Meine Darstellung der Geschehnisse vom 3.11.07
In diesem Bericht werde ich keine Klarnamen verwenden, kann aber Personen, auf die ich mich beziehe, auf Nachfrage benennen.
Am Morgen des 3. November 2007 fuhr der größte Teil der Fanszene von Hertha BSC mit der Regionalbahn ab 7.25 Uhr vom Hauptbahnhof ab. Diese frühe Verbindung wurde bewusst gewählt, um ein Zusammentreffen am Bahnhof Schwerin mit der Rostocker Fanszene zu vermeiden, die am selben Tage zu ihrem Auswärtsspiel nach Bremen reiste. Unerwartet viele Einsatzkräfte der Polizei und der Bundespolizei, sogar mit eigenen, erkennbaren Sanitätern, fanden sich zur Abfahrtszeit ebenfalls am Gleis 5 ein. Während der Fahrt nach Schwerin kam es, zumindest in meinem Wagen, seitens der Fans zu keinen nennenswerten Zwischenfällen. Es trat nur dahingehend Unmut auf, weil sich die Einsatzkräfte in periodischen Abständen in der Art durch die überfüllten Wagen drängten, daß sie sprach- und rücksichtslos die Reisenden beiseite stießen, dabei bewußt einen provokanten körperlichen Kontakt suchend. Dieses Verhalten lässt nur den Schluss zu, dass es den Einsatzkräften von Anfang an nicht um einen deeskalierenden Umgang mit den Fans ging.
Kurz vor Schwerin erfolgte die Durchsage, daß der Zug nach Hamburg durchfahren würde. Eigentlich eine vernünftige Entscheidung. Und trotz der 30 Minuten Verspätung, blieben den Fans bis zur Weiterfahrt nach Hamburg noch 25 Minuten, um sich nach 4 Stunden Bahnfahrt die Beine zu vertreten, die Bahnhofstoilette aufzusuchen oder rauchen gehen zu können. Eigentlich menschliche Bedürfnisse, die wohl kein Aggressionspotential in sich tragen und nur bei Gefangenentransporten reglementiert werden dürften.
Sollte man denken.
Leider sahen die Einsatzkräfte das anders und versperrten für die Fans alle Ausgänge des Zuges.
Es gab keine Begründungen zu hören, keine Erklärungsversuche, keine Bitte um Verständnis für diese Entscheidung, so, als ob wir Fans keine Kommunikation wert seien.
Angekommen im Hamburger Hauptbahnhof, gegen 11.30 Uhr, verließ man das Gleis, auch hier wurden kurzzeitig die Fans durch die Einsatzkräfte daran gehindert, die Waggons zu verlassen, und man sammelte sich am Ausgang des Bahnhofes, wo allein das Rauchen gestattet ist, um auf die Weiterfahrt mit der Hamburger Hochbahn zu warten. Diesen unaufgeregten Vorgang wußten Polizei und Einsatzkräfte jedoch zu verhindern und „organisierten“ das eigentliche Drama.
Die Verspätung und die direkte Umleitung nach Hamburg erzeugten jetzt den Umstand, dass kurz nach den Berlinern die Rostocker den Bahnhof zum Umsteigen nutzen mußten. Kein Berliner oder Rostocker Fan hatte das gewollt oder gar geplant, und selbst wenn, hätte die Durchführbarkeit nicht in seiner Macht gelegen. Es hätte nun immer noch genügend Möglichkeiten der Organisation gegeben, keiner Machtdemonstration seitens der Einsatzkräfte und der Polizei zu bedürfen, wenn man uns informiert und gebeten hätte, sofort zum Bahnsteig der S 21 zu gehen, um das nicht von den Fans verschuldete Zusammentreffen zu vermeiden. Stattdessen setzten Polizei und Einsatzkräfte auf weitere Eskalation. Der Bahnhof nebst Vorplatz sollte jetzt schnellst möglich von den Hertha-Fans geräumt werden.
