S
s04rheinland
Guest
Neue Ruhr/Rhein Zeitung NRZ, 19.01.2005
"Siegprämien auf Eis gelegt"
FUSSBALL / Andreas Müller erklärt die Schalker Gehaltsstruktur. Einen Teil des Gelds gibt´s erst ab Tabellenplatz fünf.
GELSENKIRCHEN. Frank Rost klopft an die Tür, will aber später wieder reinschauen, Rudi Assauer ist auf dem Sprung zu einem Sponsor. Unten traben die letzten Spieler vom Trainingsrasen, oben im Büro von Andreas Müller riecht es verdächtig nach Arbeit. Auf Schalke geben sie Gas, immerhin startet der Klub im ersten Heimspiel nach der Winterpause am Samstag gegen den Meister aus Bremen. Schwierig genug, aber auch wirtschaftlich setzt sich der Tabellenzweite ehrgeizige Ziele.
NRZ: Florian Homm sagte neulich abfällig über Michael Zorc, er sei der teuerste Mannschaftsbetreuer der Bundesliga. Sind Sie der zweitteuerste?
Andreas Müller: Nein.
NRZ: Aber auf Schalke spricht alles nur von Assauer und Rangnick. Worin liegt denn Ihr Anteil am Aufschwung? Vielleicht darin, dass Sie deren Arbeit nicht gestört haben?
Müller: Ich habe immer wieder gesagt: Wir entscheiden im sportlichen Bereich alle Dinge gemeinsam. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens zwei Stunden mit Rudi Assauer spreche. Er hat mir nach der aktiven Laufbahn die Chance gegeben, ins Management reinzuriechen. Dafür bin ihm dankbar, aber inzwischen bin ich raus aus der Lehrlingsphase.
NRZ: Dennoch: Besitzt Schalke nicht einen viel zu großen Wasserkopf auf der Entscheidungsebene?
Müller: Das glaube ich kaum. Einer allein kann die Arbeit gar nicht mehr bewältigen. Schalke hat mittlerweile 180 bis 190 Angestellte - ohne die Lizenspieler wohlgemerkt.
NRZ: Trotzdem noch einmal: Was haben Sie selbst denn in den letzten Monaten gemacht?
Müller: Ich bin nicht der Typ, den es ständig in die erste Reihe drängt, um dort den Lorbeer abzuholen. Aber ich muss mein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen. Die Transfers von Bordon, Kristajic, Ailton oder Lincoln wurden mehr oder weniger von mir über die Bühne gebracht. Das gilt in diesem Jahr auch für die Verpflichtung von Fabian Ernst.
NRZ: Wirklich beeindruckende Namen. Wieviel haben diese Spieler eigentlich zur angestrebten Reduzierung des Gehalt-etats beigetragen? Wenn wir richtig informiert sind, wollten Sie den Etat von 44 Millionen Euro auf 39 Millionen senken.
Müller: Stimmt ungefähr. Allerdings liegt der Etat bereits unter 38 Millionen Euro. Unser Ziel und unsere Vorgabe sind jedoch noch ehrgeiziger. Sie liegen bei 36 Millionen.
NRZ: Und das erreichen Sie dadurch, dass Sie Stars auf Teufel komm´ raus verpflichten...
Müller: Wir verpflichten nicht auf Teufel komm´ raus, sondern mit Sinn und Verstand. Wir haben mit Ausnahme von Bordon zum Beispiel keinen einzigen Spieler verpflichtet, der Ablösesumme kostete. Die viel diskutierte Schechter-Anleihe wurde allein für Steine und für die Umschichtungen alter Transfer-Verbindlichkeiten benutzt. Die Gehaltszahlungen erledigen wir aus dem laufenden Etat.
NRZ: Okay, also noch einmal genau: Welchen Beitrag leistet beispielsweise Fabian Ernst zur Reduzierung des Gehalt-Etats?
Müller: Natürlich haben wir einige hochkarätige Spieler verpflichtet, aber wir haben unseren Kader auch abgespeckt und einschließlich Jörg Böhme elf oder zwölf Profis abgegeben. Der Kader ist billiger geworden und qualitativ besser.
