Sandsturm
Blaublütler
Von Achim Achilles
Was hat die Meisterschaft der Bayern 2006 mit der Wiederwahl Helmut Kohls 1994 zu tun? Eine ganze Menge, findet Laufgott Achim Achilles, der sich über eine weitere Legislaturperiode des FCB nicht übermäßig freut. Immerhin hat er die Schuldigen gefunden.
Mit dem FC Bayern ist es wie mit der Wiederwahl Helmut Kohl im Herbst 1994. Ein Sieg, aber keiner hat sich gefreut. Selbst die Fans waren erschrocken über einen Triumph, der keiner war, der nur zustande kam mangels Konkurrenz, eigentlich ziemlich unverdient. Aber als Konkurrent war halt bloß Rudi Scharping am Start gewesen, ein furchterregendes Nichts, das keine Runde mit denn Rennrad schaffte ohne sich auf die Nase zu legen. Das war das wirkliche Drama 1994: die Erkenntnis, dass die politische Elite des Landes sich auf Kohl und Scharping reduzierte.
Das Regime von Mittelmaß, das ist auch die bittere Botschaft der Saison 2005/06: Es gibt nur diese Bayern. Wir müssen mit ihnen leben wie einst mit Helmut Kohl. Erfolg mangels Gegner. Die anderen waren immer nur gut, wenn es um nichts mehr ging. Besonders zuverlässig in der Disziplin "crack under pressure" in dieser Spielzeit: der gute, alte HSV. Letztes Jahr war es Schalke. Also eine weitere fußballerische Legislaturperiode mit dem FC Birne. Wieder keine Begeisterung, sondern Geschäftsmäßigkeit. Das Symbol dieser Mannschaft ist ihr Arzt, der für eine Wunderpille wirbt, die nicht viel mehr ist als eingekapselter Staub. Aber es steht großmäulig "Nano" drauf. Das ist Bayern. Es ist so traurig.
Die 20. Meisterschaft der Bayern taugt nicht mal zu fröhlichem Hohn oder anerkennender Abneigung. Ein Gefühl großer Ödnis macht sich breit seit gestern 17.15 Uhr. Eine maximal charisma-freie Truppe holt den Titel, eine Mannschaft, die egal ist wie eine ausgelutschte Weißwurstpelle. Früher als alles besser war, da musste man wenigstens Respekt haben vor dem FC Bayern, weil er zentrale Blöcke oder Achsen der Nationalmannschaft stellte oder den Torschützenkönig.
Das ist vorbei und liegt ausnahmsweise nicht an Klinsmann. Ein einsamer Michael Ballack, der eh schon weg ist und zur Strafe wegen Treulosigkeit schon mal demontiert wird, ein Kahn, der es hinter sich hat und Schweini, der es vielleicht nie vor sich gehabt hat. Bleibt Scholl. Der hat immerhin den achten Meister-Titel mit dem Verein gewonnen und besetzt die Rolle als halbwegs in Würde alternder Popstar ganz ordentlich.
Meister der Maschinen
Ansonsten? Männer mit Reifen in ihren langen dunklen Haaren, international zweite Geige und überhaupt sehr austauschbar. Nette Legionäre, aber kein Superstar weit und breit, ein Haufen leitender Angestellter, die ihren Job herunterschrubben, weil es in ihrem Vertrag steht und die Meister werden, weil es dafür eine Prämie gibt. Das Ausmaß des personellen Dramas wird deutlich, wenn man sich Sepp Maier zurückwünscht, Wiggerl Kögl, Bruno Labbadia oder Jürgen Wegmann.
Die Abwesenheit jeglicher Unvernunft ist das größte Problem dieser Bayern. Überall weht der kalte Geist von Uli Hoeneß, der eben nur ein exzellenter Kaufmann ist, aber auf der Gefühlsebene zuverlässig tiefgefroren. Hoenesse rekrutieren erst Hitzfelds und dann Magaths. Und die sagen mechanisch Sätze wie: "Heute werden wir auf den Putz hauen." Es wird der Tag kommen, da platzt die Stirn von Felix Magath beim Interview auf, und der Blick wird freigegeben auf eine Hirnschale voll mit Drähten und Platinen. Es ist ein alter C64, werden Experten feststellen. Das Sprachzentrum ist von Uli Hoeneß persönlich programmiert worden, mit einem Wortschatz von 500. "Optimiert", das ist der meistgebrauchte Begriff. "Auf den Putz hauen" kam bislang nicht vor, das wurde am Freitagabend rasch noch eingegeben.
Dieser FC Bayern ist kein Meister der Herzen, sondern ein Meister der Maschinen, Gewinner aus Verlegenheit, weil wieder mal kein anderer da war. Das ausnahmsweise kann man den Bayern nicht vorwerfen, sondern nur den anderen, den Bremern, Hamburgern, Leverkusenern, Schalkern: Ihr seid zu blöd, Euch diese Meisterschaft auch mal zu schnappen. Ihr seid Schisser, denn ihr fürchtet einen Bayern-Mythos, den es gar nicht gibt.
Beweis: die kommende Champions League, in der der FC Bayern nicht mal die Vorrunde schaffen wird. Der Vorteil von Kohls glanzlosem Sieg 1994 war es, das man sich sehr sicher sein konnte, dass es 1998 endgültig vorbei ist. Mit den Bayern ist es wahrscheinlich nie vorbei, nicht mal für ein, zwei Jahre. Es würde ihnen und uns allen so gut tun.
