@MingaRot: ich würde dich gerne besser verstehen. Deswegen wäre es schön, wenn du deine persönlichen Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke hier mal schildern könntest. Wo siehst du die positiven Aspekte der Ultras und wo die negativen? Was ist das eigentliche Ziel, die Bestimmung der Ultras? Und wie siehst du den Dialog und das Miteinander mit den restlichen Fans in den Kurven? Ich würde mich über Antworten freuen.
Teil 1:
Also, ich versuche mich so kurz wie möglich zu fassen, und nicht zu sehr abzuschweifen, aber es wird trotzdem ein wenig länger. Ich gebe hier auch nur meine persönliche Definition davon, denn offiziell gibt es keine und der grösste Theoretiker bin ich auch nicht. Zu allem Anfang sind die Ultras an sich heterogen, und natürlich folgen wir nicht alle den gleichen Werten. Politische Meinungen gehen von hart links bis hart rechts bis apolitisch bis Mitte.
Am ehesten würde ich die Ultras dadurch beschreiben dass es zumindest zu Anfang eine Jugendbewegung war. Heute sind wir in Deutschland in der dritten Generation der Ultras, also kann man es nicht mehr nur Jugendbewegung nennen, allerdings ist mit Sicherheit aus vielen Gründen die demographische Pyramide zwischen 18-25 am dicksten, aber von alten Säcken wie mir sind noch viele da. Die "Chefetagen" der Ultras in Deutschland bewegen sich denke ich grösstenteils im Altersspektrum vom 30-50.
Aus meiner Erfahrung hast Du generell dass bunteste Bild der Gesellschaft vor Dir: Städtler, Landeier, Leute die zum Geld verdienen Bier liefern, Leute die Bier brauen, Anwälte, Steuerberater, Krankenpfleger, Engineers, Zahnärzte, Arbeitslose, Unternehmensberater, Banker, Sozialarbeiter, Stundenten. Wer sich mit einem billigen Cliché zufrieden gibt, dass es alles unerzogene asoziale Schmarotzer sind, der ist ignorant und dumm.
Aber dann ist die berechtigte Frage, was hält diese Leute zusammen? Und da ist man eben schon bei einer tiefgehenderen Frage. Das erste ist offensichtlich, Du musst den Verein und die Stadt des jeweiligen Vereins halt einfach geil finden. Ohne wenn und aber, und Du musst drauf abgehen, das ist ein absolutes Kriterium. Was danach kommt hängt schon sehr mit der Art und Weise zusammen wie Menschen gestrickt sind.
Ich würde einfach mal schätzen Leute die in die aktiven Szenen eintreten suchen im Leben ein wenig mehr als der Durchschnittsmensch. Sie suchen Zugehörigkeit, also eine Gruppe mit der Sie sich wirklich identifizieren (also nicht nur, "das sind meine 5 Kumpels und wir hauen uns jeden Freitag Abend weg"). Sie wollen sich zum Grossteil mehr in was einbringen, also etwas Bewegen was Sie als wichtig empfinden. Sie wollen meistens was erleben und nicht einfach nur Arbeit-Bar-Heim oder Arbeit-Fitnessstudio-Heim. Und es handelt sich meistens auch um Menschen die nicht als "langweilig" betitelt werden würden. Letztens ist es auch so, dass diese Menschen meistens auch eine rebellische Ader haben und sich dem Status Quo nicht einfach fügen. Ich passe übrigens selber auch alle diese Beschreibungen.
Die Ultras und die aktive Szene generell bietet natürlich mit der enormen Kultur die aussen herum existiert sehr viel was genau solche Menschen anspricht.
Dabei sind wir schon eben bei den Dingen die positiv wie negativ seien können. Du hast da, bei jedem grossen BuLi Verein zwischen Ultras und Dunstkreis 2000-5000 Leute die hochmotiviert sind mit denen Du halt Berge versetzen kannst.
Ich denke wir erinnern uns an die plumpe Stimmung der BuLi in den 90gern wo es ein Paar mal laut wurde und jeder Verein die 3 "lo lo lo lo lo STADTNAHME" Lieder hatte. Dagegen ist heute die BuLi (ausser Corona) die Stimmungshochburg von Europa. Farbenfrohe Kurven, interessante Gesänge die auch nicht nur am Pöbeln interessiert sind, und auch um den Verein und die Stadt rum sehr viele Initiativen (Kurt Landauer Stiftung bei uns zum Beispiel). Auch die Bemalungen der Innenpassagen der Allianz Arena geschahen zB auf Anregung und durch die Ausführung der Ultras.
Mit diesen gleichen Persönlichkeitsprofilen plus Organisation, hast Du halt aber gleichwertig relativ leicht Stunk. Wenn etwas als falsch oder moralisch fragwürdig angesehen wird, dann wird es halt ausgedrückt, und das manchmal schöner, manchmal weniger schön. Ohne tiefer auf die Causa Hopp einzugehen muss ich sagen, es ist leider oft so dass wenn Du dich nicht radikal äusserst es am Ende keine Sau interessiert. Die Emotionalität und Zusammenhalt führt auch dazu dass es halt manchmal scheppert. Nicht mit Familienvätern und unbeteiligten, aber unter Ultras. Es passiert selten wirklich was dabei, aber es ist so. Und dann halt noch das Thema Pyro wo man sich eben sehr hintergangen fühlt und dann mehr oder weniger als "mittelweg" zuhause nie zündelt aber dafür auswärts.
Ich denke aber eines verlieren viele aus dem Kopf, und zwar dass Leute mit diesem Persönlichkeitsprofil meistens irgendwo Zugehörigkeit suchen um sich selbst einbringen zu können, und da sind die Ultras vergleichsweise ein sehr guter Anlaufpunkt. Da ist nämlich auch in Sachen sich für die Mehrheit einbringen (wie sozial engagieren) oft viel drin.
Am Ende ist halt auch der anstrengende Teil, dass man auf immer und ewig mit dem Kommerz und der Regulationsorganen des Fussballs im Konflikt steht. Da müsste ich jetzt 75 Seiten dazu schreiben, werde aber drauf verzichten. Lange rede kurzer Sinn, die Ultras sind gerne die beschuldigten für alles was im Fussball nicht stimmt. Weil Sie halt leichte Opfer sind. Hans-Günther aus Gütersloh glaubt gerne dass das alle Asoziale sind die nur randalieren. Gleichermassen aber werden eben auch die Interessen der Masse verteidigt.
Montagsspiele gibt es nicht mehr.
Wir zahlen immernoch nicht mehr als 20€ für einen Stehplatz.
Es gibt noch Stehplätze.