Dortmund strotzt den Hooligans - ein Erlebnisbericht

Kurz-de-Borussia

Dortmunder.
Dortmund trotzt den Hooligans - ein Erlebnisbericht

Gestern gegen 21:48 Uhr. Zusammen mit sieben Freunden stehe ich, wie Zehntausend andere auch, auf dem Friedensplatz in der Dortmunder Innenstadt - umringt von hunderten Fahnen und Trikots in den Nationalfarben, als mich ein Anruf nach dem anderen auf dem Handy erreicht. Nur schwer höre ich die Frage an der anderen Seite der Verbindung: "Gehts euch gut? Alles ok bei euch?"
Na ja was soll schon sein? Bis auf, dass Poldi in der 44. Minute die Kirsche nicht in die Maschen gehauen hat?!? Erst ein paar Sekunden später, als ich den Polizeihubschrauber über uns erspähe und mein Nachbar per SMS von einer Schlägerei auf dem "Alten Markt" erfährt, begreife ich was los ist: Die Hooligans zerstören unser Fußball-Fest.

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Die Zugänge zum Friedensplatz sind zu diesem Zeitpunkt längst gesperrt. Wir sind also sicher und genießen das Fest auf dem Friedensplatz zusammen mit Tausend anderen Fans aus allen Herren Ländern. Der Australier hinter uns schwärmt mittlerweile zum vierten mal von dieser grandiosen Stimmung - die Nachricht der wütenden Hooligans hat ihn noch nicht erreicht und spätestens als David Odonkor eine Flanke auf Oliver Neuville schlägt, Tausende Arme vor mir in den Himmel gestreckt werden, meine Freundin mir schreiend in die Arme fällt und alle Menschen nur noch fassungslos umher springen und jeden umarmen, der einem grad in die Arme fällt, verliert niemand mehr einen Gedanken an prügelnde Hooligans. Den Abpfiff der Partie nimmt kaum einer wahr. Wie auch? Die Sicht wird durch die Hunderte Fahnen versperrt und noch längst finden sich irgendwo Leute, die man seit dem Tor von Neuville in der 93. Spielminute noch nicht in die Arme geschlossen hat. Danach setzt irgendwann das Zeitgefühl aus. Ob es 5, 10 oder 30 Minuten nach Abpfiff war, als sich die Hälfte des Friedensplatzes plötzlich hinsetzte und nach einer Welle auch noch eine „Humba“ startete weiß ich nicht mehr. Wen interessiert es auch.

Wir verlassen die Fanparty in Richtung WM-Meile, die Stadion und Innenstadt verbindet. Noch kurz eine Welle mit den wartenden Feuerwehrleuten, danach geht es auf den Stadtring, dessen Verkehr längst zusammengebrochen ist. Anzeichen von Ausschreitungen gibt es keine. Die polnischen Fans geben sich als wahre Sportsmänner und gratulieren fair zum deutschen Sieg und auch sonst feiern die beiden Fangruppen ausgelassen. Bei unserem Weg in Richtung Hauptbahnhof wird es plötzlich wild. Auf dem Westenhellweg umstellen Polizeibeamte eine Gruppe polnischer Hooligans, keine 50 Meter davon entfernt zerren vier Beamte einen deutschen Hooligan in den Polizeiwagen, in dem schon zahlreiche Gewalttäter auf ihren Kollegen warten. Einige Fans applaudieren den viel beschäftigten Beamten. Als wir am HBF Zuflucht vor dem aufkommenden Platzregen suchen sperrt die Polizei plötzlich den gesamten Hauptbahnhof ab. Zuerst wissen wir nicht, was hier passiert, da es unter den hier wartenden Fans jedoch ruhig bleibt warten wir und unterhalten uns mit einem Beamten, der uns von geschätzten 150.000 Menschen (!) in der Dortmunder Innenstadt erzählt.

