Im Abendblatt gibt es heute ein interessantes Interview mit DFB Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell zum „Skandalspiel“ 1860-Frankfurt. Insbesondere aber um die immer größer werdende Problematik von Trainer-Assistenten, die strittige Situationen zwischendurch auf TV-Monitoren verfolgen und dann provokativ die Linienrichter auf die „beweisbaren Fehlentscheidungen“ hinweisen:
"Der Saustall gehört aufgeräumt"
Skandal: Manfred Amerell, Schiedsrichter-Sprecher, über aufgeregte Trainer beim Spiel 1860 München gegen Frankfurt.
ABENDBLATT: Herr Amerell, Sie verließen in der 10. Spielminute Ihren Tribünenplatz, liefen Richtung Innenraum . . .
MANFRED AMERELL: Gleich nach Spielbeginn traute ich meinen Augen nicht, fragte mich: Wer ist der Mann an der Frankfurter Bank, der ständig zwischen den drei "Premiere"-Monitoren und der Bank hin- und herlief?
ABENDBLATT: Wer war es denn?
AMERELL: Der Pressesprecher von Eintracht Frankfurt. Der hat da nichts zu suchen. Der gehörte nicht zu den auf dem Spielbericht aufgeführten Leuten. Und was machte der? Der sah sich, wie auch der Frankfurter Co-Trainer, die Fernsehbilder vom Spiel an, informierte schnell Trainer Friedhelm Funkel, der mit diesen Erkenntnissen den Assistenten an der Seitenauslinie immer wieder konfrontierte und traktierte. Und ihn so von seiner Aufgabe ablenkte. Das war der Versuch massivster Einflußnahme. Daß der Frankfurter Co-Trainer Armin Reutershahn auf die Tribüne verwiesen wurde, war völlig korrekt. Aber solche Typen wundern sich dann noch, wenn es auf dem Spielfeld genauso chaotisch aussieht wie an der Seitenauslinie.
ABENDBLATT: Verhielten sich die Trainer von München 1860 regelkonform?
AMERELL: Sie waren keinen Deut besser. Das war, von beiden Klubs, ein schwerer Eingriff in die Entscheidungsgewalt der Schiedsrichter, wie ich ihn in dieser Qualität annähernd nicht gesehen habe. Das war der größte Saustall in einer Coaching-Zone, den ich je erlebt habe. Dieser Saustall gehört aufgeräumt, das muß, das wird Folgen haben. Eine Meldung an die DFL wird nur der Anfang sein.
ABENDBLATT: Sie votieren für den vierten Schiedsrichter auch in der 2. Bundesliga?
AMERELL: Unbedingt und umgehend. Wir haben in der Bundesliga ausnahmslos beste Erfahrungen mit dem vierten Mann gemacht. Das Argument gegen den vierten Mann für die zweite Liga waren immer die Kosten. Dieses ist seit diesem Spiel nicht mehr haltbar. Es hat auf katastrophale Weise veranschaulicht, zu was es führen kann, wenn es um den Aufstieg, um viel Geld geht.
ABENDBLATT: Die Schiedsrichter haben es, wie das Beispiel des Schweden Anders Frisk zeigt, momentan schwer wie noch nie.
AMERELL: Erkennen denn die Funktionäre, die sich da im Bereich der Reservebank bewegen, nicht, daß sie der auslösende Teil der ganzen Tragödie sind, die mit Morddrohungen und dem Ausstieg von Anders Frisk als Schiedsrichter endete? Sie sprechen pausenlos von Fairplay, aber sie meinen immer nur den eigenen Vorteil. Die ganze Fair-Play-Diskussion, bei der sich die Trainer immer wieder hervortun, ist für den Arsch.
ABENDBLATT: Wie meinen Sie das?
AMERELL: Diesen Heuchlern auf der Bank sage ich auf gut Bayerisch: Wie der Herr, so das Gscherr. Diese Rasenden auf und neben den Bänken sind das Vorbild für die Randgruppentäter auf den Rängen. Was sie da unten mit ihrer unverantwortlichen Aggressivität und ihren Versuchen der Einflußnahme ausleben, das nehmen sich die Empfänglichen zum Vorbild und äffen es mit ihren Methoden nach. Und da kann ich zum Spiel nur sagen: Funkel zählt zur Stammkundschaft. Wenn der auf Fehlleistungen seiner Spieler so reagieren würde wie gegenüber uns Schiedsrichtern, hätten sie den bei Frankfurt längst rausgeschmissen.
ABENDBLATT: Aber es gab zuletzt unbestritten etliche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter.
AMERELL: Erstens regt es mich wahnsinnig auf, daß mit Superzeitlupe eine sezierte Realität bis zum Verdruß abgebildet wird, die mit der Realität im Echtheitstempo nichts mehr zu tun hat. Die Bilder haben eine starke Suggestivkraft. Mir geht es um die Grundsatzdiskussion: Daß wir im Spiel 1860 gegen Frankfurt an einem Eskalationspunkt angelangt sind, der Handlungsbedarf diktiert. Oder deutlicher: Wir Schiedsrichter sind mit unserer Geduld am Ende. Wir haben die Nase gestrichen voll und werden uns die Brutalisierung am Spielfeldrand ab heute nicht mehr gefallen lassen.
