Das sich selbst ankratzende Denkmal
Geschrieben von Christian Spoo
Donnerstag, 28 Mai 2009
Hans Meyer verlässt Borussia, das ist grundsächlich nachvollziehbar. Meyer hatte eine Mission, die hieß Klassenerhalt. Der wurde erreicht, die Mission ist erfüllt.
Wäre das von Anfang an die Ansage und das erklärte Alleinziel gewesen, man würde dem Trainer für seine wahrlich große Leistung applaudieren, das Meyer-Denkmal zurück auf den Sockel stellen und womöglich noch vergolden. Verdient hätte er es allemal.
Der Verlauf der vergangenen Wochen und die in dieser Zeit gemachten Äußerungen aller Beteiligten lassen eine solche ausnahmslos positive Abschiednahme vom besten Trainer, den Borussia seit Hennes Weisweiler hatte, leider nicht zu.
War es bei Meyers erster Demission noch sehr fraglich, wer die Entscheidung zur Trennung nun letzten Endes getroffen hatte, besteht diesmal kein Zweifel: Der Trainer selbst hat entschieden und Zeitpunkt und Ablauf der Entscheidungsfindung tun nicht gut. Nicht dem Verein, der es offenbar gerne anders gehabt hätte, und nicht dem Image von Hans Meyer, der die Chance verpasst hat, Gladbach mit völlig weißer Weste zu verlassen. Hätte er seine Pläne unmittelbar nach dem letzten Spiel kundgetan, man hätte es ihm womöglich weniger verübelt.
Die Anhängerschaft reagiert uneinheitlich auf die heutigen Geschehnisse. Augenscheinlich war Hans Meyer bei der Mehrheit doch deutlich weniger gut gelitten als während seiner ersten Ägide von 1999 bis 2003. Der wenig attraktive, letztlich aber erfolgreiche Fußball, den die Mannschaft in dieser Saison spielte, machte denen wenig Freude, deren Fußballbild von Barcelona- oder Premier-League-Übertragungen bei Premiere geprägt ist. Die unsäglichen Hetzkampagnen des Boulevard befeuerten den Unmut der Ungeduldigen nach Kräften. Meyer wurde vielfach nicht mehr geliebt, sondern nur noch geachtet. Das war vor etwas mehr als sechs Jahren anders.
Das Sperrfeuer der Sensationspresse, die gekränkte Eitelkeit der journalistischen Platzhirsche, sie haben Meyer das Leben in Mönchengladbach sicher nicht erleichtert. Überbewerten sollte man das aber nicht. Man sollte Hans Meyer die Größe und Souveränität zugestehen, sich über diese Menschen und über so manchen von keinerlei Fachkenntnis, aber umso größerer Boshaftigkeit geprägten Text geärgert zu haben, ohne aber seine Entscheidung davon beeinflussen zu lassen.
Was Meyer tatsächlich bewogen hat, seinen Vertrag bei Borussia aufzulösen, werden wir vermutlich nie erfahren, beschränken wir uns beim Spekulieren auf das, was er selbst dazu zu sagen hatte.
Das Altersargument, von Meyer selbst ins Feld geführt, ist wenig überzeugend. Er selbst gab mitten im fast aussichtslos erscheinenden Abstiegskampf zu Protokoll, im Fall des Klassenerhaltes noch ein Jahr weitermachen zu wollen. Sein Alter dürfte ihm zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen sein. Das alles lässt seine heutige Einlassung, mit 67 keine Mannschaft mehr aufbauen und nichts Produktives mehr einbringen zu können, mehr als hohl klingen.
Hans Meyer hat seit seinem Wiedereinstieg bei Borussia duchaus eine Art Aufbau begonnen, hat Spieler aussortiert und andere geholt, um seine Vorstellungen von einer bundesligatauglichen Mannschaft umzusetzen. Dass dabei bis auf Tomas Galasek Spieler verpflichtet wurden, die deutlich mehr sind (und teurer waren), als Notstopfen, ist deutlich. Auch die Änderungen im Umfeld der Mannschaft, die der Trainer veranlasst hat, lassen vermuten, dass er nicht stets den Abgang zum Saisonende im Auge hatte.
Zudem ist Meyer dem Vernehmen nach bis dato an den Planungen für die kommende Saison in nicht geringem Maße beteiligt gewesen. Aus allen Äußerungen von Präsidium und vom Sportdirektor und aus allem, was im Umfeld zu hören war, geht hervor, dass Borussia davon ausging, mit Hans Meyer weitermachen zu können.
So muss man Meyer bescheinigen, dass er ein halbfertiges Werk hinterlässt. Die Mannschaft ist nach seinem Gusto verstärkt und ergänzt worden. Ein neuer Trainer hat, selbst wenn die Verantwortlichen das im Vorfeld einer Verpflichtung sicher abzuklären versuchen werden, wieder andere Vorstellungen: andere Typen, mit denen er klar kommt, andere Lösungsansätze für eventuelle Probleme, womöglich sogar ein anderes Spielsystem und anderen Personalbedarf.
Bei aller Kritik dürfen die Borussenfans natürlich nicht vergessen: Hans Meyer hat Großes für Borussia geleistet. Ohne ihn würden wir heute Abend bestenfalls zitternd im Borussia-Park das erste Relegationsspiel verfolgen, vermutlich wären wir aber schon mit der Diskussion um die Neuverpflichtungen für die kommende Zweitligasaison beschäftigt.
Danken wir Hans Meyer herzlich für das Geleistete, es wird ihm nicht vergessen. Geben wir ihm aber mit auf den Weg, dass wir uns den Abschied anders vorgestellt hätten.
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