Interview mit M. Sammer

die bunte Kuh

unbefleckte Erkenntnis
17.12.2004
"Wir brauchen viel mehr Selbstbewusstsein"

""Souveränität" ist das Lieblingswort von Matthias Sammer. Nichts wünscht der Trainer des VfB Stuttgart im Jahr 2005 mehr. "Wir brauchen viel mehr Selbstbewusstsein - auf dem Platz und außerhalb."


Herr Sammer, endlich Urlaub - oder?
Matthias Sammer: Ja und nein. Die Zeit ist zu kurz, um jetzt träge und selbstzufrieden die Beine hochzulegen. Das können wir uns nicht erlauben. Deshalb habe ich auch nach dem Spiel gegen Zagreb bewusst darauf hingewiesen, dass wir wach bleiben müssen, damit wir in der Rückrunde voll angreifen können.

Neigt die Mannschaft zur Selbstzufriedenheit?
Matthias Sammer: Nein. Aber die Mannschaft hat in manchen Phasen ein Problem, die nötige Souveränität und Abgeklärtheit zu zeigen. Es darf uns nicht passieren, gegen eine Mannschaft wie Zagreb ins Zittern zu kommen.

Gibt es zu wenig Spieler, die in diesen Phasen Verantwortung übernehmen?
Matthias Sammer: Stimmt absolut. Man darf sich nicht darauf verlassen, dass Alex Hleb als Spielmacher wieder ein Dribbling macht oder Zvonimir Soldo und Silvio Meißner einen weggrätschen. Natürlich werden Typen wie Andreas Hinkel oder Cacau auch in Zukunft nicht zu den Lautsprechern in der Mannschaft werden, aber sie können ihr Selbstbewusstsein auch anders zeigen.

Wie schafft man das - durch Gespräche?
Matthias Sammer: Teils, teils. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass andere mehr Respekt vor uns haben als wir selbst.

Ist das große spielerische Potenzial und Talent der Mannschaft dabei ein Hindernis? Frei nach dem Motto: Die spielen wir her.
Matthias Sammer: Vielleicht. So ganz dahinter gestiegen bin auch noch nicht. Manchmal haben wir unglaubliche Spielszenen. Und im nächsten Moment denke ich: Mein Gott, das kann doch nicht wahr sein. Da wünsche ich mir mehr Konstanz und Geschlossenheit.

Hat das etwas mit Körpersprache zu tun?
Matthias Sammer: 100-prozentig! Einige müssen auf dem Platz dem Gegner signalisieren: Pass auf, bis hier her und nicht weiter!

Es ist also noch Luft nach oben - schöpft die Mannschaft ihr Potenzial aus?
Matthias Sammer: Lassen wir das mal so stehen. Sie hat Potenzial. Aber es wäre optimal, wenn wir noch ein, zwei gestandene Spieler bekämen.

Was verstehen Sie darunter?
Matthias Sammer: Das kann auch ein Spieler um die 23 Jahre sein, der weiß, wie das Spiel geht. Ein 20-Jähriger wäre vielleicht etwas zu grün. Andererseits wäre auch ein Typ wie Trochowski eine Bereicherung.

Und so ein Typ wie Thomas Buffel von Feyenoord Rotterdam?
Matthias Sammer: Der wäre auch okay.

Das heißt, es fehlt ...
Matthias Sammer: Stopp. Das geht mir zu weit. Das Team hat sich jetzt seit zweieinhalb Jahren in der Spitze etabliert, daher will ich nicht von Defiziten sprechen. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem man anderes anstreben sollte.

Wie hat sich die Verbindung Trainer/Mannschaft entwickelt?
Matthias Sammer: Positiv. Aber auf Dauer würde es uns gut tun, wenn alles ein bisschen unberechenbarer wird. Wir waren zwischendurch zu leicht ausrechenbar.

Gilt das auch für Sie?
Matthias Sammer: Auch zu meiner Arbeit gehört eine gewisse Unberechenbarkeit. Es ist immer ganz gut, wenn man den Trott durch antizyklische Aktionen, die eigentlich gar keiner erwartet, aufbricht.

Haben auch Sie von dem Team gelernt?
Matthias Sammer: Klar. Ich habe unter anderem gelernt, dieser Mannschaft nicht ihre eigene Stärke zu nehmen.

Die Stärken sind die eine Seite. Die Schwächen die andere. Gegen Dinamo Zagreb hatte Torhüter Timo Hildebrand eine geringere Fehlpassquote in der Spieleröffnung als beide Innenverteidiger.
Matthias Sammer: Es gibt viele Dinge, die wir verbessern wollen. Dazu gehört auch das Spiel von hinten heraus.

