Vorschau Frankfurter Rundschau
Thomas Schaaf hat dem Überangebot an Klasse-Stürmern im Kader von Werder Bremen Rechnung getragen. Und im Abschlusstraining vor dem Champions-League-Heimspiel gegen FC Valencia (20.45 Uhr/live auf Premiere) mit drei Angreifern geübt: Der Paraguayer Nelson Valdez mittig, Miroslav Klose und Ivan Klasnic seitlich positioniert. Die stürmische Ausrichtung ist alles andere als eine Geringschätzung des heutigen Gegners - im Gegenteil. Schaaf spricht über den spanischen Meister voller Ehrfurcht: "Wir müssen eben so stark sein, dass wir hinten erst gar keine Probleme bekommen." Zumal "hinten" akuter Notstand herrscht: Ümit Davala, Gustavo Nery, Petri Pasanen und Frank Baumann verletzt, Abwehrchef Valérien Ismael gesperrt - Werder ist eine komplette Verteidigung verlustig gegangen und setzt eher aus der Not denn aus Überzeugung auf Angriff.
Es gibt nicht wenige, die deshalb dem Deutschen Meister heute im Weserstadion eine Lehrstunde vorhersagen. Denn ungeachtet der Star-Ensembles aus Barcelona und Madrid gilt Valencia als bestes, weil effektivstes spanisches Team. Quasi der erfolgreichere Gegenentwurf zu den Großkopferten. Der nationale Titel 2002 und 2004, der Uefa-Cup und Supercup-Gewinn in diesem Jahr zeugen von einem Konzept, dass international noch nicht genügend Anerkennung erfährt. Allein deshalb rechnet sich Trainer Claudio Ranieri für die Champions League weit mehr als das Erreichen des Achtelfinales aus. Für den Italiener ist die Aufgabe in Valencia eine Herzensangelegenheit, hatte er doch 1998 überhaupt die Grundlagen für eine Equipe gelegt, die sich unter Hector Cuper und Rafael Benitez höhere Weihen verdiente, zweimal (2000 und 2001) erst im Finale der Champions League scheiterte.
Italienischer Einfluss
Wie ein Geschenk des Himmels mag Ranieri nach der Ausbootung in Chelsea das Angebot seines Ex-Vereins vorgekommen sein. Und der Römer wusste, wie man spanische Seelen gewinnen kann. Sogar schwimmend würde er zurückkehren, sagte er, erklärte, "zu sterben und die Spieler zu töten", um Valencia an der Spitze zu halten.
Glücklicherweise hat er sich doch anderer Methoden für einen beeindruckenden Saisonstart (Spitzenreiter mit 13 Punkten aus fünf Spielen; 2:0 im ersten Champions-League-Spiel gegen RSC Anderlecht) bedient: nämlich den italienischen Einfluss gestärkt. Zu dem unverwüstlichen Verteidiger Amadeo Carboni, mit 39 Jahren ältester Ligaspieler, sind aus Italien die Internationalen Marco di Vaio (für 10,5 Millionen Euro von Juventus Turin), Stefano Fiore und Bernardo Carradi gekommen. Das harmonierte mit dem Mittelfeld-Herzstück, den spanischen Nationalspielern Vicente Rodriguez, Rubén Baraja und David Albelda, auf Anhieb. Derzeit fällt nicht einmal das Fehlen der maladen Argentinier Roberto Ayala (Abwehrchef) oder Pablo Aimar (Spielmacher) ins Gewicht. Abgesehen von Santiago Canizares, schillernder Blondschopf zwischen den Pfosten, fehlen die Egozentriker. "Die Mannschaft ist der Star", urteilt Argentiniens Weltmeister Mario Kempes über seinen Ex-Club, der die Gruppenphase problemlos überstehen werde.
"Gute Einzelspieler und ein fast perfektes Kollektiv" bescheinigen Werders Späher dem Gegner und haben damit die Stärke gut erkannt: Valencia beherrscht den Hochgeschwindigkeitsfußball der Moderne, das Direkt- und Kombinationsspiel auf engem Raum beinahe perfekt. Zuletzt erhielt La Coruña auf eigenem Platz eine 5:1-Abreibung. "Ich kann mich nicht daran erinnern", sagte Coruña Trainer Javier Iruretagoyena hernach, "dass uns einmal ein Gegner, so eindrucksvoll ausgespielt hat."