DvB "Du musst immer Erster sein"

"Du musst immer Erster sein"

Selbstbewusst, intelligent, ehrgeizig und absolut professionell. Hamburgs belgischer Abwehrhüne Daniel van Buyten (27) weiß stets, was er will - und denkt dabei in ganz großen Dimensionen.
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Strotzt nur so vor Selbstbewusstsein: HSV-Kapitän Daniel van Buyten (27).



Der Haarreif und die bis über die Knie gezogenen Stutzen irritieren ein wenig auf den ersten Blick. Irgendwie passt das nicht zum Fußballer Daniel van Buyten. Der Rest passt schon. Der feste Händedruck und der klare Blick in die Augen des Gegenübers sind stimmig mit der Gesamterscheinung vom "HSV-Riesen", wie ihn der Boulevard feiert. Das große Auto passt auch. In einem BMW-Jeep fährt er vor. Hamburgs belgischer Abwehrchef und Kapitän ist ja auch groß, exakt 1,96 Meter, ein echter Hüne - in seinem Auftreten, im Strafraum, wenn er beim Kopfball "sieben Meter in der Luft steht", wie kürzlich Stuttgarts Trainer Matthias Sammer respektvoll anerkannte, und im Anspruch an sich und sein Umfeld. Der 27-jährige Belgier denkt auch in großen Dimensionen.

"Ich war schon einmal in der Champions League - wer da einmal war, will da unbedingt wieder hin", hat er schon häufiger gesagt. Das klingt ein bisschen phrasenverdächtig. Genau wie "zu einer Stadt wie Hamburg gehört internationaler Fußball" und "ich will immer gewinnen". Van Buyten ist tatsächlich intelligent genug, zu wissen, was er in welchen Situationen zu sagen hat, um damit einen bestimmten Effekt zu erzielen. Doch was sich mitunter nach Phrase anhört, wird, wenn es um seine Ziele geht, mit Blicken untermauert. Mit entschlossenen Blicken. Und mit Erzählungen aus der Kindheit.

"Zu Hause hatten wir nicht viel Geld", erinnert sich der im belgischen Froidchapelle aufgewachsene Verteidiger. "Mein Vater hat mir beigebracht, dass nur der was kriegt, der auch etwas dafür tut." Van Buyten hat schon früh viel getan. Mitunter auch ein bisschen mehr als andere. Im heimischen Garten hat Vater Franz mit Daniel und Bruder Alain (spielt in der vierten belgischen Liga) trainiert, sie schwere Autoreifen über den Rasen ziehen lassen. Kräftigungs-Methoden des damaligen Berufscatchers, die nicht bei allen gut ankamen. "Die Nachbarn haben immer gesagt: diese armen Kinder. Aber es hat sich gelohnt." Van Buyten erzählt bereitwillig von früher, von Kämpfen seines Vaters ("Ich habe geweint, wenn er geschlagen wurde, bin einmal selbst rauf in den Ring und wollte den Gegner hauen. Aber der war so groß, da bin ich wieder weggelaufen.") - und von seiner Mentalität: "Ich will immer noch besser werden." Sein heutiges Privatleben dagegen hält er weitgehend unter Verschluss, gemeinsame Fotos mit der Freundin enthält er der Öffentlichkeit vor. Der Abwehrhüne spricht lieber über seinen Beruf. "Ich lebe nämlich nur für den Fußball und für den Erfolg. Ich will immer weiter nach oben." So einer, noch dazu ausgestattet mit herausragenden fußballerischen Fähigkeiten, hat lange gefehlt in Hamburg, wo in der Vergangenheit schon häufig gute Stimmung innerhalb des Kaders war, aber eben auch immer wieder der Bazillus der Selbstgefälligkeit Einzug gehalten hatte.