Gibt es auch Spieler, die diesen Weg der Verbesserung nicht mitgehen können? Konkret: Trennt sich der VfB Stuttgart von einigen Spielern?
Matthias Sammer: Das könnte sein. Es wäre aus sportlicher Situation vernünftig. Da führen wir jetzt ein paar offene und faire Gespräche.

Sie drücken sich sehr moderat aus. Ihr Vorgänger Felix Magath war da anders. Er hatte unmissverständliche Forderungen und Visionen. Sie scheinen sich dagegen an den Möglichkeiten zu orientieren.
Matthias Sammer: Felix hat eine ganz andere Geschichte als ich. Das hat ihn geprägt. Was er in manchen Vereinen erlebt hat, blieb mir Gott sei Dank erspart. Vielleicht bin ich am Ende einer, der alleine dasteht, aber ich respektiere die Vereinsarbeit sehr stark. Es mag nach einem Eigentor klingen, aber ich sage immer: Ein guter Verein darf sich nie von einem Trainer abhängig machen. Mit dieser Philosophie ordne ich mich unter.

Das klingt nicht nach dem Selbstbewusstsein, das Sie von Ihren Spielern einfordern.
Matthias Sammer: Das mag sein. Aber vergessen Sie nicht: Nicht der Club hat Verstärkungen gefordert, sondern ich. Es ist alles eine Frage der Art und Weise. Das Einzige, das ich vermisse, ist das Selbstbewusstsein des ganzen Clubs. Wir müssen für uns auch in Anspruch nehmen, Spieler wie Fabian Ernst oder Dede zu kontaktieren. Warum tut sich der VfB damit so schwer? Da muss sich die Denkweise verändern. Wir brauchen viel mehr Selbstbewusstsein.

Ist das ein Minderwertigkeitskomplex?
Matthias Sammer: Möglich. Wenn ja, dann kommt das von uns selbst.

Warum?
Matthias Sammer: Weiß ich nicht. Aber mit allen, mit denen ich in Deutschland über den VfB rede, höre ich dasselbe: Sie haben sehr großen Respekt vor uns. Nur wir selbst nicht.

Fehlen dem VfB die Titel, um dieses Selbstbewusstsein zu entwickeln?
Matthias Sammer: Vielleicht. Trotzdem müssen wir lernen, auch ohne Titel mehr Souveränität zu bekommen - auf dem Platz und außerhalb. Doch Dinge, die Qualität haben, müssen wachsen. Die kann man nicht herbeireden.

Genau das hat Magath kritisiert. Ihm war es im Umfeld zu ruhig.
Matthias Sammer: Das empfinde ich nicht so. Ruhe hat eine Nähe zur Souveränität. Unruhe ist ein Zeichen von Schwäche. Auch Sie können uns nicht zum Titel schreiben. Echte Stärke kommt von innen."

Stuttgarter Nachrichten 17. Dezember 2004


Das klingt doch schon wieder etwas entspannter als nach dem Zagreb-Spiel. :bussi:


MfG
 

regelbert

Der, wo ebbes woiß
Buffel - Dede - Ernst

an diesen Namen erkennt man schon, dass Sammer etwas lange beim BVB war.

Die restlichen Aussagen kann man hingegen unterschreiben.
 

zariz

Bekanntes Mitglied
sammer will spieler like dede und ernst? ... klar ich will diese auch, aber zu moderaten preisen und gehältern! :mahnen:
 
ob ihr es wollt oder nicht... das gehaltsgefüge wird sich wohl bei anhaltendem erfolg anheben! da führt nichts dran vorbei...
auch eure noch jungen talente werden bei der nächsten vertragsverlängerung auf eine austockung des gehalts aus sein.........
...und ich glaub deshalb könnte ein spieler wie dede bald in eure mannschaft passen...
 
B

beribert

Guest
Sammer hat schon Recht, wir sollten manchmal mit breiterer Brust auftreten!!
Dann gewinnen wir so ein Spiel wie in München vielleicht auch einmal........

Trotzdem bin ich sehr zufrieden wie sich das alles bisher entwickelt hat. Der Verein ist weiter auf de richtigen Weg. Mal sehen ob zur Winterpause ein zwei gute Leute dazukommen und ein paar andere gehen..... Wenn es finanziell machbar sein sollte, wäre das sicher eine richtige Maßnahme.
 
Zwei weg und ein Neuer dazu, welcher uns aber wirklich weiterbringt! :mahnen: Auf keinen Fall Verschuldung. Oder besser gesagt, kein Geld ausgeben was man nicht wirklich besitzt!
 
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