Fan-Story: HSVer im TSG-Kraichgau vor dem Rückspielkrimi: HSV-Hoffenheim

Fussball in Hoffenheim: "Leute, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal wussten, dass der Ball rund ist, pilgern ins Stadion."
(OFC-Chef Rüdiger Binkele, HSV-Freunde-Gemmingen)

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Rüdiger (li.) und Matthias (re.) aus Gemmingen im Volkspark.

Hamburg/Gemmingen - Für den HSV beginnen an diesem Samstag um 15:30 Uhr gegen Hoffenheim die vermutlich schwersten acht Wochen der laufenden Saison, vielleicht sogar der Vereinsgeschichte. Selbst im fabulösen Meisterjahr 1983 war man zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch in zwei, anstelle jetzt drei Wettbewerben (UEFA-Cup, DFB-Pokal, Meisterschaft), da man im DFB-Pokal gegen Hertha BSC mit 1:2 ausgeschieden war. Somit blieben noch der Europacup der Landesmeister und die Meisterschaft, beide Wettbwerbe konnten die Rothosen gewinnen. Stichwort gewinnen! Genau das wollte der HSV auch beim wohl spektakulärsten Bundesligaaufsteiger aller Zeiten am neunten Spieltag in Mannheim. Ein besonders hartes Brot für die HSV-Freunde-Gemmingen, die nur 21 km vom "Hoppschen Vereinsimperium" entfernt wohnen und das 0:3 aus Hamburger Sicht miterlebten. Ich habe mal nachgefragt, wie die Stimmung in Gemmingen in Sachen HSV und 1899 so ist.

Rüdiger Binkele und Matthias Moder sind Gründer des OFC-HSV-Freunde-Gemmingen und haben es gerade nach der Hinspielniederlage in Mannheim schwer gehabt. "Natürlich gab es über Tage und Wochen Belustigungen, wenn jemand von uns in der Stammkneipe "Züchterheim" aufgetaucht ist, "Anmache" gegen den HSV waren natürlich Programm", sagt Rüdiger, "aber da stehen wir drüber", so der Fanclub Präsident selbstbewusst. Auch für Matthias, der mit seiner Familie (allesamt HSV-Fans) im Stadion war, wurde die Luft schon dünner: "Umgeben von fast ausschließlich Hoffenheimer Fans hatten wir nicht viel Grund zur Freude", erklärt er. Schlimmer wurde es für den Familienvater, als das 2:0 fiel: "Meine kleine Tochter hatte bereits Tränen in den Augen, und mochte schon gar nicht mehr hinschauen. Aber die Tore waren eigentlich nicht das schlimmste, es waren eher die vielen Hoffenheimer die sich ausgelassen freuten und wir immer kleiner wurden."

TSG: TRADITION SEIT 1899 ODER PLASTIKCLUB?

Ausgerechnet Hoffenheim brachte dem HSV, die zu diesem Zeitpunkt, zweite 0:3 Auswärtsniederlage der Saison und den Verlust der Tabellenspitze bei. Etwas, womit man nicht rechnen konnte, vielleicht war man deshalb als HSVer so schockiert. Matthias fand aber schnell zurück zur blau-weiss-schwarzen Normalität: "Als wir uns zum nächsten Heimspiel gegen den VfB Stuttgart trafen, mussten wir uns noch ein paar spöttische Sprüche anhören, aber als wir dann mit 2:0 gewannen, war die Stimmung natürlich gleich wieder etwas besser." Der HSV rutschte am 10. Spieltag, trotz des Sieges auf Platz 3 ab, da Leverkusen den ewigen Nordrivalen Werder Bremen ebenfalls mit 2:0 besiegte.

Etwas mehr als fünf Monate später trifft man sich im Volkspark wieder, der Punktevorsprung zu Hoffenheim ist auf vier Zähler angewachsen und die Rothosen haben mental und moralisch das bessere Blatt in der Hand, um gegen den, im Hoffenheimer Umkreis titulierten "Plastikclub" zu gewinnen, warum Plastik? "Plastik deshalb, weil man hier sagt, Hopp zahle alles mit der Scheckkarte! Auch in unserer Kneipe gibt es viele Freunde vom Plastikclub", erklärt Rüdiger Binkele und grinst dabei etwas schelmisch, denn: "Natürlich ist in unserer Region schon ein richtiges Fußballfieber ausgebrochen. Leute, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal wussten, dass der Ball rund ist, pilgern ins Stadion." Generell hat man es somit als Fan eines Traditionsvereins, wie dem HSV in der Region Hoffenheim und dem sieben Kilometer von Gemmingen entfernten Eppingen nicht leicht. Denn da war doch mal was in Eppingen - Autsch! So eine Veranstaltung, bei der die Rothosen 1974 in der zweiten Runde des DFB-Pokals mit 1:2 dem dortigen Drittligisten VfB Eppingen unterlagen und ausschieden. Das Land Baden-Württemberg wurde auch 10 Jahre später beim DFB-Pokal gegen den SC Geislingen zum roten Tuch.

MISSIONARE IN BLAU WEISS SCHWARZ!

Alles andere als zum roten Tuch für Gegner mutierte bislang das neue Stadion der Kraichgauer, in dem die TSG gerade mal eines von vier Spielen in der Rückrunde gewinnen konnte. Für Matthias ist die Spielstätte auch beruflich ganz besonders auffällig: "Als selbstständiger Finanzdienstleister bin ich viel unterwegs und muss da wöchentlich mindestens 2(!) mal dran vorbeifahren." Welch undankbarer Arbeitsweg für einen HSV-Fan möchte man da ironisch-süffisant anmerken. Und so muss man also die Arbeit der Mitglieder des OFC HSV-Freunde-Gemmingen ganz besonders würdigen. Ist das Tragen der Raute in dieser Region doch geradezu als Mission zu verstehen, um das dortige Umfeld, was dem HSV über Jahrzehnte wenig Glück brachte, mit aller Leidenschaft zu bekehren. Aber am Ende zählt in diesen Tagen in Sachen Hoffenheim nur eines für die HSVer in der fast 5000 Seelen umfassenden Gemeinde: Revanche! Und wenn es nicht klappen sollte, geht's am Sonntag danach bei Bratwurst und Bier zum SV Gemmingen gegen TSV Waldangelloch.

INFO:
Gegründet wurde der Fan-Club HSV-Freunde-Gemmingen am 14.10.1999 und ist seit dem 1. Juli 2000 ein offiziell registrierter OFC beim Hamburger SV, mehr im Internet.
 
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