Immer mehr Vorwürfe - Klinsmann gerät ins Abseits
München - "Der ganze Laden muss auseinander genommen werden", urteilte Jürgen Klinsmann schon vor seiner Amtseinführung als neuer Bundestrainer vor gut drei Monaten über die Situation beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) - ein Vorhaben, dass er nun nach und nach selbst in die Tat umzusetzt.
Das letzte Opfer seiner Personalpolitik ist Torwarttrainer Sepp Maier, der aller Voraussicht nach von Ex-Keeper Andreas Köpke ersetzt wird. Für seine Entscheidungen erntet "Klinsi" Zustimmung - aber immer häufiger auch offene Kritik.
Für "völlig legitim" hält beispielsweise Toni Schumacher im Sport1-Interview die Maßnahme, Sepp Maier wegen mangelnder Neutralität in der Torwartfrage zu entlassen.
Auch DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder stützt die Entscheidung als "richtig", gibt aber zu, dass Klinsmann beim DFB mit dem ein oder anderen aneckt. "Ich wusste, dass es nicht immer einfach sein wird, mit ihm klarzukommen", sagt "MV".
Gerade die Umstände, die zur Demission des langjährigen Bundes-Torwarttrainers Maier führten, fanden nicht überall Zustimmung. "Man muss aufpassen, dass da jetzt keine Vetternwirtschaft entsteht", sagt Bayern-Manager Uli Hoeneß in der Münchner "Abendzeitung".
Denn er wisse nicht, ob es gut ist, Köpke zu nehmen. "Wir werden die Situation ganz genau beobachten", fügt Hoeneß drohend an.
Außerdem weist er darauf hin, dass der neue Torwarttrainer Köpke nicht unbedingt ein Freund von FCB-Keeper Oliver Kahn sei - auch das indirekte Kritik an Klinsmann.
"Klinsmann und Köpke sind befreundet", weiß nicht nur der 76-malige Nationaltorwart Schumacher über die einstigen Mannschaftskollegen bei der EM 1996.
Köpke, Ex-Torwart vom 1. FC Nürnberg und Eintracht Frankfurt, wäre nach Teammanager Oliver Bierhoff und U-21-Coach Dieter Eilts bereits der dritte Europameister und Klinsmann-Kumpel, den der Bundestrainer in seinen Trainerstab holt.
Dass der Bundestrainer beim Installieren seiner Spezis aus alten Kicker-Tagen wie im Fall Maier keine Rücksicht auf vergangene Verdienste nimmt, stößt nicht nur Intimfeind Lothar Matthäus sauer auf. Als "Killer, der keine Rücksicht auf Menschlichkeit nimmt", hatte Matthäus den gebürtigen Geislinger deshalb bezeichnet.
Selbst beim DFB verliert Klinsmann nun offenbar an Rückendeckung. "Dass er auf seinem Alleinentscheidungsanspruch beharrt, ist das eigentliche Problem", kritisiert Theo Zwanziger, Schatzmeister und designierter Präsident des weltgrößten Sportverbandes.
Viele Mitarbeiter hätten ob der beim Verband unpopulären Entscheidungen des neuen Chefs der Nationalmannschaft schon "die Faust in der Tasche geballt", so ein DFB-Funktionär.
Dabei geht es wohl auch um die mangelnde Erreichbarkeit des Bundestrainers, der sich häufig in Kalifornien befindet, weshalb Probleme oft nicht sofort angesprochen werden können.
Darüber hinaus sind zahlreiche DFB-Sponsoren verärgert, weil Klinsmann und auch Bierhoff Werbeverträge bei konkurrierenden Unternehmen besitzen.
Schließlich sorgt nach wie vor der Alleingang des Bundestrainers in der Frage des Trainingsquartiers bei der WM 2006 für Zündstoff beim DFB.
Nicht einmal drei Monate ist Jürgen Klinsmann im Amt - schon gerät er wegen seiner Linie immer häufiger unter Beschuss.
Dass diese aber nicht unbedingt falsch sein muss, beweisen die bisherigen Resultate seiner Arbeit. Wer noch unbesiegt ist, hat in den meisten Streitfragen das bessere Argument. "Wenn er 2006 Weltmeister wird, hat er alles richtig gemacht", weiß nicht nur "Kaiser" Franz Beckenbauer.