Jara-Interview zur Vorrunde

„Ciri soll sich aus Vereinspolitik raushalten"

FCK-Trainer Kurt Jara ist zufrieden mit der Zwischenbilanz einer völligneu aufgebauten Mannschaft. Auf das Comeback der Leitfigur Ciriaco Sforza hat der Trainer des 1. FC Kaiserslautern gehofft, aber nicht damitgerechent. Jara setzt auf die Früchte der neuen Konkurrenzsituation.

Herr Jara, der FCK hat zur Halbzeit der Saison 21 Punkte auf dem Konto. Das ist einer mehr als die Hälfte, die Sie als Ziel ausgegeben haben. Zufrieden mit der Zwischenbilanz?


Im Großen und Ganzen wäre ich auch mit den 20 Punkten zufrieden gewesen. Jeder Punkt gegen einen Großen wie Bremen ist ein Zusatzpunkt im Abstiegskampf. 20 Punkte waren genau das, was ich mir zum Ziel gesetzt habe. Es wird immer die Diskussion geben, dass es mehr sein könnten. Es war ja auch nicht so, dass wir die Spiele, die wir verloren haben, alle hätten verlieren müssen: In Schalke haben wir mit einem Tor Unterschied verloren, in Wolfsburg in der letzten Minute, in Gladbach durch ein Handtor, in Hannover unglücklich. Gegen Stuttgart hätten wir das 3:1 machen können. Wir hatten daheim nur gegen Nürnberg und Hertha absolut keine Chance. Man darf bei allem nicht vergessen, dass wir eine total neue Mannschaft haben.


Sie haben nach der auch finanziell bedingten Zäsur im Sommer neun neue Spieler verpflichtet. Mit Selim Teber, der aus Salzburg zurückkam, haben Sie praktisch einen zehnten Neuen bekommen, weil ihn niemand wollte. Der Prozess des Neuaufbaus dauert beim 1. FC Kaiserslautern an - oder?


Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Nicht alle zehn Spieler haben vorher schon Bundesliga gespielt. Und die, die etabliert waren, hatten in den letzten zwei Jahren nicht die Einsätze, die sie sich erwartet hatten. Dieser Prozess braucht einfach seine Zeit. Durch die Euphorie um die neue Mannschaft in der Vorbereitung ist alles zu positiv gesehen und beurteilt worden. Von dieser Kritik schließe ich mich nicht aus. Die Symptome waren da, ich hätte sie deutlicher ansprechen müssen. Wir haben dann von Vierer- auf Dreierkette umgestellt, dann wieder auf Viererkette. Die Mannschaft musste sich finden. Mit der Zeit hat sich das komplette Abwehrverhalten verändert.


Stichwort Symptome: Sie hatten in der Vorbereitung immer wieder das Ziel ausgegeben, dem Gegner so wenig Chancen als möglich zu gestatten. Aber selbst sechstklassige Gegner wie Traunstein hatten trotz eines Lauterer Schützenfestes so viele Chancen, dass Florian Fromlowitz der beste Mann auf dem Platz war ...


Stimmt. Wir haben die Spiele gewonnen, aber dem Gegner Chancen gelassen, die in der Bundesliga genutzt werden. Es war ein Fehler, das nicht deutlicher anzusprechen und nicht entschiedener gegen zu steuern.


Herr Jara, mal ehrlich: Haben Sie im heißen Herbst wirklich geglaubt, Weihnachten noch als FCK-Trainer zu erleben?


Wenn ich irgendwann daran gedacht hätte, weg zu sein, dann wäre ich wohl nicht mehr da. Denn dann hätte ich die Mannschaft nicht überzeugen können. Das Wichtigste für mich war und ist, dass die Mannschaft zu mir steht, mit mir arbeitet, im Training und im Spiel versucht, die Dinge, die ich vorgebe, umzusetzen. Genauso wichtig war, dass der Vorstand immer zu mir gestanden hat. Wir sind immer offen und ehrlich miteinander umgegangen. Natürlich hätte es passieren können, dass ich gehen muss, wenn wir gegen Bielefeld nicht gewonnen hätten. Vielleicht wäre es passiert. Wer weiß das schon ... Für mich ist die Hauptaufgabe nun, mit der Mannschaft weiterzukommen.


