Bundesliga
Gladbach: Aufbruchstimmung ist längst der Skepsis gewichen - 24.03.2005 11:13
Dick in Gefahr
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Platz 15, Fußball zum Abgewöhnen, die Fans sind sauer - Borussia Mönchengladbach steckt in arger Bedrängnis. Und Trainer Dick Advocaat (57), der im Winter kräftig einkaufen durfte, steht in der Kritik. Oliver Bitter beschreibt die brenzlige Situation.
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Verzweiflung im Borussen-Park: Jörg Böhme (knieend) wirkt ebenso ratlos wie seine Kollegen.Zumindest die Erinnerung an technische Finessen und munteren Angriffs-Fußball wurde wach im Borussia-Park. Da lupfte Stefan Effenberg den Ball über seinen Gegner, drehte Martin Dahlin seine Pirouetten, flog Uwe Kamps kreuz und quer durch den Strafraum bei seinem Abschiedsspiel am Dienstagabend.
Mit fußballerischer Feinkost werden die Anhänger des fünfmaligen Deutschen Meisters ansonsten nicht verwöhnt. Die Aufbruchstimmung im neuen Stadion ist längst der Skepsis gewichen. Ehrgeizige Pläne verkündet Borussias Vereinsführung, und tapfer loben Präsident Rolf Königs wie Sportdirektor Christian Hochstätter fußballerische Fortschritte, die sich dem kritischen Beobachter allerdings verbergen.
Zumindest offiziell mag niemand in der Chefetage erkennen, dass Borussia wieder mal am Abgrund steht. Denn eine Niederlage gegen Bochum am Sonntag nach Ostern in Verbindung mit einem komplizierten Restprogramm (unter anderem in München, Hamburg und Leverkusen, daheim gegen Stuttgart und Hertha) könnte die Gladbacher in arge Bedrängnis bringen.
Trotz aller Investitionen ist Borussia keinen Schritt weitergekommen. Mit sieben Verpflichtungen in der Winterpause wurde der Klub zum Kaufhaus des Westens und warf damit die Personalpolitik des Sommers völlig über den Haufen. Spieler wie van Kerckhoven, Kampa, Ramovic, die vor der Saison verpflichtet wurden, spielen keine oder kaum eine Rolle. Als größter Flop aber erwies sich Marek Heinz, den sich der Klub für 2,1 Millionen gönnte, der zuletzt aber sogar bei den Amateuren trainieren musste und dessen geplanter Transfer zu Sparta Prag in der vorigen Woche platzte.
Die ehrgeizigen Pläne von der mittelfristigen Rückkehr in einen europäischen Wettbewerb glaubte Borussia mit der Verpflichtung eines Trainers von Weltruf eher zu erreichen. Doch nach einem halben Jahr unter Dick Advocaat (57) ist sportliche Genesung noch nicht zu erkennen. Auch mit dem ehemaligen Bondscoach und Trainer der Spitzenklubs PSV Eindhoven und Glasgow Rangers ist Borussia vor allem eines: ganz dick in Gefahr.
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Interview mit Präsident Königs: "Wir wollen ins obere Drittel - mit Advocaat"
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Was nach Konzeptlosigkeit aussieht, verkauft Borussias Führung als weitsichtige Planung und erbittet lediglich Geduld, dann würden Erfolge schon sichtbar. Advocaat sollte die Fohlen auf Trab bringen - doch schon weht dem Holländer der Wind heftig ins Gesicht.
Das ist durchaus nachvollziehbar, denn Borussias Darbietungen sind unansehnlicher als zu Saisonbeginn. Und Advocaat gefällt sich offensichtlich in der Rolle des bärbeißigen Di(c)ktators, der die Beobachter gerne mal mit bissigen Kommentaren abkanzelt. "Einige wissen gar nicht, wie schwer es ist, auf so einem Untergrund zu spielen", ließ er nach dem 0:0 in Rostock wissen. Wer schönen Fußball sehen wolle, der solle zu den Amateuren gehen, sprach er nach dem 1:0 gegen Wolfsburg. Und zur Abrundung, nach dem 1:2 in Hannover: "Ich kann schließlich nicht in drei Monaten ändern, was sechs Jahre lang schlecht war."
Gemeint war die magere Auswärtsbilanz der Borussia, die unter seiner Regie in acht Auswärtspartien sieglos blieb. Aufs Korn nahm Advocaat damit auch seine Vorgänger Meyer (43 Auswärtsspiele, elf Siege, siehe "Einwurf"), Lienen (acht sieglose Auswärtsspiele) sowie Fach (drei Siege in der Fremde in 19 Partien). Ewald Lienen mochte diese Aussage nicht kommentieren, Advocaats Vorgänger Holger Fach, immer noch Angestellter der Borussia, sagte lediglich: "Wir haben mit Rang elf im vorigen Jahr die beste Platzierung seit dem Aufstieg erreicht. Nirgendwo wird alles richtig gemacht, sicher auch jetzt nicht bei der Borussia."
Der Spaßfaktor ist gering derzeit in Mönchengladbach. Es drängt sich der Eindruck auf, dass da elf Individualisten vor sich hinwursteln. Zur Entlastung kann Advocaat lediglich ins Feld führen, dass eine runderneuerte Mannschaft nun mal Zeit braucht, um sich zu finden. Und ausgerechnet Christian Ziege sowie Giovane Elber, die wichtige Integrationsfiguren sein könnten, fallen wegen Verletzungen seit geraumer Zeit und im Fall Ziege auch noch länger aus.
An seinen Ergebnissen, betont Advocaat stets, will er sich messen lassen. Mit einem Sieg gegen Bochum könnte das Resultat noch ganz ordentlich ausfallen. Bei einer Niederlage aber steckt Gladbach ganz dick im Schlamassel.