Zur Person: Daniel van Buyten

Van Buyten ist davon eindeutig nicht befallen. Er hat Kollegen angesteckt mit seinen Sätzen, hat sie mitgerissen - der Godzilla-Song "Come with me" von Puff Daddy als eigene Tormusik in der AOL Arena könnte nicht passender ausgesucht sein. Auch mit seinem Verhalten animiert er, ihm zu folgen. Weil er vorlebt, was er sagt. "Wenn man zufrieden ist, geht es sofort wieder rückwärts", lautet sein Credo. Und schon durch die Betonung der Worte wird deutlich, dass es für ihn in seiner Karriere auf keinen Fall mehr zurück gehen soll. Nach dem Traumeinstand in Frankreich bei Olympique Marseille durchkreuzten zunächst Probleme mit Trainer Anigo die großen Pläne. Es folgte ein Ausleihgeschäft zu Manchester City, das vor allem im Zeichen einer Rotsperre und einer Verletzung stand.

Hamburg, das Tabellenmittelfeld und der UI-Cup waren im Sommer eher eine Alternative als allererste Wahl für den Belgier. "Ein bisschen", sagt er, "habe ich Bauchschmerzen, wenn ich die Champions League im Fernsehen sehe. Also will ich da wieder hin." Eine kurze Pause, ein entschlossener Blick. Und dann der Zusatz: "Unbedingt." Mit dem HSV oder allein, das lässt van Buyten unausgesprochen, aber irgendwie durchblicken. Das erscheint unromantisch, passt aber.

Der Mann weiß, was er will, was andere von ihm wollen und was er dafür zu tun hat. Er gibt sich professionell im Umgang mit den Medien, höflich und verbindlich den Fans und Sponsoren gegenüber - und vor allem gibt er die viel zitierten einhundert Prozent. Auf dem Platz sowieso, aber auch danach. Beinahe täglich hängt er an die Trainingseinheiten auf dem Platz noch eine im Kraftraum dran. "Ich will mich nie dafür entschuldigen müssen, nicht alles getan zu haben." Ein Musterprofi, wenn auch einer auf Zeit. "Der Reiz nochmal in England zu spielen, ist da", gibt er offen zu.

In Hamburg wissen sie um van Buytens Ambitionen und um die Begehrlichkeiten, die er mit seinen Auftritten in seiner ersten Bundesliga-Saison geweckt hat. Ob die Ansage von Sportchef Dietmar Beiersdorfer, der Abwehrchef sei "unverkäuflich" die Interessenten abschreckt? "Daniel ist ein absoluter Leadertyp", findet HSV-Coach Thomas Doll. Dessen Vorgänger Klaus Toppmöller hat van Buyten exakt gleich charakterisiert und ihn deshalb als Ausländer und Neuzugang auf Anhieb zum Kapitän ernannt. Stolz, gesteht van Buyten, habe er empfunden, aber gleichzeitig auch eine hohe Verantwortung gespürt. Gerade als es nicht lief. Heute konstatiert er: "Ich habe mich durch die ganze Sache weiterentwickelt. Zum Beispiel wenn ich zu meinem Kumpel Emile Mpenza nicht mehr nur wie ein Freund, sondern auch wie ein Kapitän sprechen muss, wenn ich denke, von ihm muss mehr kommen. Es geht schließlich um den gemeinsamen Erfolg." Verantwortung hat er auch übernommen, als es unter Toppmöller nicht lief. "Ich habe mit ihm gesprochen und ihm die Variante vorgeschlagen, Khalid Boulahrouz aus dem Mittelfeld in die Innenverteidigung zu stellen." Ein Wechsel, der in der Nach- Toppmöller-Ära mitentscheidend für den Umschwung war.

Van Buyten als Führungsfigur - Vater Franz erfüllt das mit Stolz. "Ich habe ihm als Motto mit auf den Weg gegeben: Du musst immer Erster sein. Vom Zweiten spricht keiner. Dass er es umsetzt, macht mich glücklich." Der Kapitän war in der vorigen Woche auch der Erste, der in Hamburg die Zurückhaltung aufgab, während Klubbosse, Trainer und Teamkollegen sich noch immer scheuen, die Zielsetzung zu korrigieren. "Wir können die Champions League erreichen. Das wären für den Verein gleich zwei Schritte nach vorn. Es wäre ein großer Sprung." Und der würde passen zu van Buyten.

Sebastian Wolff
 
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