WM-Städte im Test. Teil 1 Gelsenkirchen

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Dortmunder.
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WM-Städte 2006 im Test: Teil 1: Gelsenkirchen

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Der Auftrag erfüllte mich mit unbeschreiblicher Freude. Mein Herz hüpfte froh in meinem Rumpf und der jambische Ohrwurm „Schalke! Schalke!“ nach der Melodie von „Dortmund! Dortmund!“ wollte und sollte eigentlich auch gar nicht mehr aus meinem Hirn entweichen: Ich durfte im Rahmen des Schwalbe-Tests der WM-Städte von 2006 Gelsenkirchen testen. Wow. Ein Ritterschlag, dachte ich bei mir.

Also keine Zeit verloren, die Kamera und den Kugelschreiber eingepackt und gleich auf Richtung Schalke. Mein Rhein-Ruhr-Atlas (diesen neumodischen Routenplanern traue ich ebenso wenig wie den Autos, in denen diese eingebaut sind,) wird mich schon hinbringen.

Dennoch war ich froh, als ich eines Ortseingangsschildes gewahr wurde, auf dem auch Gelsenkirchen zu lesen war. Vollends sicher, im richtigen Ort gelandet zu sein, war ich dann, als ich schon im Vorort Neustadt einen Beweis des besonderen Flairs dieser Stadt, dieser fast natürlichen und nicht aufgesetzten Mischung aus Kunst und Sport, erhielt. Das Kunstwerk „Der Kuss des schwarzumschuhten Fußes“ vom einheimischen Sportkünstler Yves Eigenrauch ist als Huldigung an die große Tradition der Ballspielkunst der städtischen Vereine gedacht. Vorausschauend hat sich in der Nähe dieser (Fußball-)Touristenattraktion auch schon Ali G. einen Standort für seinen Döner-Wagen gesichert. Pluspunkt von mir notiert. Diese Stadt wird vorbereitet sein, auf was da komme. Aber jetzt suche ich erst mal die Innenstadt auf.

„An einem Ort mit Stuck, Gesimse und Schwebedecken fühlt man sich wohl.“

Ein Problem ergab sich, als ich einen der anwesenden Gelsenkirchener nach dem Weg in die Innenstadt fragte. „Entschuldigen Sie mein Herr, auf welchem Wege werde ich schnellstmöglich in das Zentrum dieser Stadt gelangen, bitte?“ – „W.. Willze?“ kam eine Antwort aus seinem Mund geschossen. Hmm. Ok, anders. „Ey wo iss Schalke-City, Alter?“ Wiederum nicht um eine schnelle Antwort verlegen, entfuhr es ihm sodann: „Schalke! Schalke!“ usw. Das muss ich leider notieren. Denn das wusste ich ja nun schon vom ersten Moment an selber (vgl. oben). Minuspunkt.

Über den sehr aufschlussreichen Umweg Gelsenkirchen-Ückendorf fand ich dann den Bahnhof und somit auch die Innenstadt. Aber auf Ückendorf muss ich lang eingehen, denn diesem kleinen Vorort hat Gelsenkirchen es zu verdanken, dass das Testergebnis positiv ist.

Offenheit, Ehrlichkeit, Geradlinigkeit, Menschlichkeit – alle Attribute, die mir bei meiner Vorrecherche genannt wurden, spiegelten sich in diesem Viertel wieder. In Ückendorf herrscht noch diese Originalität, die vielen Regionen – gerade im Zuge des Baus neuer Fußball-Arenen – vollkommen abhanden gekommen ist. Dem Charme, den meine kleine Stippvisite hat verspüren lassen, werden auch die zehntausenden Touristen und Fußballbegeisterten sich nicht entziehen können.

Und seien wir doch mal ehrlich: An einem Ort, wo man ruhigen Gewissens Stucke, Gesimse, Rosetten und Schwebedecken erstehen kann, dürfte es gar kein Problem darstellen, sich mehr als wohl zu fühlen. Und Hans Tümmers, Inhaber des Familienbetriebs Tümmers sagte mir ganz im Vertrauen („Hömma, unter uns Rosettenveredlern und Kaminbauern...“), dass insgeheim schon jetzt ordentlich Gesimse vorproduziert wird, da die meisten Besucher in zwei Jahren ja kaum Zeit hätten, darauf zu warten. Nee wirklich, eine tolle Region mit tollen Menschen.

„Dem Charme dieser WM-Stadt muss man erliegen.“

Problemlos dürfte auch der Abtransport des Original Gelsenkirchener Barock Stucks, Gesimses und vor allem der Rosetten verlaufen. Man hat mir versichert, dass alle Bauten bis zur WM 2006 fertiggestellt sein werden. In dieser Stadt bewegt sich also was, und das ganz in der Nähe des Bahnhofs. Auch das sehr löblich. Pluspunkte.

Kommen wir nun langsam aber zu den relevanten Aspekten einer WM-Stadt. Aber die beiden ersten Anlaufstationen der Stadt haben mich vollends in ihren Bann gezogen und ich bin überzeugt davon, dass dies den fußballbegeisterten Afrikanern und Asiaten, die dieses Kleinod der Menschlichkeit besuchen dürfen, nicht anders ergehen wird. Ein Rat an das WM-Organisationskomitee oder den Schalker Oberbürgermeister oder an Rudi Assauer (wer zeichnet eigentlich verantwortlich?): Leitet die Menschenmassen via Neustadt und dann Ückendorf in die City. Ich jedenfalls danke dem lieben Gott oder dem lieben Herrn Falk oder mir selber (wer zeichnet eigentlich für meine Reiseroute verantwortlich?) für die bestmögliche Anreise nach Gelsenkirchen.

Die von mir im Vorfeld ausgedachten Punkte für einen WM-Stadt-Test sind eigentlich schnell abgehakt. Anreisemöglichkeiten sind sowohl mit dem Öffentlichen Personen-Verkehr als auch mit dem eigenen PKW gegeben. Der Bahnhof ist eine Art Drehscheibe und bietet neben heimischen Kunstwerken und einer lückenlosen Informationspolitik auch kulinarisch einiges, was das in- und ausländische Herz begehren mag.

Überhaupt wird man in dieser Stadt kulinarisch in keiner Weise enttäuscht. Charly Neumann bürgt für eine Gastronomie, die ihresgleichen sucht und überraschend drei Schritte weiter schon findet, wo im „Brauhaus Hibernia“ Kumpels unter sich sein werden.

Übernachtungsangelegenheiten werden vertrauensvoll behandelt, so dass man sich sorglos in das Vergnügen „Fußball PUR“ stürzen kann. Und das Stadion ist ja schließlich ’ne Wucht. Das zumindest versicherte mir Charly unter dem zustimmenden Gejohle seiner Gäste durchaus glaubhaft. Denn ich muss ja gestehen, dass ich es bis dahin nicht mehr geschafft habe, nachdem ich im Bummelzug die Redaktionsspesen auf den Kopf gehauen habe. So unüblich scheint das aber gar nicht zu sein. „Ey Presseheini, du kannst ja ordentlich was am Glas. Super. Ich verrat Dir jetzt mal was. Mir erzählen sie ja immer am nächsten Tag, dass ich auch auf Schalke war und dass es mir gefallen hat. Super.“ Tja, so ist Schalke. Und nach nur sechs Stunden und einer ähnlichen Literzahl Bier war ich auch schon einer von Ihnen. Dem Charme dieser WM-Stadt muss man genau wie ich automatisch erliegen. Volle Punktzahl!

:lachtot: :spitze:
Herrlich! Die Bilder im Heft sind noch viel besser :lachtot: :spitze:
 
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