Am Zugang zur S21 Richtung Stellingen kam es dann zum Eklat. Während die ersten Fans schon die Treppe zu dem unterirdischen Bahnsteig passierten, wurde es hinter mir laut. Von den Fernbahnsteigen kommend drängte die Polizei alles, was nach Herthafans aussah, einer Herde gleich in Richtung Treppe zum unterirdischen Bahnsteig der S21. Ein Ausweichen aus diesem Herden-Trieb war zu keiner Seite, die ein ungefährliches Betreten der Treppe bedeutet hätte, gegeben, da auch hier die Polizei alles blockierte. Nachdem sich die nach mir kommenden Fans über den rüden Umgang laut beschwerten wurden darauf hin die Fans noch eindringlicher Richtung Treppe gestoßen, so dass einige Fans schon hier zu Fall kamen. Vor mir an der Treppe war das Zersplittern von Flaschen zu hören und auch hier wurden die Unmutsbekundungen laut. Es half nichts, wir wurden immer weiter in Richtung Treppe gedrängt. Hier bot sich mir das Bild, einer von zerbrochenem Glas und Nässe übersäten Treppe. Jeder musste höllisch aufpassen, nicht zu Fall zu kommen und sich nicht am Glas zu verletzen. Rücksichtslos wurde jedoch weiterhin von der Polizei gedrängt und gestoßen, so dass einige Fans zu Fall gekommen sind. Diese Stürze und Verletzungen wurden von den Beamten billigend in Kauf genommen. Und in mindestens einem Fall soll ein auf dem Boden liegender Hertha-Fan von Beamten zusammengetreten worden sein. Ich selbst habe den Vorgang nicht gesehen, jedoch die Verletzungen, deren Art mich nicht an der Aussage über ihr Zustandekommen zweifeln lassen. Und da dieser Fan garantiert nicht zu einem gewaltbereiten Spektrum gehört, wird er sich die Verletzungen auch nicht selbst zugefügt haben.
Auf dem Bahnsteig der S21 versuchten Fans, die Beamten zur Rede zu stellen und wiesen auf das unnötig aggressive Verhalten hin. Dabei gab es sichtliches Gerangel und die Beamten erhöhten den Grad der Gewalt. Die Eskalation verlagerte sich zunehmend auf den hinteren Teil des Bahnsteiges. Es kam zu körperlichen Verletzungen mehrerer Fans, sie wurden getreten, geschlagen und gestoßen. Preußischer Kampfstrategie gleich „bearbeitete“ die erste Reihe der Beamten die Fans, und das auch noch in den Waggons des mittlerweile bereitstehenden Zuges der S21, während die zweite Reihe alles auf Video festhielt. Ich sprach mit einem verletzten Fan, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das verletzte Bein festhielt.
Nach erheblicher Verzögerung setzte sich die S21 in Bewegung, wobei mehrere Beamte die Fans im Waggon einkesselten. Ich selbst war im letzten Waggon mit zwei weiblichen Fans sowie Fans von HB und DSB außerhalb der eingekesselten Fans. Die Fahrt zur Station Stellingen verlief ruhig. Am Bahnhof Stellingen stieg der größte Teil der Fans aus der S Bahn, und auf dem Bahnsteig war zu erkennen, wie die Beamten die Fans wiederum einkesselten. In Erahnung weiterer Gewaltanwendung durch die Beamten entschlossen wir uns, den Waggon nicht zu verlassen und eine Station nach Eidelstedt weiter zu fahren. Berichten zufolge wurden von den eingekesselten Fans am Bahnhof Stellingen die Personalien aufgenommen und auch auf die folgenden Anzeigen der Polizei hingewiesen. Dabei sollen Aussprüche gefallen sein wie "Ich dachte ihr seid Herthaner. Ich dachte ihr wehrt euch wenigstens!" oder auf Nachfrage, ob das Vorgehen mit der EGH abgestimmt sei: „Eure Zivis dürfen unsere Getränke halten“
In Eidelstedt machten wir uns auf den Weg zum Stadion. Dort angekommen, trafen wir auch auf die anderen Fans, und man sammelte sich an dem Seitenweg nahe den Kassenhäusern beim Gästeeingang.
Nur zu verständlich, dass viele der betroffenen Fans, von den Geschehnissen völlig frustriert, ihre Karten verkauften und beschlossen, das Gastgeberstadion nicht zu betreten und das Spiel anderweitig anzuschauen.
Nach dem Spiel warteten bereits wieder eine große Anzahl von behelmten Beamten am Ausgang vom Stadion, was bei vielen unbehagen vor der anstehenden Rückfahrt erzeugte. In Anbetracht dessen organisierte ich mir einen leeren Platz in einem Bus und trat die Rückreise nach Berlin an.