Schmidt & Pocher“
Sie hatten ja keine Zeit
Von Jörg Thomann
Dem Medienrummel vorab nach zu urteilen, ist die gemeinsame Show von Harald Schmidt und Oliver Pocher die wichtigste Sendung mindestens dieses Jahres. Gestern nun war Premiere. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
1. Wer durfte die Sendung eröffnen?
Das war Ehren- und damit Chefsache: Schmidt machte es. Er steht im Sendungstitel vorne, sein Publikum kennt und schätzt den pointengespickten Monolog zur Begrüßung. Außerdem ist Stand-Up nun wahrlich nicht die Stärke Pochers. Ihn zu Beginn ein paar Rohrkrepierer auf die erwartungsvollen Zuschauer abfeuern zu lassen, wäre ein zu großes Risiko gewesen.
2. War Schmidt endlich wieder motiviert?
Guckt mal, ich kann tanzen: Pocher als Michael Jackson
Motivierter jedenfalls als vor seiner langen, langen Sommerpause. Für eine herausragende Sendung freilich reicht Motivation allein nicht aus. Schmidts durchaus nicht lustlos vorgetragener Einstiegsmonolog jedenfalls zog sich aufgrund durchschnittlicher Pointen erheblich. Der SPD-Parteitag, der am Donnerstag noch nicht einmal begonnen hatte, ist vielleicht auch nicht das dankbarste Thema. Gerhard Schröder als „russischen Botschafter in Hannover“ zu bezeichnen, war so geistreich wie die Bemerkung, Helmut Schmidt kommuniziere nurmehr durch Rauchzeichen. Schon netter und eine aktuelle Grußbotschaft an die mit Schmidt verbundenen Feuilletonisten war der Hinweis, dass einstmals zwischen Schröder und Lafontaine kein Blatt gepasst habe, zwischen Müntefering und Beck aber „die ganze Anna Amalia Bibliothek“. Gegen Ende dieses Stand-Ups dürften sich selbst eingefleischte Schmidt-Fans gewünscht haben, dass nun endlich Pocher dazustieße.
3. Wie wurde Pocher eingeführt?
Das war zu befürchten: Pocher legte zu Beginn unter Lichtblitzen einen Michael-Jackson-Tanz hin. Das war bereits Bestandteil seines Bühnenprogramms gewesen, ebenso wie eine Choreographie zu Liedern der Backstreet Boys. Und schon damals fragte man sich, was uns diese Nummern sagen sollen: Dass der Olli ganz toll tanzen kann? Dass sich hier jemand als Teil der Popkultur anpreisen möchte? Zum Wesen der Parodie zählt es, Besonderheiten an Charakter oder Auftreten einer Person zu erkennen, deutlicher herauszuarbeiten und ins Komische zu variieren. Die reine Imitation hingegen - wie Pochers mit viel Fleiß und Schweiß eintrainierte Tanzeinlage - ist nicht lustig.
4. Die Sendung soll ein „satirischer Wochenrückblick“ sein. War sie das?
Gestatten, mein neuer Partner
Es mag im Wesen einer Premierensendung liegen, doch ihren Blick richteten Schmidt und Pocher deutlich weiter zurück. Der Eva-Herman-Kerner-Skandal liegt schon drei Wochen zurück, und trotzdem wurde er zum Thema der Sendung - einschließlich der erwartbaren Kerner-Anspielung, jemand werde gleich des Studios verwiesen. Gar nicht dumm, aber auch gar nicht so komisch war die Präsentation eines „Nazometers“, das beim Gebrauch vorbelasteter Begriffe wie „Autobahn“ ein Alarmsignal ausstieß. Schmidt präsentierte dann noch das Waschgel „Arischer Frühling“, das er stets benutze, nachdem er mit „entarteter Kunst“ in Berührung gekommen sei. Ein hämischer Gruß an Kardinal Meisner. Aktueller wäre einer an Bischof Mixa und seine kongeniale Kontrahentin Claudia Roth gewesen, doch das Thema ließen sich die beiden entgehen.
