Obwohl, oder gerade weil ich mit meiner Meinung ziemlich einsam dazustehen scheine, möchte ich doch noch einmal etwas ausführlicher auf das Thema eingehen. Möglicherweise hatte ich mein Statement gestern etwas zu aggressiv formuliert, so dass sich manch possierliches Pantoffeltierchen auf den Schlipkoweit getreten fühlte. Um die Diskussion wieder auf die sachliche Ebene zurückzuführen nehme ich gern meinen Paranoia-Vorwurf bezüglich möglicher Missbrauchs-Befürchtungen zurück - Nein, natürlich muss man sich um den Missbrauch einer solchen Datenbank, für die ich plädiere, Gedanken machen.
Ich hatte meine Kontrahenten gestern um eine plausibles Szenario für einen solchen Missbrauch gebeten. Daraufhin habe ich bislang neben - zugegebenermaßen guten - Science-Fiction-Literaturhinweisen (ich habe auch Orwell und Huxley gelesen) den Hinweis auf gewisse "sensible Daten" bekommen, die für das Versicherungswesen und für das Personalwesen von Unternehmen interessant sein könnten. Versuchen wir doch mal statt solcher vagen Andeutungen konkret zu werden.
Welche sensiblen Daten enthält denn ein DNS Muster? Zum Einen wäre der Aspekt der erkennungstechnisch ausgenutzt werden könnte, dass es eine fast 100%ige Identifikation jeder Person anhand winzigster Proben möglich ist. Der Deckmantel der Anonymität würde für einen Großteil von Straftaten entfallen oder das unerkannte Begehen der solchen sehr erschweren. Zum anderen aber - und darauf zielen wohl die größten Befürchtungen ab - sind in unserer DNS die genetischen Veranlagungen verschlüssselt. Das menschliche Genom ist rein biochemisch vollständig bekannt, was aber nicht bedeutet, dass die Bedeutung dieses Codes bereits entschlüsselt ist. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft kann man gewisse Veranlagungen für Erbkrankheiten oder diverse äußerliche Merkmale ablesen. Auch für die Anfälligkeit für gewisse Krebserkrankungen soll es bereits identifizierte Gensequenzen geben. Von einer vollständigen Entschlüsselung des Codes ist die Wissenschaft allerdings noch Lichtjahre entfernt. Insbesondere bezüglich der Identizierung von Persönlickeitsmerkmalen im genetischen Code ist man noch weit entfernt von verwertbaren Ergebnissen. Gewiss wird sich das in der Zukunft ändern - hier wird der Erkenntniszuwachs aber nicht in Jahren sondern eher in Jahrzehnten zu messen sein. Nichtsdestotrotz möchte ich das Missbrauchspotential dieser in den Erbmaterial liegenden Informationen gar nicht abstreiten sondern lediglich relativieren.
Das zweite Thema ist das der Datensicherheit. Es könnten - so die Befürchtungen - DNS-Daten in falsche Hände gelangen. Ich gehe davon aus, dass, wenn wirklich eine solche komplette Gen-Datenbank aufgebaut werden sollte diese Datenbank auch den von gesetzgeberischer Seite den Schutz erhalten würde, den sie erfordert. Sensible medizinische Daten werden auch heute schon in Patienten-Datenbanken gesammelt - es ist mir bislang aber noch nicht bekannt geworden, dass es besonders häufig zu massivem Missbrauch kommt, bzw. dass Ärtzte und Krankenhausverwaltungen mal so eben diese Informationen gegen entsprechende Belohnung an Krankenkassen weitergeben. In diser Hinsicht bin ich eigentlich optimistisch, dass die Geheimhaltung der DNS-Daten gelingen kann und dass entstehende Sicherheitslecks Einzelfälle bleiben, die mit strafrechtlichen Mitteln im Zaum zu halten sind.
Gehen wir nun davon aus, dass diese Bemühungen fehlschlagen und Krankenkassen oder Versicherungen tatsächlich die DNS-Daten Ihrer Kunden kennen. Nehmen wir an einer gesetzlichen Krankenkasse ist bekannt dass dieser oder jener Kunde gentechnisch ein hohes Krebsrisiko zu tragen hat. Kann die Krankenkasse diesen Kunden einfach rauswerfen oder Leistungen verweigern? Nein - sie ist gesetzlich dazu verpflichtet den Patienten zu betreuen. Wie sieht es mit Versicherungen aus? Kann ein Kunde mit hohem Krebsrisiko keine Lebensversicherung mehr abschließen? Mit welcher Begründung will die Versicherung diese Verweigerung argumentieren? Auf die illegal erworbenen DNS-Daten kann sie sich jedenfalls nicht berufen. Außerdem würden solche Fälle schnell öffentlich - Versicherungen mit einem sauberen Image hätten schnell einen Wettbewerbsvorteil, so dass der Missbrauch der DNS-Daten dann vielleicht gar nicht mehr so einträglich wäre, wie er auf dem ersten Blick erscheint.
Zum Abschluss möchte ich noch auf das Missbrauchspotential in der Personalpolitik eingehen. Nehmen wir die (momentan sehr unwahrscheinlichen) Voraussetzungen als gegeben an, dass a) ein Unternehmen die DNS-Daten aller Bewerber besitzt und b) dass es aus diesen Daten Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeit ziehen kann. Es würde sich für den oder die Bewerber entscheiden, die weitestgehend einem genetischen Optimalprofil entsprechen. Was ist daran neu? Schon seit längerer Zeit erstellen Unternehmen Persönlichkeitsprofile möglicher Bewerber um anhand eines Optimalprofils den Geeigneten herauszufinden. War von Euch schon jemand in einem Assessment-Center? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man dort in den raffiniert ausgeklügelten psychologischen Tests sein Innerstes preisgibt. Die Informationen, die diese Unternehmen über die Persönlichkeit ihrer Bewerber gewinnen sind weitaus detaillierter und aussagekräftiger als die, die sich aus einem DNS-Code gewinnen lassen. Letztlich ist es Sache des Unternehmens, wie es die Einstellungskriterien wählt das mag man verurteilen und moralisch verwerflich finden - das Vorhandensein einer DNS-Datenbank ändert daran nichts.
So ich hoffe jemand liest sich diesen Roman durch
aber ich musste jetzt mal so ausführlich werden, um für diejenigen verständlich zu sein, die sich sachlich und unpolemisch mit mir auseinandersetzen wollen.