Watzke: Wir werden Borussia nicht kaputt sparen

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Pottkind im Norden
Dortmund - Bei dem mit rund 90 Millionen Euro verschuldeten Fußball-Bundesligaverein Borussia Dortmund hat Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke keine leichte Aufgabe. WELT-Mitarbeiter Oliver Müller sprach mit dem 45jährigen Unternehmer über die Situation des BVB.


Die Welt: Herr Watzke, zuletzt wurde laut über einen Ausverkauf beim BVB spekuliert. Jetzt haben Sie den Vertrag mit Torhüter Roman Weidenfeller vorzeitig bis 2009 verlängert. Wollten Sie damit die Pessimisten Lügen strafen?


Hans-Joachim Watzke: Das hat damit nichts zu tun. Für mich war immer klar, daß es keinen Ausverkauf geben wird. Nach dem Transfer von Ewerthon ist eine gewisse Hysterie entstanden, aber wir wußten, daß wir nach wie vor in der Lage sind, gute Fußballspieler zu bezahlen. Natürlich haben Spieler wie Weidenfeller gewisse Erwartungen, aber es gibt auch eine unheimliche hohe Identifikation mit dem Klub - eine höhere als in den vergangenen Jahren.


Die Welt: Vor zwei Monaten haben Sie gesagt, Ihr Ziel für die kommende Spielzeit sei ein Uefa-Pokal-Platz. Halten Sie Ihre Prognose trotz der elf Abgänge aufrecht?


Watzke: Wir möchten zumindest um die Uefa-Pokal-Plätze mitspielen. Es müßte schon sehr vieles sehr optimal laufen, daß wir es tatsächlich schaffen. Aber das Ziel sollten wir auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Natürlich haben wir zum Beispiel Ewerthon nicht gern verkauft, aber wir sind nun mal extremen wirtschaftlichen Zwängen unterworfen.


Die Welt: Sind Sie in solchen Entscheidungen frei oder nehmen die Gläubiger über den Lenkungsausschuß Einfluß und drängen auf Spielerverkäufe?


Watzke: Entscheidend ist: Der Lenkungsausschuß kann mich nicht zwingen, initiativ zu werden. Ich hole zwar Meinungen ein, aber es nicht so, daß die jetzt sagen: "Wir wünschen, daß der oder der verkauft wird." Es gibt eine klare Trennung zwischen operativem Geschäft und Kontrollgremien.


Die Welt: Wo sehen Sie den BVB in Relation zu Vereinen wie Bayern München, Schalke und Bremen?


Watzke: Wir können uns allein schon vom Budget her nicht mit Bayern München oder Schalke vergleichen. Aber nicht nur die Größe des Budgets allein ist für das Erreichen sportlicher Ziele ausschlaggebend, sonst wäre der BVB in den vergangenen Jahren ja auch immer in der Champions League gewesen. Wir haben ein bestimmtes Volumen zur Verfügung, und dann gab es zwei Wege: Entweder wir stellen uns in der Breite gleichmäßig auf oder in der Spitze so auf, daß wir 14 gute Profis haben und den Rest mit jungen Spielern gestalten. Wir wollen den Beweis antreten, daß man auch mit eigenen jungen Spielern Erfolg haben kann.


Die Welt: Das erfordert Geduld.


Watzke: Jahrelang ist dem BVB der Vorwurf gemacht worden, den eigenen Nachwuchs verkümmern zu lassen. Jetzt gehen wir diesen Weg. Wenn es nicht funktioniert, müssen auch unsere Anhänger so realistisch sein zu sagen: "Wir haben es auch alle gewollt, aber es hat leider nicht funktioniert."


Die Welt: Ein riskantes Spiel.


Watzke: In der Gesamtsituation, in der wir stecken, ist alles ein Risiko. Eigentlich muß jeder, der mit dem BVB etwas zu tun hat, froh sein, daß hier weiter Profifußball gespielt werden kann. Es war sehr eng und ist es auch nach wie vor, obwohl wir jetzt ein gewisses Fundament haben. Ich weiß, daß es Rückschläge geben wird. Doch für finanzielles Risiko stehe ich nicht zur Verfügung.


Die Welt: Kommenden Sommer laufen hochdotierte Verträge von Leistungsträgern wie Wörns, Kehl, Ricken und Koller aus. Drohen dann weitere Abgänge?


Watzke: Wir werden Borussia Dortmund nicht kaputtsparen. Aber jeder weiß, daß sich die Vergütungen der Spieler nach unten entwickeln, und zwar nicht nur auf den BVB bezogen. Deshalb bin ich sehr optimistisch, daß wir die Spieler, die wir halten wollen, auch halten können. Auf der Einnahmenseite sind wir exzellent aufgestellt, und das Geld steht uns auch jetzt wieder zur Verfügung, was früher nicht immer so der Fall war. Wir werden, entgegen anders lautender Prognosen, auch in der übernächsten Saison eine starke Mannschaft stellen.


Die Welt: Haben Sie - ähnlich wie Ihr Vorgänger Dr. Gerd Niebaum - Visionen für den BVB?


Watzke: Das Wort Visionen löst bei mir im Zusammenhang mit Borussia Dortmund allergische Reaktionen aus. Natürlich habe ich Vorstellungen. Aber für mich ist wichtig, daß diese Vorstellungen bezahlbar sind.


Die Welt: Könnte für den BVB noch einmal eine existenzbedrohliche Situation entstehen?


Watzke: Existenzbedrohend könnte nur sein, daß dauerhaft der sportliche Erfolg ausbleibt. Wenn vielleicht auch die Gläubiger keine Perspektive mehr sehen. Das ist das einzige zentrale Risiko, das ich sehe.

Quelle: DIE WELT
 
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