Ich lese gerade...

Malou

Nicht gut mit Worten

London 1770: John Taylor rüstet sich für seinen Tod. An der Seite des einst ebenso berühmten wie berüchtigten Chevaliers steht nur noch ein Sekretär, der selbst ein dunkles Geheimnis hütet. Ihm diktiert der Augenarzt seine Lebensbeichte – die Geschichte jenes Blendwerks, das den Starstecher über Marktplätze in Königsschlösser führte, weil er die Entscheidung über Licht oder Finsternis in seine Hände nahm. Am Ende dieses Weges ist der Mann, der berühmte Zeitgenossen wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel vergeblich von ihren Augenleiden befreien wollte, selber blind. Was ihm im Dunkeln bleibt, ist die Erinnerung an Reisen und Begegnungen, die er in einer Mischung aus Reue und Trotz überliefert. Der Roman erzählt vom Wagen und Scheitern eines legendären Arztes, der als Quacksalber wie ein heutiger Popstar lebte und mit seinen schrecklichen Methoden aus Versehen auch Musikgeschichte schrieb.

Das war ein Zufallsfund, der sich sehr gelohnt hat, jedenfalls bisher (bin etwa halb durch). Der Anfang war etwas skurril, aber da hat mich bereits die Sprache bei der Stange gehalten, und jetzt gefällt mir auch die Geschichte. Es sind zwei Lebensgeschichten, die hier (mit hervorragend verknüpften Erzählebenen) berichtet werden: diejenige des John Taylor, der wirklich existierte, und diejenige seines Sekretärs Urlando (der am Anfang des Buches eigentlich bei Taylor auftaucht, um ihn umzubringen), die m.W. fiktiv ist. Die Sprache ist eine wahre Freude und die historische Recherche zum 18. Jahrhundert ist ebenfalls ausgezeichnet. Hier und da gibt es ein paar langatmige Passagen, aber insgesamt liest sich das Ganze interessant. Ich bin froh, das Buch entdeckt zu haben, das scheint mir eine jener kleinen Perlen zu sein, die aus dem Einerlei der meisten historischen Romane hervorstechen.
 

Malou

Nicht gut mit Worten

Chicago 1920: Hadley Richardson, eine ruhige junge Frau von achtundzwanzig Jahren, hat Liebe und Glück bereits aufgegeben, als sie auf Ernest Hemingway trifft und sofort von seinem guten Aussehen, seiner Gefühlstiefe und seiner Fähigkeit, mit Worten zu verführen, gefangengenommen wird. Nach einer turbulenten Zeit gegenseitigen Umwerbens heiraten die beiden und lassen sich in Paris nieder, wo sie Teil einer schillernden Gruppe Amerikaner werden, unter ihnen Gertrude Stein, Ezra Pound, F. Scott und Zelda Fitzgerald. Doch das Paris der goldenen Zwanziger – fiebrig, glamourös, verwegen und noch vom Ersten Weltkrieg traumatisiert – ist mit den traditionellen Vorstellungen von Familie und Treue unvereinbar.

Von der Idee her interessant, auch war ich auf den ersten Seiten von der guten Sprache angetan. Jetzt bin ich fast durch und finde, dass das Buch hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Die Erzählweise ist viel zu langatmig, zu viele unnötige Details, und Hadley als Ich-Erzählerin ist ein etwas zweischneidiges Schwert. Einerseits hat sie einen guten Blick gewissermaßen "von draußen" auf diese 20er-Jahre-Paris-Künstlerwelt. Andererseits ist sie eine sterbenslangweilige Person und das färbt auch auf das ab, was sie erzählt. Außerdem störten mich die viel zu ausführlichen Kapitel über die Stierquälerei in diesem Scheiß-Pamplona, die ich überschlagen musste.
Am besten gefallen mir die Einblicke in Hemingways Arbeit, seine Selbstzweifel am Anfang, sein Ringen mit sich selbst, seine Veränderung aufgrund der ersten Erfolge, und auch der Umgang mit einigen anderen Autoren jener Zeit. Davon gibt es leider viel zu wenig im Buch. Hemingway bleibt seltsam blass.
 
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