Als der Regen aufhört treibt uns unser Durst dazu eine Kneipe am Alten Markt oder an der Kleppingstraße aufzusuchen. Auf dem Weg treffen wir auf einen alten Schulfreund, der uns von wilden Verfolgungen in der Innenstadt vor dem Spiel berichtet. Bei seiner Suche nach einem noch freien Eingang zum Friedensplatz geriet er in eine Hetzjagd deutscher Hooligans, die zahlreiche Polen durch zwei Straßen verfolgten, ehe sie von den Einsatzkräften umkesselt und festgenommen wurden.
Unsere gute Laune wird von diesen traurigen Berichten kaum beeinflusst. Die Stadt ist auch noch zwei Stunden nach dem Sieg proppenvoll. Die Menschen feiern und feiern und feiern. Auf dem Alten Markt haben die Kneipen längst dicht gemacht. "Spätestens nach dem hier Tische und Stühle flogen haben wir unseren Laden dicht gemacht“, so die überforderte Barfrau vor dem Thier-Brauhaus, die immer wieder feiernde Menschen vom Eingang fernhalten muss. Der Brunnen vor ihrer Haustür ist seit dem Abpfiff umringt von feiernden Deutschen. Wir besteigen den Brunnen mit unserem drei Meter Banner „Dortmund steht hinter Euch“ in den Nationalfarben und dem Logo einer Nicht-Dortmunder Brauerei, die daher auch nicht namentlich erwähnt wird.
Neben uns gesellt sich ein feiernder Spanier, mit dem wir kurzer Hand ein Wiedersehen zum Finale aushandeln, ehe vor uns eine bengalische Fackel gezündet wird. Der Brunnen erstrahlt plötzlich in einem leuchtenden Rot. Vor dem beziehen bereits drei Fotographen Stellung und schießen die wohl schönsten Fotos des Abends. Genau an der Stelle, an der um acht Uhr deutsche und polnische Hooligans randalierten und den Fußball als Bühne ihrer geballten Dummheit beschmutzten, feiern Fans beider Lager ein friedliches Fußballfest, wie es schöner nicht hätte sein können.
Immer wieder liegen wir uns in den Armen und singen mit leicht angeschlagener Stimme „oh wie ist das schöööön“ – kaum auszudenken was in dieser Fußballbegeisternden Stadt los ist, wenn wir wirklich Weltmeister werden würden.

Nicht nur einmal überkommt einem das Gefühl des Stolzes und der Freunde, dass sich Zehntausende Menschen von keinen Hooligans dieser Welt ein Fest der Freude und Freundschaft kaputtschlagen lassen.
Nach einem weiteren feucht fröhlichen und vor allem Stimmungsreichen Aufenthalt in einer griechischen Kneipe an der Reinoldikirche treten wir irgendwann gegen vier Uhr den Heimweg an.
Neun Stunden und ein ausgiebiges Frühstück später schlendern wir zu viert durch die Innenstadt auf der Suche nach einem gemütlichen Straßencafé. Auf dem alten Markt herrscht wieder reger Betrieb. Die Bars und Kneipen haben seit den Morgenstunden wieder geöffnet und werden von Menschen in England, Spanien und Deutschlandtrikots besucht. Das einzige, was an die Fußballnacht von gestern erinnert ist eine vergessene Deutschland-Fahne oben auf dem Brunnen, die einsam im Wind flattert.
Die Bilder der Zerstörung sind nur noch in den Tageszeitungen der Stadt anzugucken. In den Köpfen der Menschen bleiben die Bilder feiernder Menschen, die unserer Stadt und der Weltöffentlichkeit gezeigt haben, dass wir unser Fußball-Fest von keinen Menschen zerstören lassen, die durch jeden Schlag ihrer eigenen, unendlichen Dummheit freien Lauf lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kerpinho

FL-Pate
Teammitglied
@ Kurzer: warum schenkst Du diesen ARSCHLÖCHERN überhaupt Beachtung in Form eines eigenen Berichtes? Genau das ist es doch, was diese Flachpfeifen u.a. erreichen und bezwecken wollen.
Ein Bericht über die friedlichen und emotionalen Ereignisse im Stadion hätte mich wesentlich mehr "angetörnt". :laola:

MFG!
 
Ohne jetzt provozieren zu wollen (mir gefaellt die WM bisher sehr gut!)
Aber wenn eins von zwei anderen Nationan daran bateiligt waere wuerde es viel mehr Aufruhr geben...
 

Kurz-de-Borussia

Dortmunder.
Kerpinho schrieb:
@ Kurzer: warum schenkst Du diesen ARSCHLÖCHERN überhaupt Beachtung in Form eines eigenen Berichtes? Genau das ist es doch, was diese Flachpfeifen u.a. erreichen und bezwecken wollen.
Ein Bericht über die friedlichen und emotionalen Ereignisse im Stadion hätte mich wesentlich mehr "angetörnt". :laola:

MFG!

aus dem einfachen Grund, dass ich es weltklasse fand, wie sehr die Menschen hier jegliche Ausschreitungen ignoriert haben. Obwohl die meisten von uns in Dortmund Prügeleien, Verfolgungen und Festnahmen live erlebt haben wurde hier eine unglaubliche Party gefeiert. Ich finds klasse, dass am Ende nicht nur über diese Idioten gesprochen wird, sondern viel mehr über die Menschen, die den Fußball wirklich genossen haben und zum Anlass einer Wahnsinnsparty genommen haben.

