Eine Affäre von der Massagebank
Was als stille Post begann, ist nun ein Problem: Der Fall Gerald Asamoah gefährdet das Geschäftsmodell des Bundesligisten aus Gelsenkirchen.
Von Javier Cáceres
Marcelo Bordon stand in den Katakomben des Berliner Olympiastadions, weit entfernt vom nächsten Gemäuer, und doch wirkte es so, als stehe er mit dem Rücken zur Wand - trotz der Einfühlsamkeit, um die sich die Berichterstatter aus dem Revier bemühten, als sie den Innenverteidiger des FC Schalke 04 vernahmen. Die zentrale Frage: Ob er denn tatsächlich, wie kolportiert werde, derjenige gewesen sei, der den vorläufig suspendierten Kollegen Gerald Asamoah bei den Vorgesetzten, nunja, verpetzt habe? Weitschweifend fiel die Erklärung aus, was zum einen daran lag, dass die Lage bei Schalke einerseits komplex ist und Bordon andererseits zwar passabel Deutsch spricht, seine Fähigkeit in geschliffener deutscher Dialektik aber ungefähr so fern ist wie die Meisterschale von Schalke. Zusammengefasst wies der Brasilianer von sich, ein Denunziant zu sein; er sei lediglich eine Instanz gewesen, bei der sich Schalkes Manager Andreas Müller vergewissert habe, ob denn stimme, was da an Tratsch an seine Ohren gelangt war - dass Asamoah Stunk machen wolle, falls er keinen Stammplatz erhalten sollte.
Da Bordon es selbst nie gehört haben will, vergewisserte er sich angeblich bei Halil Altintop. Denn der soll ja Absender der stillen Post gewesen sein - laut Spielmacher Lincoln, der sich wiederum Bordon anvertraut habe. Altintop bejahte, Bordon trug die Erkenntnis weiter, woraufhin Müller und Trainer Mirko Slomka entschieden, Asamoah vom Spiel in Berlin zu suspendieren. Und nun muss das Millionen-Unternehmen Schalke befürchten, dass sich eine ursprünglich auf Kindergartenniveau abspielende "Affäre" aufgrund miserabler Verwaltung zu einer ernsten Geschäftskrise ausweitet.
"Es ist halt schade", sagte Torhüter Frank Rost, ein Stück weit resigniert und jedes Wort abwägend. "Immer wenn man denkt, dass ein bisschen Ruhe einkehrt, kommt eine überraschende Situation." Immer, das war in diesem Fall ein vernünftiger Saisonstart, den ein eindrucksvoller Sieg gegen Werder Bremen ebenso schmückte wie die Qualifikation für die zweite Runde im Pokal sowie ein gutes Resultat im Uefa-Cup. Ein Sieg in Berlin, und Schalke wäre an die Spitze gesprungen. Doch Schalke siegte nicht, sondern verlor 0:2 und ausgerechnet bei Hertha, was bedeutete, dass der Gegner, den die Schalker am liebsten, wie die Berliner sagen, "ja nich ignorieren", Tabellenführer wurde.
Tiefe Gräben
Mit dem Fall Asamoah habe das alles gar nichts zu tun, sagten Rafinha, Dario Rodriguez und Fabian Ernst, und auch Manager Müller, der seinem Team in Dingen wie Zuteilung, Bewegung, Durchsetzungsvermögen oder Passspiel so ziemlich alles absprach, bezeichnete die Angelegenheit Asamoah als unerheblich für die fußballerische Darbietung. Frank Rost nicht. Rost sagte, der Vorfall könne nicht als Entschuldigung herhalten. "Aber wir haben es uns ja auch ein bisschen schwer gemacht durch die Umstände vom Tag vor dem Spiel." Denn so sei aufgezeigt worden, welche tiefe Gräben durch das Team gingen. "Jetzt wissen wir alle, welcher Charakter in unserer Mannschaft steckt. Wenn solche Gespräche beim Trainer oder Manager landen, braucht man von Teamgeist nicht mehr zu sprechen", befand auch Asamoah.
Als Rost gefragt wurde, wie er es bewerte, dass offenbar jedes auf der Massagebank geäußerte Wort über die Betriebsinterna beim Vorgesetzten landen könne, sagte er nicht sehr viel. "Ich bin zwar selten sprachlos . . . Aber was soll ich dazu sagen? Es ist nicht schön." Schalke 04 als Hort der Denunziation? Auch um diesem Bild entgegenzuwirken, beharrte Müller darauf, die Information über die inkriminierten Äußerungen seien von dritter Seite und nicht aus dem Mannschaftskreis gekommen - was gleichfalls heikel ist.
Denn nach Recherchen des kicker kam die Geschichte über den angeblich drohenden Asamoah durch die Berater-Agentur "Rogon" an die Ohren Müllers. Sie berät Schalkes halbe Stammelf. Was Gerald Asamoah zu Halil Altintop genau gesagt hat und in welchem Kontext, ist nicht bekannt. Slomka erklärte dazu, dass Asamoah angedeutet habe, "irgendwelche Dinge auszuspielen gegen mich". Er wisse allerdings nicht, was er damit gemeint haben könne.
Die Mär vom Herrschaftswissen
Gerald Asamoah schilderte den Hergang so, dass er eher banal klingt. So habe er im Gespräch mit Halil Altintop lediglich öffentliche Äußerungen von dessen Bruder Hamit in Frage gestellt, und dabei hinzugefügt: "An seiner Stelle würde ich vielleicht auch so Probleme machen." Als Asamoah dann gegen die Amateurelf von Hansa Rostock im Pokal tatsächlich spielte (und Halil Altintop auf der Bank saß), war die (mutmaßliche) Mär geboren, der deutsche Nationalspieler habe sich den Weg in die Elf durch Herrschaftswissen gebahnt - und aus den Kreisen Rogons sei dann die Information an Müller weitergeleitet worden.
Ein Versuch, Personalpolitik zu betreiben? Altintop ist Asamoahs Konkurrent - und bei Rogon unter Vertrag. Slomka sagte, er sei persönlich enttäuscht über Asamoah, den er als Jugendtrainer gefördert habe. Am heutigen Dienstag soll es ein Krisentreffen mit Asamoah geben, "eine knallharte Runde", wie Müller ankündigte, den Ausgang offen lassend. Noch ist man in Schalke aber zuversichtlich, dass sich die Sache friedlich regeln lässt.