Es intressiert zwar keinen, aber die deutsche Mädchen stehe im Finale gegen China.
DER TAGESRÜCKBLICK: Wer auf ein glamouröses Finale zwischen Titelverteidiger USA und Brasilien, den Heldinnen des technisch gepflegten Fussballs, gehofft hatte, erlebte an diesem Halbfinaltag der Sensationen in Thailand 2004 eine Riesenüberraschung. Die deutsche Mannschaft spielte groß auf und fertigte den Titelverteidiger mit 3:1 ab. Und im zweiten Spiel im Supachalasai-Stadion zu Bangkok erteilte Außenseiter China den favorisierten Brasilianerinnen eine Lektion in Organisation und Taktik.
Ein Endspiel zwischen China und Deutschland mag nicht das sein, was die Experten erwartet oder die Puristen erhofft haben, aber es ist das, was sich beide Mannschaften nach den gezeigten Leistungen verdient haben.
In ihrem vielleicht besten und abgeklärtesten Spiel bei dieser Endrunde machte die deutsche Mannschaft zunächst im ersten Halbfinale kurzen Prozess mit Titelverteidiger USA, der mit einem Mal unter Ladehemmung zu leiden schien. Die Aufeinandertreffen dieser beiden Teams entwickeln sich immer mehr zu dem Duell im Frauenfussball schlechthin, und die Deutschen legten auch gleich los wie die Feuerwehr. Im Nachhinein jedenfalls wirkt die Begrüßung der deutschen Trainerin Sylvia Neid mit ihrem U.S.-Kollegen Mark Krikorian fast schon generös.
Gerade einmal elf Minuten waren gespielt, als Annike Krahn ihr erstes Tor bei der Endrunde erzielte und die Staaten damit zum ersten Mal seit der Vorschlussrunde im kanadischen Edmonton 2002 in Rückstand brachte. Hatte es vor zwei Jahren noch einen 4:1-Kantersieg für die U.S.-Juniorinnen gegeben, so gelang den Deutschen heute ihre Revanche.
Die als Favorit ins Spiel gegangenen USA setzten sofort alles daran, den Ausgleich zu markieren. Und als Deutschlands Spielführerin ein zweites Mal traf - dieses Mal tragischerweise ins eigene Netz - sah es auch wieder gut aus für die Staaten. Den Zorn der deutschen Innenverteidigerin bekam unterdessen der Torpfosten zu spüren ...
Patricia Hanebeck, die das Turnier noch auf der Ersatzbank begonnen hatte, sich aber spätestens mit der beherzten Leistung im Viertelfinale gegen Nigeria in Chiang Mai einen Stammplatz verdient hatte, war auch gegen die USA in überragender Form. Das zweite (richtige) Tor der Deutschen bereitete sie mit einem genialen Pass vor, das dritte erzielte sie selbst. Damit dürfte sie ihren Platz in der Anfangself für das Finale auf jeden Fall sicher haben.
Als sich das Spiel dem Ende zuneigte und die deutschen Ersatzspielerinnen schon gespannt auf den Abpfiff warteten, starteten die Amerikanerinnen noch einen letzten, beinahe verzweifelten Versuch. Aber die Einwechslung der schnellen Jessica Rostedt kam zu spät. Als der Schlusspfiff ertönt war, gab es ausgelassenen Jubel auf der einen und bittere Tränen auf der anderen Seite.
Im zweiten Halbfinale traf mit China der Überraschungssieger gegen Kanada auf die so offensivstarken Brasilianerinnen. Es sollte ein fulminantes Aufeinandertreffen der Gegensätze werden: Hier die vielleicht am besten organisierte Mannschaft der Endrunde, dort die begeisterndste mit dem größten Improvisationstalent.
Die Brasilianerinnen gerieten früh in Rückstand, aber das war für die "Sambaprinzessinnen" nichts Neues. Drei Mal schon ist ihnen das jetzt in Thailand passiert. Die wie immer brillante Marta tat ihr Bestes, aber sie scheiterte an den unglaublich abgebrühten Chinesinnen und ihrer cleveren, fast schon arrogant pragmatischen Spielweise. Das zweite Tor der Chinesinnen war dafür ein Paradebeispiel: Ein hoch in den Strafraum getretener Freistoß brachte die traditionell unsichere brasilianische Torhüterin Kelly Nunes in die Bredouille - und das war wahrscheinlich genau so gewollt.
Die Kugel jedenfalls landete am Elfmeterpunkt, wo Lou Xiaoxu ihr drittes Tor der Endrunde machte. Von da an verwalteten die Chinesinnen ihren Vorsprung, während die Südamerikanerinnen immer wieder vergeblich anrannten.
Im Gegensatz zum Viertelfinale gegen Russland konnten die konzeptlosen Brasilianerinnen das Spiel diesmal nicht in letzter Minute durch heroische Einzelleistungen drehen. De technisch brillante und schön anzuschauende Fussball der Südamerikanerinnen sollte dieses Mal nicht belohnt werden - dieses Mal sollten sich vielmehr ihre Abwehrschwächen rächen, die schon in den Spielen zuvor unübersehbar gewesen waren. Nach jedem gescheiterten Angriffsversuch warf Marta verzweifelt die Arme in die Luft. Es war ein symbolisches Bild. Als Cristiane schließlich schon weit in der Nachspielzeit einen letzten Ball an die Latte hämmerte, signalisierte dies das Ende des unermüdlichen brasilianischen Kampfs.
Bei allem verdienten Respekt vor China: Die Fussballwelt wird sie vermissen, die Martas und Cristianes mit ihrem herrlichen, so typisch brasilianischen Fussball.
Quelle:FIFA