NRZ: Verbessert haben Sie sich auch auf der Trainerposition. Es heißt, Sie hätten maßgeblichen Anteil an der Verpflichtung von Ralf Rangnick.
Müller: Das ist richtig.
NRZ: Andererseits wäre der seinerzeit arbeitslose Rangnick wohl auch gekommen, wenn der Platzwart ihn angerufen hätte..?
Müller: Darum geht es doch gar nicht. Ich habe Rangnick jahrelang im Auge gehabt. Als ich dann hier meinen Vorschlag machte, hieß es doch sofort: Assauer und Rangnick, das geht nicht. Ich habe Überzeugungsarbeit leisten müssen und dem Manager zwei, drei Wochen in den Ohren gelegen. Dann habe ich gesagt: Laden wir ihn doch mal zum Gespräch ein, damit bricht sich keiner einen Zacken aus der Krone. Und beim ersten Treffen spürten wir dann sofort die gleiche Wellenlänge.
NRZ: Wird Rangnick denn auch an den Gehaltsverhandlungen mit den Spielern teilnehmer, wie bei Hannover 96?
Müller: Das wird er nicht, und das will er auch gar nicht, weil er hier viel professionellere Strukturen hat. Das läuft bei uns ganz anders. Rangnick sagt uns: Diesen oder jenen will ich haben. Ob das wirtschaftlich machbar ist, müsst ihr im Management entscheiden.
NRZ: Womit wir wieder bei den hohen Gehältern wären...
Müller: Wenn man alles dementiert, glaubt einem sowieso niemand. Aber ich will Ihnen an dieser Stelle grundsätzlich was sagen. Wir haben auf meinen Vorschlag hin die Gehalt-struktur völlig umgestellt. Die Einsatzprämie gibt es jetzt nur noch für Spiele, in denen mindestens ein Punkt geholt wurde. Ansonsten gibt es nichts.
NRZ: Auch nicht für die Stars?
Müller: Auch nicht für die Stars. Die Summen sind natürlich verschieden, aber die Zusammensetzung ist bei allen gleich: Ein Drittel Grundgehalt, ein Drittel Siegprämien und ein Drittel besagte Einsatzprämie.
NRZ: Das sollen wir glauben?
Müller: Das ist mir scheißegal. Mir reicht es, wenn ich weiß, was wir tun. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel gar keine Siegprämie bezahlt, weil wir nicht unter den ersten Fünf waren. Und in diesem Jahr gab es bisher auch noch nichts.
NRZ: Wie bitte?
Müller: Wir zahlen erst am Ende, wenn wir unter den ersten Fünf sind. Das ist es ja, was die Leute draußen nicht verstehen. Es geht nicht immer nur um Geld. Nach der Kirch-Krise haben wir die Regelung mit dem Spielerrat ausgemacht. Damals kamen die Jungs zu mir und sagten: Wir tragen das mit.
NRZ: Trotzdem: Wird die Kluft zwischen den Stars und den Fans nicht immer größer?
Müller: Nicht bei uns.
NRZ: Wirklich? Manchmal meint man, von VIPs umzingelt zu sein. Gibt es denn auch noch die Ernst Kuzorra-Fraktion?
Müller: Klar. Das ist die Basis, das Wichtigste. Bei jedem Vertragsgespräch, stellen wir neue Spieler darauf ein. Noch ehe wir über Geld reden, fragen wir, ob sie sich klar darüber sind, was auf sie zu kommt. Wir erklären ihnen, dass Schalke offenes Gelände ist. Die Fans fassen euch an, machen Fotos, wollen Autogramme und mit euch sprechen. Das darf nicht verloren gehen.
NRZ: Kurz zur Partie gegen Werder. Ist das schon der Knackpunkt für die Saison?
Müller: Danach kommen noch 16 Spiele. Aber es wäre natürlich ein schönes Signal, wenn wir da beginnen, wo wir aufgehört haben.
NRZ: Die unwichtigste Frage zum Schluss: Wer wird eigentlich Deutscher Meister?
Müller: Ich hoffe Schalke.
