Abgesehen davon, dass ich dem Engel in nahezu allen Punkten zustimmen muss, hier einmal meine persönliche, kleine Bestandsaufnahme:
Magath hat am 01.07.2004 seinen Trainerjob in München angetreten. Seine Verpflichtung teilte schon damals die Gemüter. Während die Befürworter des gebürtigen Unterfranken sein Engagement, sein Training und seine Philosophie lobten, argumentierten die Magath-Gegner mit der angeblich fehlenden Erfahrung/Fachkompetenz und dem recht schnellen Verschleiß seiner Trainingsmethoden. Darüber hinaus wurde ihm unterstellt, er könne und würde sich nicht bei einem Weltklub wie dem FC Bayern einleben/akklimatisieren können. Weshalb ihm auch ein ähnliches Schicksal wie einst Otto Rehhagel prognostiziert wurde.
Inzwischen schreiben wir den 09. März 2006. Wir befinden uns im WM-Jahr. Der deutsche Fußball steckt (weiterhin) in einer Krise. Ebenso wie der FC Bayern und Trainer Magath. Was ist los? Ein kleiner Rückblick:
Nachdem sich "Felix" überaus schnell und gut eingelebt und eingearbeitet hat, scheint die, unter Hitzfeld, zuletzt lethargisch wirkende Bayern-Mannschaft mit neuem Elan in die Saison 2004/05 gehen zu wollen. Die Vorbereitung läuft zwar, auch aufgrund der EM samt Urlaubsverlängerungen für die Nationalspieler, nicht wirklich perfekt ab, dafür ziehen alle Beteiligten an einem Strang und die Laktat- und Fitnesswerte sind gut wie lange nicht mehr. Magath sei Dank! Ein Zustand, der unter der Leitung des Generals (Hitzfeld) nur selten erreicht und häufig vermisst wurde.
Die Bundesliga kann kommen - Saisonstart! Er verläuft eher schlecht, durchwachsen. Manch einer würde ihn, für Bayern-Verhältnisse, gar enttäuschend nennen. Halb so schlim. Neue Spieler, ein neuer Trainer, dazu noch die mehr oder weniger kräftezerrende Europameisterschaft - das wird schon noch! Richtig! Das Team kann sich von Spiel zu Spiel steigern. Keineswegs spielerisch brilliant, dafür aber mit guten Zweikampf- und Fitnesswerten und dem nötigen Engagement/Siegeswillen. Bei der Klasse des Kaders kommt der Rest (fast) von alleine, so die Hoffnung der Verantwortlichen und Fans.
Es kommt es wie es kommen "musste" - der Herbstmeister heißt FC Bayern! Zwar bemängeln einige Verantwortliche, allen voran die Licht- und Leitfigur, F.Beckenbauer persönlich, die größtenteils ergebnisorientierte und nüchterne Spielweise - aber das wird sich mit der Zeit sicherlich noch ändern, sprich bessern. Schließlich wolle man sich nicht weiter vorhalten lassen, dass der mit Abstand beste Kader der Bundesliga nicht auch den attraktivsten Fußball spiele.
Entsprechend engagiert und hoffnungsvoll startet man in die Rückrunde. Ein klares 3:0 über den wiedererstarkten und aufstrebenden HSV! Na also - es geht doch! Spielerisch zwar noch immer nicht auf dem Level, welches sich viele Fans und Verantwortliche erhoffen, aber das wird schon noch. Denkt und behauptet man.
Die Rückrunde verläuft überaus erfolgreich. Man ist zufrieden. Weniger mit den Spielweise der Mannschaft. Dafür stimmen aber die Ergebnisse! Die Punkteausbeute ist schlichtweg beeindruckend. Selbst für Bayern-Verhältnisse. Am Ende beträgt der Vorsprung auf die Konkurrenz stolze und beachtliche 14 Punkte! Der Trainerwechsel scheint sich bezahlt zu machen und die Euphorie überwiegt. Überwiegt und retuschiert viele kleine Defizite, die mehrfach Anlaß zu Kritik geben hätten müssen. Wie beispielsweise die Spielweise und taktische Ausrichtung der Mannschaft. Sicher - national hat es leicht und locker gereicht. Meister! Was will Fan mehr? Aber international? Aus im VF - mal wieder. Der FC Chelsea war, sowohl taktisch als auch spieltechnisch eine Nummer zu groß - den Bayern voraus. Man tut sich schwer. Mit der realen Einschätzung der Lage. Vielleicht war es ja doch nur Pech? Eigentlich hätte man Chelsea doch schlagen können, ja müssen!? Nächste Saison wird alles besser! International, versteht sich!
