Höllenritt mit Happy-End

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Bert van Marwijk führt Dortmund langsam wieder zurück nach oben


Als Bert van Marwijk nach dem 1:1 gegen Bielefeld geknickt über das späte Ausgleichstor der Arminia in die Kabine geht, stimmt die Südtribüne des Westfalenstadions beinahe freundschaftlich ein Lied mit seinem Namen an. Dortmunds Trainer nahm einen langen Anlauf, bis er beim BVB das Glück fand.

"Er hat ein kleines Wunder geschafft", findet Dortmunds Großaktionär Florian Homm. Lob hört van Marwijk gern. Aber von Homm? "Das nehme ich zur Kenntnis, aber einen Kommentar habe ich dafür nicht", sagt van Marwijk. Fünf Monate ist es her, da hatte Homm noch vehement einen Trainerwechsel gefordert.

"Im Fußball ist das so", sagt der niederländische Fußballehrer nun, und er lächelt sogar dabei. "In schlechten Zeiten zweifelt man an jedem Wort, das ich sage. In guten Zeiten heißt es grundsätzlich: Er hat recht." Am Ende doch alles richtig gemacht. Je länger die Saison dauert, desto näher rückt van Marwijk diesem Fazit.

Als "Holland-Berti" von "Bild" nicht ganz ohne Spott empfangen, durchlebte Bert van Marwijk mit der Borussia einen wahren Höllenritt. In "Bert van Weichei" wurde er umgetauft, weil er sich vom suspendierten Lars Ricken öffentlich hatte attackieren lassen. Wirtschaftlicher Kollaps, ein gestürzter Präsident, gefeuerter Manager, eine Mannschaft auf Talfahrt. Zweite Liga, Niemandsland, wohin es die Borussia 2005 verschlagen würde, war ungewiß. Sicher schien nur eines: nicht zurück in den europäischen Fußball.

Nun steht Dortmund auf Rang acht und kann wohl immerhin am UI-Cup teilnehmen. Und Van Marwijk, der ist in. Es hagelt Lob, sogar Ehrenerklärungen wie zuletzt von Dr. Reinhard Rauball, dem neuen Präsidenten. "Das ist schön. Aber es interessiert mich eigentlich nicht", sagt van Marwijk. "Für mich ist es viel wichtiger, daß mir vom Verein in schwierigen Zeiten das Gefühl gegeben worden ist, daß man mir vertraut."

Er spricht vom Verein und meint damit die Anhänger. Sie hätten "auch in schlechten Zeiten immer hinter der Mannschaft und mir gestanden. So etwas habe ich noch nicht erlebt", so van Marwijk.

Was wäre wohl gewesen, hätte die Borussia in der Winterpause die finanziellen Mittel gehabt, einen neuen Trainer zu verpflichten? Die Vorwürfe an van Marwijk damals: Er lasse zu wenig trainieren, die Mannschaft sei nicht fit, sein Spielsystem für den BVB nicht geeignet. Stur blieb van Marwijk seiner Linie treu. Heute sagt er: "Wenn es nicht läuft, und man ändert etwas, kann es zwar sein, daß es kurzfristig hilft. Wenn es dann aber wieder schlecht läuft, ist das Vertrauen der Spieler weg. Und damit auch schnell das Vertrauen in den Trainer."

Van Marwijk dachte auch in der für ihn schwersten Zeit nie daran aufzugeben. "Das hätte man mir gern in den Mund legen wollen", sagt der ehemalige Trainer von Feyenoord Rotterdam jedoch. Für ihn war und ist es eine Charakterfrage, sich der Verantwortung zu stellen. "Nicht die äußeren Umstände sind das Wichtigste", sagt er, "sondern das Gefühl für die Mannschaft. Und das war von Anfang an sehr gut."

Der Unterschied zur Hinrunde sei einfach zu erklären. Die Spieler würden jetzt für gute Leistungen mit guten Ergebnissen belohnt. Nichts klingt märchenhafter als Fußballweisheiten.

Im Gegensatz zu seinem Landsmann Dick Advocaat, der in Mönchengladbach sieben neue Spieler gefordert und tatsächlich auch bekommen hat, blieb van Marwijk auf dem sitzen, das er als Team bekam. "Ich bin kein Trainer, der zum Präsidenten geht, wenn sein Stürmer nicht funktioniert und sagt: Ich brauche einen neuen", sagt er. "Wenn es nicht geht, geht es nicht. Dann versuche ich alles, damit mein Stürmer gut funktioniert. Das ist immer schon meine Herausforderung als Trainer gewesen."

Neue Spieler holte er woanders her: Aus dem Nachwuchs- und Amateurbereich. Oder von der Tribüne. Markus Brzenska, 20, und Marc-André Kruska, 17, baute er in die Mannschaft ein, beim suspendierten Ricken sprang er über seinen Schatten und holte ihn zurück. Van Marwijk steht für den Weg aus der Krise. Vielleicht wie kein Zweiter beim BVB. Er steht für Kontinuität, ein Schlüssel zum Erfolg, wie er sagt. Gerade in Dortmund, wo im Umfeld zuletzt kaum etwas berechenbar war. "Die Jungs müssen sich an etwas festhalten und orientieren können."

Bert van Marwijk hat erstaunlich schnell gelernt, mit den Dortmunder Problemen zu leben. Er zieht sogar Kraft daraus: "Wenn wir diese Situation überstehen, dann hat Dortmund auch etwas gewonnen", sagt er. An eine Perspektive des ehemaligen Weltpokalsiegers glaubt er nach wie vor: "Ich vertraue dieser Mannschaft. Und sie wird auch in der kommenden Saison nicht schlechter sein." Ob mit oder ohne Spielmacher Tomás Rosicky, wichtig seien keine Namen, sondern eine Mannschaft wachsen zu lassen. Ob das ausreicht, um schon im kommenden Spieljahr international dabeisein zu können, weiß auch van Marwijk nicht. "Aber ich denke, es ist eine Herausforderung, mit dieser Mannschaft weiter zu arbeiten." Oliver Müller
Artikel erschienen am 17. April 2005 © WAMS.de


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Hab mir mal erlaubt, den Artikel 1:1 aus dem westline-Forum herauszukopieren. Denke, das ist ein überaus gelungenes Resümee der letzten 9 Monate Bert van Marwijk's als Trainer in Dortmund. Daher sollte das keinem vorenthalten bleiben. :zwinker3:
 
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