19.01.2005 HANNES FRITSCHE
"Siegprämien auf Eis gelegt"
FUSSBALL / Andreas Müller erklärt die Schalker Gehaltsstruktur. Einen Teil des Gelds gibt´s erst ab Tabellenplatz fünf.
GELSENKIRCHEN. Frank Rost klopft an die Tür, will aber später wieder reinschauen, Rudi Assauer ist auf dem Sprung zu einem Sponsor. Unten traben die letzten Spieler vom Trainingsrasen, oben im Büro von Andreas Müller riecht es verdächtig nach Arbeit. Auf Schalke geben sie Gas, immerhin startet der Klub im ersten Heimspiel nach der Winterpause am Samstag gegen den Meister aus Bremen. Schwierig genug, aber auch wirtschaftlich setzt sich der Tabellenzweite ehrgeizige Ziele.
NRZ: Florian Homm sagte neulich abfällig über Michael Zorc, er sei der teuerste Mannschaftsbetreuer der Bundesliga. Sind Sie der zweitteuerste?
Andreas Müller: Nein.
NRZ: Aber auf Schalke spricht alles nur von Assauer und Rangnick. Worin liegt denn Ihr Anteil am Aufschwung? Vielleicht darin, dass Sie deren Arbeit nicht gestört haben?
Müller: Ich habe immer wieder gesagt: Wir entscheiden im sportlichen Bereich alle Dinge gemeinsam. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens zwei Stunden mit Rudi Assauer spreche. Er hat mir nach der aktiven Laufbahn die Chance gegeben, ins Management reinzuriechen. Dafür bin ihm dankbar, aber inzwischen bin ich raus aus der Lehrlingsphase.
NRZ: Dennoch: Besitzt Schalke nicht einen viel zu großen Wasserkopf auf der Entscheidungsebene?
Müller: Das glaube ich kaum. Einer allein kann die Arbeit gar nicht mehr bewältigen. Schalke hat mittlerweile 180 bis 190 Angestellte - ohne die Lizenspieler wohlgemerkt.
NRZ: Trotzdem noch einmal: Was haben Sie selbst denn in den letzten Monaten gemacht?
Müller: Ich bin nicht der Typ, den es ständig in die erste Reihe drängt, um dort den Lorbeer abzuholen. Aber ich muss mein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen. Die Transfers von Bordon, Kristajic, Ailton oder Lincoln wurden mehr oder weniger von mir über die Bühne gebracht. Das gilt in diesem Jahr auch für die Verpflichtung von Fabian Ernst.
NRZ: Wirklich beeindruckende Namen. Wieviel haben diese Spieler eigentlich zur angestrebten Reduzierung des Gehalt-etats beigetragen? Wenn wir richtig informiert sind, wollten Sie den Etat von 44 Millionen Euro auf 39 Millionen senken.
Müller: Stimmt ungefähr. Allerdings liegt der Etat bereits unter 38 Millionen Euro. Unser Ziel und unsere Vorgabe sind jedoch noch ehrgeiziger. Sie liegen bei 36 Millionen.
NRZ: Und das erreichen Sie dadurch, dass Sie Stars auf Teufel komm´ raus verpflichten...
Müller: Wir verpflichten nicht auf Teufel komm´ raus, sondern mit Sinn und Verstand. Wir haben mit Ausnahme von Bordon zum Beispiel keinen einzigen Spieler verpflichtet, der Ablösesumme kostete. Die viel diskutierte Schechter-Anleihe wurde allein für Steine und für die Umschichtungen alter Transfer-Verbindlichkeiten benutzt. Die Gehaltszahlungen erledigen wir aus dem laufenden Etat.
NRZ: Okay, also noch einmal genau: Welchen Beitrag leistet beispielsweise Fabian Ernst zur Reduzierung des Gehalt-Etats?
Müller: Natürlich haben wir einige hochkarätige Spieler verpflichtet, aber wir haben unseren Kader auch abgespeckt und einschließlich Jörg Böhme elf oder zwölf Profis abgegeben. Der Kader ist billiger geworden und qualitativ besser.