Die Saisonvorbereitung verläuft gut! Sehr gut! Zwar stehen Magath, dem Confed-Cup sei "Dank", abermals nicht alle Spieler zur Verfügung. Aber das soeben gewonnene Double (Meisterschaft und Pokalsieg) verleiht neue Flügel! Man ist wieder wer. Der FC Bayern halt. So wie es sich gehört! Wenngleich auch, zumindest vorerst, nur auf nationaler Ebene.
Aber die Ziele sind da. Das Triple wollen sie holen. Soll heißen, dass neben der ohnehin bereits reservierten Meisterschaft und einem erneuten Pokalsieg auch der Gewinn der Champions League angestrebt wird. Immerhin ist man der FC Bayern. Der Kader ist Top, der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt spielt in den eigenen Reihen - da darf und muss man schon einmal derlei hohe Ansprüche anmelden.
Die Saison beginnt erfolgsversprechend. Neben den ersten Siegen fokusiert sich das Interesse der Medien auf das holländische Phantom. Makaay - Roy Makaay. Der Goalgetter, in den zwei Spielzeiten zuvor schon Erfolgs- und Torgarant, erzielt in den ersten drei Spielen gleich sechs Treffer. Ein neuer Gerd Müller? Die Medien meinen JA!
Doch sie irren. Binnen weniger Wochen wird aus dem neuen Bomber der Nation ein Tiefflieger, der zunehmend abtaucht. Egal! Bayern ist dennoch obenauf. Spielerisch zwar immer noch recht mau, dafür aber noch immer in der Erfolgsspur der Vorsaison. Die Konkurrenz wird in Schach gehalten. Leicht und locker. Alles andere wäre auch vermessen. Man konzentriert sich auf die Champions League. Das große Ziel. Dieses Jahr ist sie fällig. Der Pott muss und gehört (wieder) nach München.
Die ersten Auftritte sind verheißungsvoll. Das große Juve wird zuhause vorgeführt. Mann müsste mit drei oder vier Toren Unterschied gewinnen und würde sich endgültig in Europa zurückmelden. Am Ende wird es zwar nur ein Tor, aber immerhin - ein Sieg!
Das Rückspiel geht verloren, aber das AF winkt. Na also! Alles im Lot! In der Rückrunde wird man den wahren FC Bayern sehen! Es geht gegen Milan. Ein großer Gegner. Aber für den FC Bayern bestimmt nicht groß genug. Selbstvertrauen heißt die Devise. Mir san Mir! Ballack und Kollegen werden es schon richten. Irgendwie.
Das Hinspiel in der Allianz-Arena beginnt furios. Ballack, dem viele vorwerfen in wichtigen Spielen zu wenig Präsenz und Initiative zu zeigen/ergreifen, spielt groß auf. Zumindest in den ersten 15 Minuten. Seine Leistung krönt er mit einem Traumtor aus knapp 25 Metern. Alles wird gut! Oder?
In der Folgezeit bricht Bayern ein. Nichts gelingt mehr. Das Team wirkt verkrampft, verunsichert - der Trainer ratlos. Was ist los? Am Ende steht es 1:1 Unentschieden. Für die Bayern ein schlechtes Ergebnis. Aber noch ist nichts verloren. Kahn und Umfeld beschwören den Geist von Mailand 2001, mit welchem zuletzt die CL errungen werden konnte. Aussgen wie "Wir kommen hunderprozentig weiter", "Milan ist schlagbar", "Wir werden hochkonzentriert und engagiert zur Sache gehen", machen die Runde. Hoffnung und Zuversicht machen sich breit.
Das Rückspiel! Bayern beginnt zurückhaltend. Sehr zurückhaltend. Fast schon ein wenig verängstigt. Will und kann man so wirklich den großen AC Milan schlagen? Nein! Am Ende heißt es 1:4. Aus Sicht der Bayern noch ein schmeichelhaftes Ergebnis, dass weitaus höher hätte ausfallen können. Die Spieler wirken platt, orientierungs- und mutlos. Kaum einer erreicht Normalform. Was ist los?
