Brasilianer verkleidet, manche im Deutschland-Dress und manche neutral. Japaner sind auch wieder viele unterwegs. Das Spiel ist recht unterhaltsam und von unseren Plätzen aus sieht mal die taktischen Verschiebungen perfekt. Zidane erlebt seinen dritten Frühling und was Henry und Ribery laufen ist unglaublich. Immer wieder ertönen von der Gegenseite „Allez le bleu“-Rufe. Allerdings scheinen die Franzosen sonst kaum einen Fangesang zu haben, sehr schade. Die Brasilianer kontern mit irgend nem Schmähgesang auf Zidane oder mit ihren nervtötenden Tröten. Außerdem sind sie ein sehr kritisches Publikum. Sobald einer nen Fehlpass spielt wird er gleich beschimpft oder bei Cafu wird nach dem ersten Fehlpass nach Cicinho gerufen. Mit zunehmender Dauer des Spiels werden die Franzosen besser und die Fans der Brasilianer nervöser. Als ein paar Franzosen schräg vor uns, kurz vor der Halbzeit, aufstehen flippt hinter uns ein Brasilianer aus, stürmt nach vorne und wird fast handgreiflich. Gut das er noch beruhigt wird. Inzwischen drück ich den Franzosen die Daumen, sie hängen sich einfach mehr rein.

In der zweiten Hälfte dann das Tor für die Franzmänner. Absolut verdient. Ich hoffe insgeheim noch auf Verlängerung, aber dafür tun die Brasilianer zu wenig. Die Frage vor dem Spiel war: Können sie den Schalter umlegen oder nicht? Und die Antwort ist: Nein, sie können nicht. Bis zum Schluss verschieben die Franzosen perfekt und lassen die Brasilianer kaum gefährlich vor ihr Tor kommen. Die Fans werden immer verzweifelter, ich weiß wie ihnen zumute ist. Nach dem Schlusspfiff weinen viele Fans, die Franzosen neben mir freuen sich natürlich. Ich gönne es ihnen. Auf dem Weg nach draußen werden noch ein paar Brasilianer getröstet. Vor dem Stadion wird noch gefeiert. Wir bahnen uns unseren Weg bis zum Fly Emirates Zelt wo noch ein Mitspieler von meinem Kumpel wartet. Er saß im französischen Pulk im Stadion und fand die Stimmung sehr gut. Auf dem Weg zur Tram wieder ein Trauerzug. Vor uns ein kroatischer Fan der für seinen kleinen Sohn ein Fanlied singt. Wir stimmen mit ein. Sowohl sein Sohn als auch er freuen sich darüber. Vor uns tauchen noch mal 5 Kroaten auf die mit einstimmen. Wir trällern das ganze Repertoirre runter, die restlichen Fans wundern sich teilweise aber finden es toll. Schon irgendwie komisch das wir nach so nem Sieg die Stimmung machen.

In der Tram sind wir hauptsächlich mit Brasilianern unterwegs. Neben mir hockt ein kroatischer Fan, ich komm mit ihm ins Gespräch, Nummern werden getauscht. Er ist beim Halbfinale in München dabei. Er steigt früher aus als wir denn wir fahren noch bis zum Hauptbahnhof. Dann gehen wir noch zum Römer und lassen die Stimmung auf uns wirken. Autokorsos sind unterwegs, auf den Sightseeing-Bussen tummeln sich französische Fans und singen das allgegenwärtige „Allez le bleu“ Das zieht sich durch die ganze Stadt. Als wir am Römer ankommen ist es auch schon wieder Zeit zu gehen. Der Zug unserer Grazer Freunde fährt schon um 1.20 Uhr. Wir bringen sie noch zum Zug und setzen uns kurz dazu. Dann wird es Zeit zu gehen. Schade dass jetzt alles vorbei ist, aber Nummern und E-Mail-Adressen sind ausgetauscht. Mein Freund und ich gehen noch mal zum Römer. Die Autokorsos haben sich bereits aufgelöst, am Römer ist auch nicht mehr viel los. Aber nun ist eine Percussion-Band da die wieder Stimmung reinbringt. Trommeln gute Samba-Rhytmen zu denen man einfach abgehen muss. So geht das bis 3 Uhr. Zwischendurch merken wir noch das jemand unsere Plastiktüte aus dem Rucksack geklaut hat. Gott sei Dank waren nur Getränkebecher drin, der Dieb wird sich gefreut haben. Auf dem Weg zum Bahnhof holen wir uns noch ein Bier, am Bahnhof nen Kaffe. Wir müssen noch ein paar Stunden überbrücken. Im McDonalds treffen wieder alle Kulturen zusammen. Draußen in der Halle schlafen auch alle friedlich nebeneinander. Meine Augen brennen schon, aber ich kann nicht schlafen. Bei unserer letzten Tour treffen wir noch ne Gruppe Kroaten die in der Disco waren. Ich helfe ihnen den richtigen Fahrschein zu bekommen. Wir verabschieden uns, unser Zug ist endlich eingefahren. Ab nach Hause, schlafen.
 

hans-wurst

@sitzplatzjubler
Allez les Bleus :floet:

Im Sanges-Repertoire haben sie wirklich nicht ganz so viel, aber das "Allez les bleus" und die Nationalhymne, die gerne auch während des Spiels gesungen wird (habs bei Frankreich-Togo erleben dürfen) klingen dafür ziemlich klasse, wenn viele mitsingen - und das passiert eigentlich immer...

wurst
 
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