Sie haben im Frühjahr im Abstiegskampf die Ruhe behalten, nun auch in der Krise selten hektisch reagiert. Nur nach dem Pokalspiel gegen Schalke flippten Sie aus. Ein Fehler, kritisierte Ihr Boss ...


Da hatte sich bei mir viel aufgestaut. Aber ich hätte besser ein, zwei Tage drüber schlafen, nicht so spontan reagieren sollen. Das war ein Fehler.


Ihr Boss sagte, er wolle, wenn nach der Vorrunde 20 Punkte erreicht sind, mit Ihnen über eine dann mögliche Vertragsverlängerung sprechen. Jetzt sind"s 21. Hat René C. Jäggi schon mit Ihnen geredet?


Nein. Ich bin keiner, der nach ein paar erfolgreichen Spielen von sich aus kommt und sagt, komm" wir müssen jetzt über einen neuen Vertrag reden. Es geht jetzt eher darum, die richtigen Entscheidungen für die nähere Zukunft zu treffen - unabhängig davon, ob ich hier Trainer bleibe oder ein Neuer kommt. Durch die bekannten Wechselabsichten von Tim Wiese schauen wir uns auf dem Torwartmarkt um. Durch Tims Verletzung müssen wir jetzt auch entscheiden, ob wir das Risiko eingehen wollen, mit Thomas Ernst und Florian Fromlowitz in die Rückrunde zu gehen, ohne zu wissen, wann Tim Wiese zurück kommt. Es bringt jetzt nichts, schnell, schnell über einen neuen Vertrag für mich zu reden und im Frühjahr stehen wir, wenn es schlecht läuft, wieder unten, und haben ein Problem. Der HSV hatte mir, als es gut lief, wir Vierter geworden sind, auch einen langfristigen Vertrag angeboten. Ich bin mehr für kürzere Laufzeiten, habe damals auch nur um ein Jahr verlängert. Dann fällt die Trennung leichter.


Sie haben - Selim Teber inbegriffen - zehn Neue geholt. Stimmen Sie zu, dass in der Zwischenbilanz Ioannis Amanatidis, Marco Engelhardt, der sogar Nationalspieler geworden ist, und Ferydoon Zandi schon jetzt Verstärkungen sind, obwohl alle frei noch große Reserven besitzen und in Zukunft ausschöpfen können?


Ja, aber ich würde auch Carsten Jancker und Ingo Hertzsch zu den absoluten Verstärkungen dazuzählen. Klar, Jancker wird an Toren gemessen, er hat bisher nur drei geschossen. Aber er hat eine Reihe unserer Tore vorbereitet. Er ist im Training sicher nicht so dominant, aber im Spiel mit seiner Kampfkraft ein Vorbild und ganz wichtig für die Mannschaft. Die Verpflichtung hat sich gelohnt. Bei uns sind die Tore auf sehr viele Spieler verteilt. Das ist kein Nachteil. Ingo Hertzsch bringt nach anfänglichen Schwierigkeiten seine Leistung, nicht spektakulär, aber sehr zuverlässig. Deshalb wird er in der Öffentlichkeit immer etwas unterschätzt und nicht so anerkannt, was ihm weh tut. Ioannis Amanatidis hat lange gefehlt, nach seinem Beinbruch einige Spiele gebraucht, ehe er seine Form hatte. Er ist eine absolute Bereicherung. Marco Engelhardt und Ferydoon Zandi kamen aus der Zweiten Liga, sind auf Anhieb wertvolle Stammspieler, die aber beide noch großes Steigerungspotenzial haben.


Christian Nerlinger ist lange ausgefallen und kaum zu beurteilen ...


Er wollte viel bewegen, wurde dann operiert. Da muss man das Frühjahr abwarten, um ihn zu bewerten.


Jochen Seitz startete gut, hing dann durch, fehlte oft ...


Jochen hatte eine sehr gute Vorbereitung. Durch kleinere Verletzungen und Krankheiten ist er immer wieder zurückgeworfen worden. Die Mannschaft hatte sich ohne ihn gefunden. So war er einige Male gar nicht im Kader.


