DÄN-de-Borussia
Pottkind im Norden
Beim Viertligisten Ludwigsfelder FC lässt der 34 Jahre alte Ex-Nationalspieler Jörg Heinrich seine Fußballer-Karriere ausklingen
Von Peter Stützer
Alles hat eine Geschichte, der Anfang einer Karriere und das Ende, und dazwischen liegen noch ganz viel mehr Geschichten. Fangen wir dazwischen an. Jörg Heinrich (34) hat mal 25 Millionen Mark gekostet. So viel musste der AC Florenz vor sechs Jahren an Borussia Dortmund bezahlen, weil er dort Nationalspieler war und Gewinner der Champions League (1997), des Weltpokals (1997), der deutschen Meisterschaft (1996). Ein ganz Großer also. Heinrich, der in der DDR Industriemechaniker lernte, hatte spätestens jetzt eine westliche Wertvorstellung. 25 Millionen Mark. Zwei Millionen Jahresgage. Zig Millionen Zuschauer am Fernseher, wenn er mittwochs im Europacup spielte.
Vorige Woche Mittwoch hat Heinrich wieder gespielt, beim SV Lichtenberg 47 und 234 Leute haben zugeschaut. 234.
Sein neuer Klub heißt Ludwigsfelder FC. NOFV-Oberliga, Staffel Nord, vierte Liga. Vor den Toren Berlins überschneiden sich die Geschichten vom Anfang und vom Ende seiner Karriere. Die BSG Motor Optik Rathenow war der erste Verein des jungen Heinrich. Und sein erster Trainer hieß Jürgen Parpat. Heinrich war ein Talent und wurde in die Kinder- und Jugendsportschule von Vorwärts Frankfurt/Oder beordert, aber er war nicht groß genug, deshalb schickte man ihn wieder rückwärts, zurück nach Rathenow.
Von dort also ging Heinrich klein in die weite Welt hinein: Velten, Emden, Freiburg, Dortmund, Florenz, wieder Dortmund. Und letztes Jahr Köln, der Abstieg aus der Bundesliga war der unrühmliche Abgang. Keine üble Karriere, es kommen ja noch 37 Länderspiele dazu. "Vor 15 Jahren in der DDR hatte ich noch ganz andere Ziele." Jetzt ist er wieder zurück. In der Heimat und zurück bei Parpat.
Der einstige Förderer ist heute Manager in Ludwigsfelde, und jetzt weiß man auch, warum der gewachsene Heinrich dort kickt. Weil rostet, wer rastet, weil er in den vergangenen zwei Monaten zu viele einsame Waldläufe absolviert hat, weil er noch etwas Spaß haben will. Es sind neue Verhältnisse, er muss sich dran gewöhnen. Sein Trikot, seine Stutzen, wäscht, die Schuhe putzt er selber. Die Kollegen sind Studenten, Umschüler, Berufstätige. "Mit Profitum hat das hier nichts zu tun." Es wird drei Mal die Woche trainiert, manchmal vier Mal, Beginn 18 Uhr, nach Dienstschluss. Und es geht ordentlich zur Sache in Liga vier. "Ich bin erschrocken, wie schnell das hier abgeht." Heinrich spielt nicht mehr links, sondern zentral, "da kann ich mehr helfen". Beim 4:0 gegen Lichtenberg hat er ein Tor gemacht. Das erste Spiel gegen Türkiyemspor ging leider in die Binsen (0:1). Es muss mehr geredet werden in der Mannschaft, sagt Heinrich, dafür will er sorgen. "Die trauen sich nicht." Als großer Redner galt er eigentlich nie.
Und die 234 Zuschauer? Heinrich behauptet, die mangelnde Aufmerksamkeit stört ihn nicht. "Ich muss mich nicht mehr bewundern lassen." Und er müsse niemandem etwas beweisen. Auch nicht sich selbst.
Aber er gibt auch zu: Ein schönes Karriereende ist diese Geschichte nicht. Der Abstieg mit dem 1. FC Köln nagt noch am späten Selbstwertgefühl. "Ich konnte ihn alleine nicht verhindern." Am Ende hat er nicht mal mehr gespielt und deshalb hegt Heinrich auch heute noch einen gehörigen Groll auf den Trainer, "wie hieß der noch?", Marcel Koller. "Da war einer am Werk, da wurde einer verpflichtet, der keinen Spieler kannte. Der alle über 28 aussortiert hat." Im Kampf gegen den Abstieg sind aber erfahrene Kräfte wichtig. "So hat er das Ding vor die Wand gefahren. Eine Schande. Ganz bitter. Schade für den Verein."
Und bitter für Heinrich. Denn mit dem Abstieg war auch sein Vertrag nichts mehr wert. Zwar hat Wolfgang Overath noch mal nachgefragt. Doch als der neue Präsident Heinrichs Frage nach dem zukünftigen Trainer mit dem Namen Koller beantwortete, war der Spieler gleich aus der Tür. "Die Tribüne muss ich mir nicht mehr antun." Erst später wurde Overath klüger und ersetzte Koller durch Huub Stevens. Jörg Heinrich meldet sich arbeitslos, wegen der Versicherungen. Er ist reamateurisiert, statt eines Profivertrages hat er jetzt wieder einen Spielerpass. Gerne möchte er mit seinem Manager, Eckhard Wassong aus Erkelenz, zusammen arbeiten, als Spielerberater also. Zum Ende der Karriere entsteht eine ganz neue Geschichte.