Interview: HEINZ-WILHELM BERTRAM
erschienen am 16. März 2005 in Sport
"Der Saustall gehört aufgeräumt"
Skandal: Manfred Amerell, Schiedsrichter-Sprecher, über aufgeregte Trainer beim Spiel 1860 München gegen Frankfurt.
ABENDBLATT: Herr Amerell, Sie verließen in der 10. Spielminute Ihren Tribünenplatz, liefen Richtung Innenraum . . .
MANFRED AMERELL: Gleich nach Spielbeginn traute ich meinen Augen nicht, fragte mich: Wer ist der Mann an der Frankfurter Bank, der ständig zwischen den drei "Premiere"-Monitoren und der Bank hin- und herlief?
ABENDBLATT: Wer war es denn?
AMERELL: Der Pressesprecher von Eintracht Frankfurt. Der hat da nichts zu suchen. Der gehörte nicht zu den auf dem Spielbericht aufgeführten Leuten. Und was machte der? Der sah sich, wie auch der Frankfurter Co-Trainer, die Fernsehbilder vom Spiel an, informierte schnell Trainer Friedhelm Funkel, der mit diesen Erkenntnissen den Assistenten an der Seitenauslinie immer wieder konfrontierte und traktierte. Und ihn so von seiner Aufgabe ablenkte. Das war der Versuch massivster Einflußnahme. Daß der Frankfurter Co-Trainer Armin Reutershahn auf die Tribüne verwiesen wurde, war völlig korrekt. Aber solche Typen wundern sich dann noch, wenn es auf dem Spielfeld genauso chaotisch aussieht wie an der Seitenauslinie.
ABENDBLATT: Verhielten sich die Trainer von München 1860 regelkonform?
AMERELL: Sie waren keinen Deut besser. Das war, von beiden Klubs, ein schwerer Eingriff in die Entscheidungsgewalt der Schiedsrichter, wie ich ihn in dieser Qualität annähernd nicht gesehen habe. Das war der größte Saustall in einer Coaching-Zone, den ich je erlebt habe. Dieser Saustall gehört aufgeräumt, das muß, das wird Folgen haben. Eine Meldung an die DFL wird nur der Anfang sein.
ABENDBLATT: Sie votieren für den vierten Schiedsrichter auch in der 2. Bundesliga?
AMERELL: Unbedingt und umgehend. Wir haben in der Bundesliga ausnahmslos beste Erfahrungen mit dem vierten Mann gemacht. Das Argument gegen den vierten Mann für die zweite Liga waren immer die Kosten. Dieses ist seit diesem Spiel nicht mehr haltbar. Es hat auf katastrophale Weise veranschaulicht, zu was es führen kann, wenn es um den Aufstieg, um viel Geld geht.
ABENDBLATT: Die Schiedsrichter haben es, wie das Beispiel des Schweden Anders Frisk zeigt, momentan schwer wie noch nie.
AMERELL: Erkennen denn die Funktionäre, die sich da im Bereich der Reservebank bewegen, nicht, daß sie der auslösende Teil der ganzen Tragödie sind, die mit Morddrohungen und dem Ausstieg von Anders Frisk als Schiedsrichter endete? Sie sprechen pausenlos von Fairplay, aber sie meinen immer nur den eigenen Vorteil. Die ganze Fair-Play-Diskussion, bei der sich die Trainer immer wieder hervortun, ist für den Arsch.
ABENDBLATT: Wie meinen Sie das?
AMERELL: Diesen Heuchlern auf der Bank sage ich auf gut Bayerisch: Wie der Herr, so das Gscherr. Diese Rasenden auf und neben den Bänken sind das Vorbild für die Randgruppentäter auf den Rängen. Was sie da unten mit ihrer unverantwortlichen Aggressivität und ihren Versuchen der Einflußnahme ausleben, das nehmen sich die Empfänglichen zum Vorbild und äffen es mit ihren Methoden nach. Und da kann ich zum Spiel nur sagen: Funkel zählt zur Stammkundschaft. Wenn der auf Fehlleistungen seiner Spieler so reagieren würde wie gegenüber uns Schiedsrichtern, hätten sie den bei Frankfurt längst rausgeschmissen.
ABENDBLATT: Aber es gab zuletzt unbestritten etliche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter.
AMERELL: Erstens regt es mich wahnsinnig auf, daß mit Superzeitlupe eine sezierte Realität bis zum Verdruß abgebildet wird, die mit der Realität im Echtheitstempo nichts mehr zu tun hat. Die Bilder haben eine starke Suggestivkraft. Mir geht es um die Grundsatzdiskussion: Daß wir im Spiel 1860 gegen Frankfurt an einem Eskalationspunkt angelangt sind, der Handlungsbedarf diktiert. Oder deutlicher: Wir Schiedsrichter sind mit unserer Geduld am Ende. Wir haben die Nase gestrichen voll und werden uns die Brutalisierung am Spielfeldrand ab heute nicht mehr gefallen lassen.
Interview: HEINZ-WILHELM BERTRAM
erschienen am 16. März 2005 in Sport