Mihael Mikic war in der Vorbereitung überragend, beim Saisonbeginn in der Startelf. Er hat jetzt lange zugesehen, obwohl er im Training zeigt, dass er"s kann. Was wird mit ihm?


Mikic hat Ansätze. Es ist seine erste Station im Ausland. Er muss weiter an sich arbeiten, sich weiter verbessern. Er ist oft noch zu hektisch. Vielleicht braucht er auch das zweite Jahr und dann geht der Knopf auf. Er ist ein positiver Typ, immer gut drauf, immer mit guter Laune bei der Arbeit und bei der Mannschaft. Er identifiziert sich total mit dem Team, auch wenn er nicht spielt. Das wird sicher noch belohnt.


Jurgen Gjasula ist 18, talentiert, sehr selbstbewusst. Ist seine Ungeduld seine größte Schwäche?


Er ist ein großes Talent. Er hat fußballerisch alle Möglichkeiten. Er hatte wohl den ein oder anderen Einflüsterer, der ihm einreden wollte, dass er gleich spielen muss. Durchstarten aber geht in der Bundesliga nicht. Er ist ein absolutes Talent, muss aber hart und gezielt arbeiten, um seine Schwächen, beispielsweise in der Defensive, abzustellen.


Mit Teber, Kosowski und Sforza haben Sie praktisch drei Verstärkungen bekommen. Alle drei waren längst abgeschrieben und haben irgendwann doch groß aufgetrumpft. Wie sehen Sie das Trio?


„Ciri" hat gegen Freiburg und Mainz hervorragend gespielt. Ich habe immer auf ihn gehofft, aber nicht mit ihm gerechnet. Und wenn, dann erst im Frühjahr. Er hatte in den Spielen sicher mal einen Hänger drin, aber für die Mannschaft war er durch seine Präsenz sehr wertvoll. Teber kannte ich nicht. Er ist ein Instinktfußballer, macht, was ihm gerade in den Kopf kommt. Vom Typ her ein idealer Joker. Selim gibt in jedem Training Vollgas. Deshalb gebe ich ihm auch immer seine Einsätze. Kamil Kosowski spielt jetzt genau das, was er sich vorgenommen hat. Die Mannschaft müsste ihn noch besser einbinden. Es freut mich sehr, dass er sein Potenzial jetzt abruft. Es zahlt sich aus, dass ich ihn nach dem HSV-Spiel, als er versagt hatte, nicht fallengelassen habe.


Ciriaco Sforza ist in einem Interview der „Sport-Bild" hart mit seinen Kollegen ins Gericht gegangen. Trainieren Sie wirklich nur „Ich-AGs"? Oder ist Sforza mit solchen Äußerungen nicht auch kontraproduktiv und schadet dem Teamgeist, um den sich gerade Jungs wie Engelhardt oder Riedl bemühen?


Ich kenne „Ciri" seit er 16 ist. In den ersten Jahren seiner Karriere hat er gar nichts gesagt, da hat er überhaupt nicht gesprochen. Ich habe das später verfolgt, wie er sich entwickelt hat, dass er immer mal wieder gezielte Dinge absetzte, um etwas zu erreichen. Auch hier beim FCK, damals bei Otto Rehhagel. Sforza ist lange hier im Verein, zum dritten Mal da, er hat eine besondere Sicht der Dinge, einen besonderen Bezug. Ich habe ihm gesagt, er soll sich auf den Fußball konzentrieren, die Antworten auf dem Platz durch Leistung geben. Hat er sportlich ein Problem, soll er zu mir kommen, hat er eins mit dem Verein, dann muss er zu René C. Jäggi gehen. Ansonsten aber soll er sich aus der Vereinspolitik raushalten und gut Fußball spielen.


Ihr Kapitän Timo Wenzel ist zum Problemfall geworden ...


Timo hat sich die Ernennung zum Kapitän durch seine Leistungen im letzten halben Jahr absolut verdient. Er hat seine Form in dieser Runde nicht gefunden, er war bei vielen Gegentoren dabei. Auch, weil er versucht hat, Verantwortung zu übernehmen. Er wollte, gerade als Kapitän, helfen und sah schlecht dabei aus. Auch weil er sich nicht versteckt hat. Er war ja vorher noch nie Kapitän und hat - unbewusst - geglaubt, sich durch die Binde um zu viele Dinge kümmern zu müssen.