NRZ: Verbessert haben Sie sich auch auf der Trainerposition. Es heißt, Sie hätten maßgeblichen Anteil an der Verpflichtung von Ralf Rangnick.
Müller: Das ist richtig.
NRZ: Andererseits wäre der seinerzeit arbeitslose Rangnick wohl auch gekommen, wenn der Platzwart ihn angerufen hätte..?
Müller: Darum geht es doch gar nicht. Ich habe Rangnick jahrelang im Auge gehabt. Als ich dann hier meinen Vorschlag machte, hieß es doch sofort: Assauer und Rangnick, das geht nicht. Ich habe Überzeugungsarbeit leisten müssen und dem Manager zwei, drei Wochen in den Ohren gelegen. Dann habe ich gesagt: Laden wir ihn doch mal zum Gespräch ein, damit bricht sich keiner einen Zacken aus der Krone. Und beim ersten Treffen spürten wir dann sofort die gleiche Wellenlänge.
NRZ: Wird Rangnick denn auch an den Gehaltsverhandlungen mit den Spielern teilnehmer, wie bei Hannover 96?
Müller: Das wird er nicht, und das will er auch gar nicht, weil er hier viel professionellere Strukturen hat. Das läuft bei uns ganz anders. Rangnick sagt uns: Diesen oder jenen will ich haben. Ob das wirtschaftlich machbar ist, müsst ihr im Management entscheiden.
NRZ: Womit wir wieder bei den hohen Gehältern wären...
Müller: Wenn man alles dementiert, glaubt einem sowieso niemand. Aber ich will Ihnen an dieser Stelle grundsätzlich was sagen. Wir haben auf meinen Vorschlag hin die Gehalt-struktur völlig umgestellt. Die Einsatzprämie gibt es jetzt nur noch für Spiele, in denen mindestens ein Punkt geholt wurde. Ansonsten gibt es nichts.
NRZ: Auch nicht für die Stars?
Müller: Auch nicht für die Stars. Die Summen sind natürlich verschieden, aber die Zusammensetzung ist bei allen gleich: Ein Drittel Grundgehalt, ein Drittel Siegprämien und ein Drittel besagte Einsatzprämie.
NRZ: Das sollen wir glauben?
Müller: Das ist mir scheißegal. Mir reicht es, wenn ich weiß, was wir tun. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel gar keine Siegprämie bezahlt, weil wir nicht unter den ersten Fünf waren. Und in diesem Jahr gab es bisher auch noch nichts.
NRZ: Wie bitte?
Müller: Wir zahlen erst am Ende, wenn wir unter den ersten Fünf sind. Das ist es ja, was die Leute draußen nicht verstehen. Es geht nicht immer nur um Geld. Nach der Kirch-Krise haben wir die Regelung mit dem Spielerrat ausgemacht. Damals kamen die Jungs zu mir und sagten: Wir tragen das mit.
NRZ: Trotzdem: Wird die Kluft zwischen den Stars und den Fans nicht immer größer?
Müller: Nicht bei uns.
NRZ: Wirklich? Manchmal meint man, von VIPs umzingelt zu sein. Gibt es denn auch noch die Ernst Kuzorra-Fraktion?
Müller: Klar. Das ist die Basis, das Wichtigste. Bei jedem Vertragsgespräch, stellen wir neue Spieler darauf ein. Noch ehe wir über Geld reden, fragen wir, ob sie sich klar darüber sind, was auf sie zu kommt. Wir erklären ihnen, dass Schalke offenes Gelände ist. Die Fans fassen euch an, machen Fotos, wollen Autogramme und mit euch sprechen. Das darf nicht verloren gehen.
NRZ: Kurz zur Partie gegen Werder. Ist das schon der Knackpunkt für die Saison?
Müller: Danach kommen noch 16 Spiele. Aber es wäre natürlich ein schönes Signal, wenn wir da beginnen, wo wir aufgehört haben.
NRZ: Die unwichtigste Frage zum Schluss: Wer wird eigentlich Deutscher Meister?
Müller: Ich hoffe Schalke.
19.01.2005 HANNES FRITSCHE