Hasenzüchter muss man sein ...

Mr.Fair

(Sch)Lagersänger
Wer es bis jetzt noch nicht wusste ... :floet: ... die SÜDDEUTSCHE ist dem Geheimnis um Ede Becker auf die Spur gekommen ... :mahnen: :zwinker3:

Aber lest selbst ...



Der therapierende Hasenzüchter
20.10.07 00:00
Erst weigerte sich Edmund Becker beim KSC Cheftrainer zu werden, nun ist er der Vater des Aufschwungs



Edmund Becker hat alles richtig gemacht. Er hat sich vor der Saison einen glänzenden Kader ausgesucht, 20 Akteure. Hat genau gemerkt, wer das Potenzial besitzt, zu gewinnen, und wer nicht. Hat erforscht, wer zu wem passt, und hat diese dann miteinander spielen lassen. Er hatte das richtige Gespür, und am Ende war es tatsächlich vollbracht: Edmund Becker wurde Kreismeister der Hasenzüchter. Vor mehr als 30 Jahren.

Seitdem hat sich einiges verändert in seinem Leben. Becker, 51, ist vom Hasenzüchter zum Fußballtrainer aufgestiegen, aber im Grunde macht er noch das Gleiche: "Beim Züchten wie als Trainer muss man sich die besten Tiere raussuchen", erklärt Becker. Es verdichten sich die Anzeichen, dass er sich auch diesmal einen vortrefflichen Bestand herangezüchtet hat:Der KSC steht auf dem zweiten Tabellenplatz der Bundesliga, hat sechs von neun Spielen gewonnen, die letzten drei ohne Gegentor. Seit zehn Jahren ist kein Aufsteiger mehr so gut in die Runde gestartet. Vor der Länderspielpause haben die Karlsruher sogar den Titelanwärter Schalke besiegt, und anschließend merkte Spielmacher Tamas Hajnal kleinlaut an, dass es ihm so langsam "unheimlich werde".

Eine Art Recycling-Mannschaft

Am meisten ist sich Hajnal wohl selbst unheimlich, weil er so unheimlich geschickt Regie führt im Karlsruher Spiel und so unheimlich glänzende Vorlagen gibt. Überhaupt scheinen sich einige Spieler im Kader von Edmund Becker selbst nicht mehr zu erkennen, weil sie besser spielen, als sie eigentlich können. Mario Eggimann beispielsweise wurde lange als zu schlecht für die zweite Liga beschimpft und hält jetzt eine Bundesligaabwehr zusammen, Bradley Carnell ist anf der linken Seite erblüht, nachdem er in Mönchengladbach zuletzt nur auf der Bank gesessen hatte. Und Gottfried Aduobe wurde aus Rostock verjagt, weil man ihm nichts mehr zutraute.

Der KSC ist eine Art Recycling-Mannschaft aus Spielern, die bei ihren vorigen Vereinen gescheitert sind. Andere konnte sich der Klub mit dem geringsten Etat der Liga und einem großen Schuldenberg nicht leisten, aber aus der Geldnot haben sie in Baden längst eine Tugend gemacht und sich zu einer Art Kurort für kriselnde Kicker entwickelt. "Vielleicht liegt es an der Luft", sagt Kurdirektor Becker, aber vielleicht liegt es auch an Becker selbst. "Er ist unglaublich menschlich, spricht viel und lange mit jedem Spieler und gibt jedem das Gefühl, wichtig zu sein", erklärt Maik Franz.

Eine solche Fürsorge lässt sich nur garantieren, wenn die Zahl der Patienten überschaubar bleibt, auch da kam dem KSC zugute, dass er quasi pleite ist: "Wir konnten gar nicht mehr Spieler bezahlen", sagt Becker, der den kleinsten Kader der Bundesliga mit 21 Akteuren unterhält, "und so kann ich mich um jeden kümmern." Mit bewundernswerten Therapieerfolgen: "Viele von uns waren mental am Boden, er hat uns mit seinem Verständnis wieder aufgerichtet", sagt Eggimann. Manager Rolf Dohmen feiert den Trainer als "Glücksfall für den Verein und die ganze Region."

Becker gilt in Karlsruhe als Vater des rapiden Aufschwungs, im Grunde gibt es nur einen im ganzen Badnerland, der immer noch an ihm zweifelt. Dieser Herr mit der Stoppelfrisur wollte schon vor zweieinhalb Jahren nicht, dass Becker Cheftrainer in Karlsruhe wird, er hielt ihn für ungeeignet und stemmte sich mit aller Macht gegen die Beförderung. Am Ende aber wurde er überstimmt, Becker ist heilfroh darüber, denn der Herr mit der Stoppelfrisur war er selbst.

"Ich hatte zu oft erlebt, wie Trainer gefeuert wurden, und ich glaubte, dass ich für diesen Job nicht gemacht sei", erklärt Becker. Ein Trainer, der andere für besser hält, das war in Karlsruhe etwas ganz Neues und vermutlich der letzte nötige Beweis dafür, dass sie diesmal den Richtigen ausgewählt hatten. Einen, der nicht abhebt, der zum Verein passt und das Karlsruher Umfeld kennt, einer mit Stallgeruch, und davon hat Becker mehr als der Stall selbst. Seit 30 Jahren ist er im Verein, erst als Amateur-, dann als Co-Trainer, er ist die lebende Erinnerung an die schönen Zeiten in den 90er Jahren. Und selbst für jene Nacht, die den Verein veränderte, ist Becker der beste Zeitzeuge: Beim 7:0 im Uefa-Cup gegen Valencia saß er auf der Bank, weil der Boss Winfried Schäfer gesperrt war.

Dieser Sieg war der Anfang vom Ende, in Baden zog eine Hybris ein, und niemand merkte es, weil die Hybris den schicken Namen "KSC 2000" trug. Im Jahr 2000 wollte man Meister werden - im Jahr 2000 stieg der KSC in die Regionalliga ab. "Die Zeit damals sollte allen eine Warnung sein", sagt Becker, "und ein Zeichen, dass man sich nur Ziele setzten darf, die man auch erreichen kann."

Becker ist Badener, durch und durch, er ist nur wenige Kilometer vom Wildpark aufgewachsen, spricht in badischem Singsang und mit badischem Satzbau ("Der Job ist schön, obwohl dass er nicht einfach ist"), und er kennt den badischen Hang zur Ekstase. "Viele", sagt er, "wollen jetzt, dass wir unser Saisonziel schon nach oben korrigieren." Soweit wird es aber nicht kommen, denn während die einen träumen, können die anderen nicht mal schlafen. Zu sehr belasten der Streit mit der Stadt Karlsruhe um den geplanten Stadionumbau und der vor sieben Jahren geschlossene Vertrag mit dem Unternehmer Kölmel, der den KSC damals vor dem Bankrott rettete, nun aber 15 Prozent der Fernsehgelder beansprucht.

"Nur eine Momentaufnahme"

Und auch sportlich wird es wieder bergab gehen, irgendwann. "Das alles ist wunderschön, aber trotzdem nur eine Momentaufnahme", sagt Becker. Noch weiß niemand, wie die Mannschaft nach einer Serie von Niederlagen reagiert. "Wie gut mein Team wirklich ist", warnt der Trainer, "wird sich erst zeigen, wenn wir mal in einer Krise stecken." Dann kann er nicht mal auf seine Erfahrungen aus der Kleintierzucht zurückgreifen. "Wenn ein Hase mal nicht funktioniert hat, kam er in den Kochtopf", sagt Becker, "mit meinen Spielern geht das nicht."


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