Siegen-Fans keine Terrorgefahr in OF

AG Offenbach a.M.: Beißende Rauhaardackel NJOZ 2005 Heft 2 185keine terroristische „Dackel“-Vereinigung


Beißende Rauhaardackel keine terroristische „Dackel“-Vereinigung

BGB §§ 830, 833; StGB §§ 25 II, 129a

1. Es kann offen bleiben, ob drei Rauhhaardackel möglicherweise als Mittäter entsprechend §
830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem Beißentschluss gemeinschaftlich handeln.

2. Beim Beißen mehrerer Rauhhaardackel scheidet eine terroristische „Dackel“-Vereinigung
gem. § 129a StGB jedenfalls aus, weil durch das Beißen keine der genannten Katalogstraftaten
verwirklicht ist.

3. Zu den Voraussetzungen der „Dackel-Nothilfe“ im Falle von Tritten gegen ein Mitglied einer
Dackel-Großfamilie. (Leitsätze der Redaktion)
AG Offenbach a.M., Urteil vom 22. 5. 2002 - 39 C 6315/96

Zum Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von der Bekl. Schadenersatz und Schmerzensgeld. Hierzu trägt er vor, von den drei Rauhhaardackeln der
Bekl. gebissen worden zu sein. Die Bekl. wendet ein, eine Tierhalterhaftung scheide aus, weil der Kl. einen der Dackel zuvor
getreten habe, so dass sich die anderen Tiere, die Tochter und Enkelin der getretenen Tiermutter seien, im Wege der
„Nothilfe“ veranlasst gesehen hätten, ihrer Dackelverwandten zu helfen. Mit Beschluss vom 22. 4. 2002 hat das Gericht auf
Folgendes hingewiesen:

„I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dieses absolut ätzende ‚Horrorverfahren´ bereits seit mehr als 1½ Jahren das
AG beschäftigt und sämtliche Dimensionen eines amtsgerichtlichen Verfahrens sprengt; der Umfang von bisher 240 Seiten
übersteigt schon ein normales OLG-Verfahren; die Parteien reichen ständig neue Schriftsätze ein, insoweit steht es inzwischen

16:11 für den Kl. Dadurch wird dem Gericht jede Möglichkeit einer endgültigen, zeitaufwendigen Durcharbeit dieser
entsetzlichen Akte und für die Absetzung einer Entscheidung genommen.
Da die Sache nun wahrlich exzessiv ausgeschrieben ist, wird höflich darum gebeten, von weiteren Schriftsätzen Abstand zu
nehmen, mit Ausnahme von konstruktiven Vergleichsvorschlägen, die allein noch sinnvoll wären. …



Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Bekl. haftet als Tierhalterin gem. § 833 BGB auf Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe, weil
zwischen den Parteien nicht ernsthaft im Streit ist, dass einer der Rauhhaardackel der Bekl. den Kl.
gebissen hat. Das Gericht lässt es hier ausdrücklich offen, ob die drei Rauhhaardackel möglicherweise
als Mittäter entsprechend § 830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem Beißentschluss
gemeinschaftlich gehandelt haben, dies ist jedenfalls nicht streitentscheidend. So scheidet jeweils eine
terroristische „Dackel“-Vereinigung gem. § 129a StGB aus, weil keine der genannten Katalogstraftaten verwirklicht ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Dackel
insgesamt eine Großfamilie bilden, immerhin handelt es sich um Mutter, Tochter und Enkelin, es
besteht also durchaus eine enge verwandtschaftliche Beziehung, der Solidarisierungseffekt ist groß. Das
Gericht vermochte aber nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass Dackeltochter und
Dackelenkelin im Wege der Dackel-„Nothilfe“ ihrer angeblich angegriffenen Dackelmutter bzw. -oma
zu Hilfe kommen wollten, um diese vor den von der Bekl. behaupteten Tritten des Kl. mit beschuhtem
Fuß zu schützen. Insoweit konnte auch kein - zwingend erforderlicher - Verteidigungswille bei den
beiden jüngeren Dackeln festgestellt werden. Auch für Sippenhaftgedanken bzw. Blutrache haben sich
keine genügenden Anhaltspunkte ergeben. Insgesamt hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung
des Gerichts ergeben, dass hier eine Provokation seitens des Kl. vorlag. Die vernommenen Zeugen
haben teilweise den eigenen Vortrag der Bekl. so nicht bestätigt, teilweise haben sie auch nur auf Grund
von Belllauten das Geschehen mitbekommen, sind also analog bei Verkehrsunfällen als so genannte
„Knallzeugen“ zu qualifizieren, wobei ein gewisses Entgegenkommen der „Hausgemeinschaft“ nicht
zu verkennen war, der Bekl. „zu helfen“.

Durch das erfolgte Beißen des Kl. durch Dackel hat sich die typische Tiergefahr realisiert. Das Gericht
hat bereits im Termin auf die einschlägige Rspr. hingewiesen, dass in Fällen dieser Art jedenfalls
immer die Tierhalterhaftung eingreift, wobei hier ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung auf
Seiten des Kl. nicht festgestellt ist. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht
die im Aufnahmebericht des Stadtkrankenhauses Offenbach attestierten Verletzungen zu Grunde
gelegt. Diese sind allerdings nur als äußerst geringfügig anzusehen, sie hatten jedenfalls keine Folgen,
sie bewegen sich im Bereich von Bagatellen, so wie dieser gesamte Prozess ja auch, was der
Gesetzgeber in § 495a ZPO niedergelegt hat. Die oberflächlichen drei Schürfbisswunden rechtfertigen
auch unter Einbeziehung der einschlägigen Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm jedenfalls
kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM. Hierbei ist auch festzustellen, dass die vom Kl. behauptete
Arbeitsunfähigkeit von einer Woche nicht substanziiert nachgewiesen worden ist. Das Gericht hatte
dem Kl. in der Ladungsverfügung aufgegeben, hierüber ein Attest vorzulegen, was er nicht getan hat.
Des Weiteren verblieben gewisse Ungereimtheiten auf Grund der Behauptung der Bekl. und der hierzu
vernommenen Zeugen, der Kl. sei durchaus in der Lage gewesen, Fahrrad zu fahren. All dies
rechtfertigt jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM im Hinblick auf § 847 BGB unter
Abwägung sämtlicher Umstände.

Gegen die weiter geltend gemachten materiellen Schäden hat die Bekl. nichts erinnert. Diese sind
demgemäß in Höhe von 76,80 DM zu ersetzen.

Gleiches gilt für den Zinsanspruch, der sich in gesetzlicher Höhe unter dem Gesichtspunkt des
Verzugsschadens als begründet erweist.

Ergänzend wird wegen dieses spektakulären, für die deutsche Rechtsentwicklung bedeutenden
Rechtsstreits, auf die Darstellung in der Offenbach-Post vom 13. 2. 1997 Bezug genommen.

Quelle: http://beck2-gross.digibib.net/bib/bin/show.asp?vpath=/bibdata/zeits/NJO... 06.04.2005
 
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