Ein Erklärungsversuch:
Das Team verfügt schlichtweg nicht über die nötige Qualität um in der CL über das AF oder VF hinaus zu kommen.
Hier mangelt es primär gar nicht einmal an der spielerischen Qualität, denn vielmehr an der notwendigen Mentalität und dem Charakter der Mannschaft. So ist ein Ballack zwar zweifelsfrei einer der komplettesten und torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Welt - dafür aber nicht bzw. kaum in der Lage seinem Team, gerade in wichtigen, also meistens internationalen Spielen, die nötigen Impulse zu geben. Das haben, zuletzt, die Partien gegen die italienische Nationalmannschaft als auch gegen Milan eindeutig belegt und aufgezeigt. Er wollte, aber er konnte nicht.
Ballack braucht 1-2 starke (Führungs-) Spieler neben sich. Die ihn unterstützen und stärken. Nur dann kann er seine Stärken vollends ausspielen. Im aktuellen Bayern-Team sind diese nicht vorhanden. Besserung nicht in Sicht. Logische Konsequenz: Ballack verlässt den FC Bayern zum Saisonende.
Der Sturm wird seit über vier Jahren den hohen internationalen Ansprüchen nicht gerecht. Dies hängt zum einen mit dem andauernden Leistungstief Makaays und zum anderen mit der fehlenden Durchschlagskraft eines Pizarro zusammen. Darüber hinaus weist das Zusammenspiel zwischen Sturm und Mittelfeld teilweise erhebliche Defizite aus. Die Stürmer hängen, nicht selten, in der Luft, da eben kaum brauchbare/verwertbare Zuspiele kommen.
Kritik muss sich auch die Abwehr gefallen lassen. Gerade auf internationaler Ebene wirken Lucio und Ismael oftmals übermotiviert. Manchmal könnte man sogar den Eindruck gewinnen, dass sie überfordert sind. Ähnlich verhält es sich mit den beiden Außenpositionen. Sagnol war, ist und wird - bei aller spielerischen Extraklasse - immer ein Unsicherheitsfaktor bleiben. Das wiederhole und predige ich schon seit Jahren gebetsmühlenartig. Die linke Seite lässt seit 2001 die erforderliche Qualität komplett vermissen. Ob Lahm irgendwann in die Fußstapfen eines Lizarazu (zu seinen Bestzeiten) treten kann, ist derzeit mehr als fraglich. Spieler von internationalem Format sind jedoch rar gesät und zudem teuer. Ergo wird sich hier nur wenig ändern.
Darüber hinaus werfen aber auch das taktische Verständnis, die Motivations-, Argumentations- und Kritikfähigkeit (gerade wenn eben jene angebracht ist/wäre) des Trainers Fragen auf.
Nach knapp zwei Jahren ist es Magath noch immer nicht gelungen, dem Team (s)eine Handschrift zu verpassen. Gerade in brenzligen Situation wirkt die Bayern-Mannschaft, nicht selten, wie ein "aufgescheuchter Hühnerhaufen". Hier ist keine klare Ordnung/Hierarchie zu erkennen. Es fehlt an der klaren taktischen Ausrichtung. So hätte Bayern gestern Abend die Milan-Abwehr über die Flügel knacken sollen und müssen. Stattdessen wurde immer wieder, recht kläglich und erfolglos, versucht über die Mitte den Ball ins gegnerische Tor zu tragen. Angesichts der technisch nicht immer hochklassigen Fähigkeiten vieler Bayern-Akteure und der erstklassig besetzten Defensive der Mailander ein hoffnungs- und sinnloses Unterfangen. Realisiert hat dies, auf dem Platz, offensichtlich keiner. Warum es allerdings auch Magath nicht gelungen ist, dieses Fehlverhalten zumindest in Ansätzen zu korrigieren, wirft Fragen auf. Fragen, die in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden müssen.
Das aktuelle Team scheint den hohen internationalen Ansprüchen nicht genügen zu können. Soviel scheint inzwischen festzustehen. Jetzt gilt es zu klären, ob dies wenigstens bei und mit diesem Trainer der Fall ist.
RWG!