5. Wie ist die Rollenverteilung zwischen den Gastgebern?
Offiziell ist davon die Rede, beide seien gleichberechtigte Partner. Pocher sitzt an einer Ecke des riesigen Schreibtischs, Schmidt an der anderen. Die Einspielfilme präsentieren eine andere Rollenverteilung - der große Schmidt erhebt sich hier klar über den kleinen Pocher. Letzterer freilich ist kein passionierter Fernseh-Masochist wie Schmidts früherer Partner Feuerstein, mit dem das wesentlich besser funktionierte und auch im Studio durchgezogen wurde. Bei Pocher freilich ist Schmidt in der Zwickmühle: Er will einerseits seine Überlegenheit demonstrieren, darf aber andererseits Pocher nicht zu schlecht aussehen lassen, weil dessen Verpflichtung ja seine Idee war. So geht es zwischen den beiden verhältnismäßig sanft zu. Abgesehen von Pochers dramatischer Rezitation der Worte, mit denen Yvonne Catterfeld ihre Trennung von Wayne Carpendale bekanntgab. Hier quatschte Schmidt so lange dazwischen, bis Pocher resignierte: „Die Nummer ist im Arsch.“
6. Wie waren die Einspielfilme?
Fernseh-Stammtisch mit Günther Jauch
Schmidt und Pocher als Promi-Pilger über angeblich in Spanien gelegende rheinische Feldwege stapfen zu lassen, war eine wunderbare Idee. Doch hätte man mehr draus machen müssen als Pocher entnervt seinen Rucksack in die Botanik feuern und Schmidt einen Baum umarmen zu lassen. Ein paar kurze Einspieler mit Kurt-Beck-Eilmeldungen (Beck nun mit Yvonne Catterfeld zusammen) waren so lahm wie der Werbespot für eine „Bahn-Strike-Card“, der ein über Gleise laufendes Kind zeigte.
7. Warum hat der Kabarettist Eckart von Hirschhausen eine ständige Rubrik in der Sendung?
Auch Zerlett und Band sind wieder mit an Bord
Hirschhausen ist ein Komiker mit klar umrissenem Themengebiet: Der ausgebildete Arzt macht sich über seinen Berufsstand und das Gesundheitswesen lustig. Möglich, dass sich der bekennende Hypochonder Schmidt davon angesprochen fühlte. Vermutlich soll der regelmäßige Auftritt eines studierten Mediziners Schmidts bürgerlichem Publikum auch als Sedativum dienen, um den Medienproletarier Pocher zu verkraften. So darf also Hirschhausen die aus seinen Bühnenauftritten längst bekannten Späße dank „Schmidt & Pocher“ der Reihe nach fürs Fernsehen verfilmen.
8. Wie war das Comeback von Helmut Zerlett?
Man erinnere sich: Manuel Andrack durfte einst nur deshalb auf Schmidts Bühne Platz nehmen, weil Zerlett als Stichwortgeber noch viel unergiebiger war. Was also sollte man von seinem Comeback erwarten? Zerlett kam einmal kurz zu Wort und machte das, wofür er verpflichtet wurde: Musik.
9. Was war der beste Moment von Harald Schmidt?
Ein Déjà-vu: Schmidt zeigte ein Bild mit Anne Will, Carmen Nebel, Veronica Ferres - und Bettina Böttinger, die er vor Jahren in seiner Show bös beleidigt hatte. Was diese Frauen wohl gemeinsam hätten, hob er wie an jenem Tage an, verzog das Gesicht und zeigte seine zitternden Hände. Die Auflösung war, anders als damals, gänzlich harmlos, doch die Sekunden davor, als der Tabubruch im Raum schwebte, kosteten Schmidt und sein Publikum genüsslich aus.