P.S.: emotionale Ereignisse in dem Stadion hätte ich dir gerne berichtet, wenn du mir die 500€ Schwarzmarkt-Gebühren gezahlt hättest :zwinker3:
 

Kerpinho

FL-Pate
Teammitglied
@ Kurzer: Du warst gestern nicht im Stadion? :ohnmacht:

PS: die Art und Weise wie die angeschriebene Thematik von Seiten der Fans und der Medien gehandelt wurde, nötigt mir auch Respekt ab.

MFG!
 

Kurz-de-Borussia

Dortmunder.
Kerpinho schrieb:
@ Kurzer: Du warst gestern nicht im Stadion? :ohnmacht:


:suspekt: Brauchst nicht gleich in Ohnmacht fallen, sondern einfach mal an unser kleines Gespräch gestern im Spieltags-Thread zurückdenken. Und wenn das auf Grund des gestrigen Alkoholkonsum nicht mehr geht, einfach mla 5 Minuten zurückdenken, den Thread durchlesen, Autor und ich-Person des Textes vergleichen et voila...

Dän war im Stadion, ich war in der Stadt. Der mit Trikot und Fahne auf dem Friedensplatz... :zwinker3:
 
S

s04rheinland

Guest
Dortmund trotzt den Hooligans, und strotzt vor Stolz darüber. Sorum, oder?

Was ich so auf BBC gesehen hab, waren wohl die RoboCops an den Anfängen dieser Ausrastern nicht ganz unbeteiligt (und das ist noch weit untertrieben). Wenn's nach ner Stunde (oder so) in der Stadt wieder problemlos möglich war, friedlich und fröhlich zusammen zu feiern, dann ist das eine feine Sache.
 
Werdna schrieb:
Ohne jetzt provozieren zu wollen (mir gefaellt die WM bisher sehr gut!)
Aber wenn eins von zwei anderen Nationan daran bateiligt waere wuerde es viel mehr Aufruhr geben...

Och komm, egal aus welchem Land: Hools sind scheiße und strohdumm! Da braucht man doch wohl nicht drüber wettzueifern, bei wem es mehr Aufruhr gegeben hätte, oder? :suspekt:
 

ammian

Aktives Mitglied
Ist die Aufregung eigentlich nicht wert! Bdenkt man, was vorher für Gerüchte im Umlauf waren, so scheint der Versuch der Idioten aller Länder, sich auf Kosten der Fans zu profilieren und Angst und Schrecken zu verbreiten, offenbar schon im Keim erstickt worden zu sein! Und das ist auch gut so! :spitze:
 

Kurz-de-Borussia

Dortmunder.
s04rheinland schrieb:
Was ich so auf BBC gesehen hab, waren wohl die RoboCops an den Anfängen dieser Ausrastern nicht ganz unbeteiligt (und das ist noch weit untertrieben). Wenn's nach ner Stunde (oder so) in der Stadt wieder problemlos möglich war, friedlich und fröhlich zusammen zu feiern, dann ist das eine feine Sache.

Das ist wohl richtig. Angeblich wurden zahlreiche bekannte Gesichter am Alten Markt gesichtet und direkt einkesselt. Als dann einige flüchten konnten wurde die Polizei plötzlich von zwei Seiten angegriffen und die Situation eskalierte.
Trotzdem muss man auch der Polizei mal ein Lob aussprechen. Da wo es ging waren sie unauffällige Beobachter einer tollen Party und da wo sie gebraucht wurden schritten sie jederzeit ein.

p.s. danke :zwinker3:
 

gary

Bekanntes Mitglied
Kurz-de-Borussia schrieb:
In den Köpfen der Menschen bleiben die Bilder feiernder Menschen, die unserer Stadt und der Weltöffentlichkeit gezeigt haben, dass wir unser Fußball-Fest von keinen Menschen zerstören lassen, die durch jeden Schlag ihrer eigenen, unendlichen Dummheit freien Lauf lassen.

Positiv ist auf jeden Fall, dass es bei dieser WM noch keine größeren Zwischenfälle gab. Das Feiern haben sich friedliche Fans ja auch bei früheren „ernsthaften“ Ausschreitungen meist nicht vermiesen lassen.

Auffällig (und gut) finde ich, dass deutsche Medien dieses Mal wohl bewusst die Berichterstattung über Schlägereien u.ä. auf ein Minimum reduzieren.

Im Ausland ist das aber anscheinend nicht überall so. Ich hatte z.b. erstmals in den russischen Nachrichten einen Bericht über Ausschreitungen in Frankfurt zwischen Engländern und Deutschen gesehen, in deutschen Medien hatte ich zu dem Zeitpunkt überhaupt nichts davon mitbekommen.
Über Ausschreitungen in Dortmund wurde ebenfalls mit Filmbeiträgen berichtet, was man jetzt ggf. natürlich auf russischen Frust über die Nichtteilnahme schieben kann.
 
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