MoPo
Von Peter Stützer
Alles hat eine Geschichte, der Anfang einer Karriere und das Ende, und dazwischen liegen noch ganz viel mehr Geschichten. Fangen wir dazwischen an. Jörg Heinrich (34) hat mal 25 Millionen Mark gekostet. So viel musste der AC Florenz vor sechs Jahren an Borussia Dortmund bezahlen, weil er dort Nationalspieler war und Gewinner der Champions League (1997), des Weltpokals (1997), der deutschen Meisterschaft (1996). Ein ganz Großer also. Heinrich, der in der DDR Industriemechaniker lernte, hatte spätestens jetzt eine westliche Wertvorstellung. 25 Millionen Mark. Zwei Millionen Jahresgage. Zig Millionen Zuschauer am Fernseher, wenn er mittwochs im Europacup spielte.
Vorige Woche Mittwoch hat Heinrich wieder gespielt, beim SV Lichtenberg 47 und 234 Leute haben zugeschaut. 234.
Sein neuer Klub heißt Ludwigsfelder FC. NOFV-Oberliga, Staffel Nord, vierte Liga. Vor den Toren Berlins überschneiden sich die Geschichten vom Anfang und vom Ende seiner Karriere. Die BSG Motor Optik Rathenow war der erste Verein des jungen Heinrich. Und sein erster Trainer hieß Jürgen Parpat. Heinrich war ein Talent und wurde in die Kinder- und Jugendsportschule von Vorwärts Frankfurt/Oder beordert, aber er war nicht groß genug, deshalb schickte man ihn wieder rückwärts, zurück nach Rathenow.
Von dort also ging Heinrich klein in die weite Welt hinein: Velten, Emden, Freiburg, Dortmund, Florenz, wieder Dortmund. Und letztes Jahr Köln, der Abstieg aus der Bundesliga war der unrühmliche Abgang. Keine üble Karriere, es kommen ja noch 37 Länderspiele dazu. "Vor 15 Jahren in der DDR hatte ich noch ganz andere Ziele." Jetzt ist er wieder zurück. In der Heimat und zurück bei Parpat.
Der einstige Förderer ist heute Manager in Ludwigsfelde, und jetzt weiß man auch, warum der gewachsene Heinrich dort kickt. Weil rostet, wer rastet, weil er in den vergangenen zwei Monaten zu viele einsame Waldläufe absolviert hat, weil er noch etwas Spaß haben will. Es sind neue Verhältnisse, er muss sich dran gewöhnen. Sein Trikot, seine Stutzen, wäscht, die Schuhe putzt er selber. Die Kollegen sind Studenten, Umschüler, Berufstätige. "Mit Profitum hat das hier nichts zu tun." Es wird drei Mal die Woche trainiert, manchmal vier Mal, Beginn 18 Uhr, nach Dienstschluss. Und es geht ordentlich zur Sache in Liga vier. "Ich bin erschrocken, wie schnell das hier abgeht." Heinrich spielt nicht mehr links, sondern zentral, "da kann ich mehr helfen". Beim 4:0 gegen Lichtenberg hat er ein Tor gemacht. Das erste Spiel gegen Türkiyemspor ging leider in die Binsen (0:1). Es muss mehr geredet werden in der Mannschaft, sagt Heinrich, dafür will er sorgen. "Die trauen sich nicht." Als großer Redner galt er eigentlich nie.
Und die 234 Zuschauer? Heinrich behauptet, die mangelnde Aufmerksamkeit stört ihn nicht. "Ich muss mich nicht mehr bewundern lassen." Und er müsse niemandem etwas beweisen. Auch nicht sich selbst.
Aber er gibt auch zu: Ein schönes Karriereende ist diese Geschichte nicht. Der Abstieg mit dem 1. FC Köln nagt noch am späten Selbstwertgefühl. "Ich konnte ihn alleine nicht verhindern." Am Ende hat er nicht mal mehr gespielt und deshalb hegt Heinrich auch heute noch einen gehörigen Groll auf den Trainer, "wie hieß der noch?", Marcel Koller. "Da war einer am Werk, da wurde einer verpflichtet, der keinen Spieler kannte. Der alle über 28 aussortiert hat." Im Kampf gegen den Abstieg sind aber erfahrene Kräfte wichtig. "So hat er das Ding vor die Wand gefahren. Eine Schande. Ganz bitter. Schade für den Verein."
Und bitter für Heinrich. Denn mit dem Abstieg war auch sein Vertrag nichts mehr wert. Zwar hat Wolfgang Overath noch mal nachgefragt. Doch als der neue Präsident Heinrichs Frage nach dem zukünftigen Trainer mit dem Namen Koller beantwortete, war der Spieler gleich aus der Tür. "Die Tribüne muss ich mir nicht mehr antun." Erst später wurde Overath klüger und ersetzte Koller durch Huub Stevens. Jörg Heinrich meldet sich arbeitslos, wegen der Versicherungen. Er ist reamateurisiert, statt eines Profivertrages hat er jetzt wieder einen Spielerpass. Gerne möchte er mit seinem Manager, Eckhard Wassong aus Erkelenz, zusammen arbeiten, als Spielerberater also. Zum Ende der Karriere entsteht eine ganz neue Geschichte.
MoPo