Aber Wenzel bleibt FCK-Kapitän?


Ja, er bleibt Kapitän. Außer er kommt und sagt, er will das nicht mehr. Bis jetzt war er nicht da und ich glaube auch nicht, dass er deswegen kommt. Man sieht ja im Training, dass er sich absolut professionell verhält. Man hat gesehen, dass er die Entscheidung akzeptiert und richtig darauf reagiert hat. Er ist im Training wieder im Kommen, arbeitet sehr engagiert und konzentriert. Er kann im nächsten halben Jahr einen Neuanfang machen. Die Klasse hat er.


Aber die Konkurrenz-Situation ist härter für ihn geworden. Auch durch Lucien Mettomo, der überzeugend gespielt hat.


Es wird neue Konkurrenz geben - auch im Mittelfeld. Sforza ist zurück, Christian Nerlinger wird zurückkommen. Thomas Riedl hat sich etabliert. Das kann nur gut für uns sein und von Vorteil für mich als Trainer.


Sie wollen den Kader in der Winterpause verkleinern? Wie stark soll reduziert werden? Was ist für Sie die ideale Größe?


Wir haben 28 Spieler. Das sind zu viele! Es ist der Wunsch, bis zu vier abzubauen. Ob die Möglichkeit besteht, muss abgewartet werden. Bestehende Verträge akzeptieren wir und halten wir ein. Da sage ich nicht, den und den will ich nicht mehr sehen. Es sei denn, es kommen gravierende Dinge vor. Ich habe immer gesagt, ideal sind 22 Feldspieler plus zwei oder drei Torhüter.


Hat diese Mannschaft Zukunft?


Man hat im vergangenen Sommer einen Schnitt gemacht. Wenn ich sehe, welche Spieler wir verloren haben: Klose, Knavs, Hristov, Lokvenc ... Wir haben eine völlig neue Mannschaft aufgebaut. Ich glaube, dass man mit diesem Gerippe und einer kleinen Kaderveränderung etwas erreichen kann. Es darf aber kein reiner Austausch sein, sondern es muss mehr Qualität sein.


Herr Jara, seit einem knappen Jahr ist Olaf Marschall Teammanager. Wie läuft die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht?


Die läuft ganz normal. Für mich ist aber der Vorstandsvorsitzende der alleinige Ansprechpartner, so ist das auch vertraglich vereinbart. Es gibt mit Olaf aber keine Probleme, wir reden offen.


Ein Verein wie der FCK muss doch allein schon aufgrund seiner Finanzlage verstärkt im eigenen Talentschuppen Nachwuchs für den Profikader rekrutieren. Der Fröhnerhof muss Talente rausbringen, damit die Investitionen Zinsen tragen, sich der Aufwand lohnt. Warum lassen Sie sich nicht bei den Spielen der Amateure und der Jugend in der Junioren-Bundesliga blicken? Das würde die Jungs doch auch motivieren, wenn der Profitrainer kommt. Und Sie würden sehen, ob ein Henn, ein Akten, ein Kumbela, ein Sippel, ein Schönheim befördert werden kann.


Das ist schon richtig. Aber wenn ich schon 28 Profis habe, dabei sind schon Jüngere wie Patrick Wittich und Michael Lehmann, dann kann ich nicht noch ständig vier Leute aus der Oberliga mittrainieren lassen. Ich habe ja Henn, da Veiga und Damm schon bei uns mittrainieren lassen, habe sie gegen Guimares auch eingesetzt. Die Spieler müssen sich weiter in der Oberliga durch Leistung beweisen. Ich habe vollstes Vertrauen, dass mir unser Amateurtrainer Hans-Werner Moser die richtigen Leute empfiehlt. Ich muss mich nicht ständig bei den Amateuren sehen lassen, nur um meine Ruhe zu haben. Ich habe meine Leute und deren Hinweisen vertraue ich.


Das Gespräch führte Horst Konzok

ron.de
 
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