Mit Ecken und Kanten / veröffentlicht: 05.01.05 - 10:13,
Autor: KARSTEN KELLERMANN
Marbella (RP). Jörg Böhme freut sich auf den Neuanfang am Niederrhein. Borussia Mönchengladbach setzt auf die dynamische Spielweise des früheren Schalkers.
Viele sagen, im Bundesliga-Kader von Borussia Mönchengladbach gebe es zu wenig Typen. Fußballer, die auf dem Platz etwas Ausgefallenes tun und damit die Mannschaft mitreißen. Jörg Böhme ist so einer. Einer, der nicht ins Schema des Durchschnittsprofis passt, einer mit Ecken und Kanten. Einer, der seine Arbeit „zwischen Genie und Wahnsinn“ verrichtet, wie sein früherer Trainer Werner Lorant mal sagte.
Borussia holte Böhme vom FC Schalke 04, wo er in der Hinrunde nur 56 Minuten spielte. Mit Schalkes Ex-Trainer Jupp Heynckes kam der 30-Jährige nicht zurecht, war darum außen vor. Und auch bei Ralf Rangnick kam er nicht zum Zug. „Die Mannschaft spielte nach dem Trainerwechsel gut, da war es schwer für mich. Ich wollte ja schon im Sommer nach Gladbach gehen, da hat Schalke aber ein Veto eingelegt. Nun habe ich grünes Licht bekommen“, sagt Böhme.
Neuanfang am Niederrhein
Er freut sich auf den Neuanfang am Niederrhein, „weil ich endlich wieder spielen will, hier reizt mich die sportliche Perspektive“. Auf der linken Seite soll er Dienst tun, dort, wo zuletzt Peer Kluge durchaus überzeugte, nun aber wohl weichen muss.
Der zehnmalige Nationalspieler Böhme soll die Mannschaft inspirieren mit überraschenden Aktionen, er soll mit seiner dynamischen Spielweise Druck machen und Torgefahr erzeugen. Und das mit Kapitän Christian Ziege im Rücken, der sich auf die Zusammenarbeit mit Böhme freut: „Wir haben das in der Nationalmannschaft auch gespielt, leider aber nur ein Mal gegen Finnland.“
Doch Böhme ist auch einer, der polarisiert. „Entweder man mag mich, oder man mag mich nicht“, sagt „der Verrückte“ (Schalke-Manager Rudi Assauer). Mitte der 90er Jahre fiel Böhme eher durch gelegentlich rüpelhaftes Benehmen abseits des Platzes als durch gute Leistungen auf. Zu Beginn seiner Karriere wechselte er zudem fast im Jahrestakt die Vereine, erst in Schalke fand er seine fußballerische Heimat.
Disco-Affäre
Doch auch „auf Schalke“ gab es Höhen und Tiefen. Bei den Königsblauen wurde er Nationalspieler, schoss Aufsehen erregende Tore, war aber auch immer wieder ein Problemfall. Privat wurde er nach der Geburt seines Sohnes Eric im Januar 1998 ruhiger („Meine Sturm- und Drangphase ist vorbei“), doch kam er bei Schalke mit einer Disco-Affäre in die Schlagzeilen.
In Gladbach hoffen sie, allein die gute Seite von Jörg Böhme zu bekommen. Trainer Dick Advocaat kennt die Stärken seines neuen Spielers, seit er ihn in einem Länderspiel des DFB-Teams gegen die Niederlande in der Arena AufSchalke sah; beim 1:3 der Deutschen gegen Advocaats Oranje zeigte Böhme seines beste Leistung im Adler-Dress. Allerdings wird Borussias Disziplin liebender Trainer keine Verrücktheiten jenseits des Spielfeldes dulden.
Und auch keine unnötige Unbeherrschtheiten auf dem Platz, die oft Böhmes Manko waren. Er selbst führt das auf übertriebenen Ehrgeiz zurück: „Ich will manchmal zu viel auf einmal.“ Dennoch ist sich Böhme sicher, dass es keine Komplikationen mit Advocaat geben wird. Der Linksfuß will helfen, dass Borussia aus dem Tabellenkeller kommt. „Die Mannschaft ist klar besser als ihr Tabellenplatz“, findet Böhme. Er will dazu beitragen, dass sie das endlich unter Beweis stellen kann.