Link: spiegel.de
Recht hat er!
Was hat die Meisterschaft der Bayern 2006 mit der Wiederwahl Helmut Kohls 1994 zu tun? Eine ganze Menge, findet Laufgott Achim Achilles, der sich über eine weitere Legislaturperiode des FCB nicht übermäßig freut. Immerhin hat er die Schuldigen gefunden.
Mit dem FC Bayern ist es wie mit der Wiederwahl Helmut Kohl im Herbst 1994. Ein Sieg, aber keiner hat sich gefreut. Selbst die Fans waren erschrocken über einen Triumph, der keiner war, der nur zustande kam mangels Konkurrenz, eigentlich ziemlich unverdient. Aber als Konkurrent war halt bloß Rudi Scharping am Start gewesen, ein furchterregendes Nichts, das keine Runde mit denn Rennrad schaffte ohne sich auf die Nase zu legen. Das war das wirkliche Drama 1994: die Erkenntnis, dass die politische Elite des Landes sich auf Kohl und Scharping reduzierte.
Das Regime von Mittelmaß, das ist auch die bittere Botschaft der Saison 2005/06: Es gibt nur diese Bayern. Wir müssen mit ihnen leben wie einst mit Helmut Kohl. Erfolg mangels Gegner. Die anderen waren immer nur gut, wenn es um nichts mehr ging. Besonders zuverlässig in der Disziplin "crack under pressure" in dieser Spielzeit: der gute, alte HSV. Letztes Jahr war es Schalke. Also eine weitere fußballerische Legislaturperiode mit dem FC Birne. Wieder keine Begeisterung, sondern Geschäftsmäßigkeit. Das Symbol dieser Mannschaft ist ihr Arzt, der für eine Wunderpille wirbt, die nicht viel mehr ist als eingekapselter Staub. Aber es steht großmäulig "Nano" drauf. Das ist Bayern. Es ist so traurig.
Die 20. Meisterschaft der Bayern taugt nicht mal zu fröhlichem Hohn oder anerkennender Abneigung. Ein Gefühl großer Ödnis macht sich breit seit gestern 17.15 Uhr. Eine maximal charisma-freie Truppe holt den Titel, eine Mannschaft, die egal ist wie eine ausgelutschte Weißwurstpelle. Früher als alles besser war, da musste man wenigstens Respekt haben vor dem FC Bayern, weil er zentrale Blöcke oder Achsen der Nationalmannschaft stellte oder den Torschützenkönig.
Das ist vorbei und liegt ausnahmsweise nicht an Klinsmann. Ein einsamer Michael Ballack, der eh schon weg ist und zur Strafe wegen Treulosigkeit schon mal demontiert wird, ein Kahn, der es hinter sich hat und Schweini, der es vielleicht nie vor sich gehabt hat. Bleibt Scholl. Der hat immerhin den achten Meister-Titel mit dem Verein gewonnen und besetzt die Rolle als halbwegs in Würde alternder Popstar ganz ordentlich.
Meister der Maschinen
Ansonsten? Männer mit Reifen in ihren langen dunklen Haaren, international zweite Geige und überhaupt sehr austauschbar. Nette Legionäre, aber kein Superstar weit und breit, ein Haufen leitender Angestellter, die ihren Job herunterschrubben, weil es in ihrem Vertrag steht und die Meister werden, weil es dafür eine Prämie gibt. Das Ausmaß des personellen Dramas wird deutlich, wenn man sich Sepp Maier zurückwünscht, Wiggerl Kögl, Bruno Labbadia oder Jürgen Wegmann.
Die Abwesenheit jeglicher Unvernunft ist das größte Problem dieser Bayern. Überall weht der kalte Geist von Uli Hoeneß, der eben nur ein exzellenter Kaufmann ist, aber auf der Gefühlsebene zuverlässig tiefgefroren. Hoenesse rekrutieren erst Hitzfelds und dann Magaths. Und die sagen mechanisch Sätze wie: "Heute werden wir auf den Putz hauen." Es wird der Tag kommen, da platzt die Stirn von Felix Magath beim Interview auf, und der Blick wird freigegeben auf eine Hirnschale voll mit Drähten und Platinen. Es ist ein alter C64, werden Experten feststellen. Das Sprachzentrum ist von Uli Hoeneß persönlich programmiert worden, mit einem Wortschatz von 500. "Optimiert", das ist der meistgebrauchte Begriff. "Auf den Putz hauen" kam bislang nicht vor, das wurde am Freitagabend rasch noch eingegeben.
Dieser FC Bayern ist kein Meister der Herzen, sondern ein Meister der Maschinen, Gewinner aus Verlegenheit, weil wieder mal kein anderer da war. Das ausnahmsweise kann man den Bayern nicht vorwerfen, sondern nur den anderen, den Bremern, Hamburgern, Leverkusenern, Schalkern: Ihr seid zu blöd, Euch diese Meisterschaft auch mal zu schnappen. Ihr seid Schisser, denn ihr fürchtet einen Bayern-Mythos, den es gar nicht gibt.
Beweis: die kommende Champions League, in der der FC Bayern nicht mal die Vorrunde schaffen wird. Der Vorteil von Kohls glanzlosem Sieg 1994 war es, das man sich sehr sicher sein konnte, dass es 1998 endgültig vorbei ist. Mit den Bayern ist es wahrscheinlich nie vorbei, nicht mal für ein, zwei Jahre. Es würde ihnen und uns allen so gut tun.
Link: spiegel.de
Recht hat er!