10. Was war der beste Moment von Oliver Pocher?
Eine Parodie auf den Fußballer Lukas Podolski. Hat er freilich auch schon oft gemacht.
11. Wie war der Auftritt des Studiogastes?
Mit Günther Jauch hatte die ARD gleich einen der größten Namen im deutschen Fernsehen verpflichtet, einen Sympathieträger und Improvisationskünstler, der jedem Gastgeber ein unterhaltsames Geplänkel garantiert, welches man gern auch eine halbe Stunde lang mitverfolgt. Bei „Schmidt & Pocher“ war Jauch aber nur ein paar Minuten, die sich fast ausschließlich um seinen gescheiterten Wechsel zur ARD drehten. Das nutzte Pocher für einen schönen Satz: „Ich sag' mal so, es ist ganz einfach.“ Jauch übte noch ein wenig Medienkritik: Zwei von drei neuen ARD-Shows (Plasberg, Will, Schmidt & Pocher) gefielen ihm gut, an einer müsse noch gearbeitet werden. Welche, sagte er nicht. Möglich, dass er „Anne Will“ meinte, auf jeden Fall gepasst hätte es auf „Schmidt & Pocher“.
12. Musste die ARD noch mehr einstecken?
Ausführlich belegte Schmidt die auffälligen Ähnlichkeiten zwischen dem jüngst ausgestrahlten „Tatort“ des Hessischen Rundfunks und dem älteren ZDF-Film „Der Tote am Strand“. Am Schluss beider Filme richtet ein Mann eine Waffe auf eine Frau, man hört einen Schuss, eine dritte Person kommt herbeigeeilt - und entdeckt, dass die am Boden liegende Frau gar nicht tot ist, sondern der Mann sich selbst richtete. Weitere Zielscheibe war Anne Will, deren „Menschencouch“ auch bei Schmidt und Pocher aufgestellt wurde.
13. Werden durch Schmidt und Pocher nun unterschiedliche Zuschauergruppen bedient?
Pocher hatte in einem Interview gesagt, dass seine Interessen und diejenigen Schmidts gar nicht weit auseinanderlägen. Tatsächlich hatten die beiden gestern etliche gemeinsame Themen - oder besser, ein gemeinsames großes: das Fernsehen. Selbstreferentieller als in dieser Sendung hat sich das Medium selten gezeigt, und selten dürfte sich ein wenig fernsehaffiner Zuschauer so ausgeschlossen gefühlt haben. Wer nichts oder nur wenig weiß über Yvonne Catterfeld und Wayne Carpendale, über Bruce Darnell, Oliver Geissen und Oli P., über die Quoten von Sat.1, die Vorabaufzeichnung des Deutschen Comedy-Preises und einen Mann namens Peter Zwegat, der bei RTL als Schuldenberater auftritt, für den war an Schmidts und Pochers Medienstammtisch kein Platz. Pocher hat schon immer erkennen lassen, dass es für ihn eine Welt außerhalb des Fernsehens nicht gibt. Bei Schmidt war dies früher anders.
14. Muss ich die Sendung anschauen, um mitreden zu können?
Nein. Solange es bei jener Themenmischung bleibt, fehlt es ihr an jeglicher Relevanz.
15. Warum war die Premiere nicht besser?
Mal abgesehen davon, dass die Erwartungen an die Sendung exorbitant und folglich nicht zu erfüllen waren: Schmidt und Pocher haben nicht zeigen können, warum sie gemeinsam unterhaltsamer sein sollen als jeder für sich allein. Eine zusätzliche Note hat Pocher noch nicht einbringen können in die Show, er wirkte wie ein allzu lange anwesender Gast. Beide spielten einander kaum einmal in schnellem Wechsel die Bälle zu, und wenn doch, dann kullerten sie oft ins Aus. Vielleicht hätte man doch ein wenig länger gemeinsam trainieren müssen. Doch die beiden hatten einfach nicht mehr Zeit: Sie mussten schließlich wieder und wieder Interviews geben.