Klassiker - alte Bücher müssen nicht angestaubt sein

Malou

Nicht gut mit Worten
Aber "Die Welt von gestern" nehme ich mir vom Elternhaus mit.
Ah, das steht auch auf meiner Liste.
Freu dich weiter an deinem Buch
Danke!
und sag mir doch mal bitte am Schluss, ob dir die Melancholie auch so ein bisschen zuviel wurde wie mir meistens bei Zweig.
Melancholie wird mir eigentlich nie zu viel. Außerdem ist es verglichen mit den beiden literarischen Texten, mit denen ich gerade beruflich zu tun habe, noch richtig lebensbejahend ;). Aber ja, ich werde Rückmeldung geben :).
 

Blue2021

Bekanntes Mitglied
Aber "Die Welt von gestern" nehme ich mir vom Elternhaus mit.
Von Stefan Zweig kenne ich nur die Schachnovelle, Ungeduld des Herzens und Angst.
Angst ist eine Novelle, und es geht um die Ängste einer Ehebrecherin. Ich habe selten ein Buch gelesen, in dem Ängste, die auch körperlich werden, so eingängig geschildert wurden - man erlebt es förmlich mit.
 

Cheeria

Bekanntes Mitglied
Die "Schachnovelle" ist mindestens 2 x verfilmt, zuletzt vor zwei (?) Jahren.

Und grobgeschnitzt bei Playmobil gibt es auch eine der oft sehr witzigen to-go-Zusammenfassungen bei Sommers Weltliteratur (tube). Natürlich bleibt Zweigs Innenleben da nur in Fragmenten übrig.

An "Angst" habe ich gar keine Erinnerungen. Was du beschreibst kann ich mir gut vorstellen!
 

Malou

Nicht gut mit Worten
So, gestern Nacht zu Ende gelesen. Ein wirklich tolles Buch.

Zweigs Sprache ist eine Klasse für sich, der Mann konnte Sprache einfach. Er spielt so elegant mit ihr, dass allein schon das eine wahre Freude ist. Und, wie gesagt, bleibt dabei im Stil absolut zugänglich. Das Buch liest sich leicht, durchweg.

Die Atmosphäre - Zweig kannte die k.u.k.-Welt und das merkt man. Ich bin bei historischer Atmosphäre sehr pingelig, er hat sie absolut getroffen. Ich war mitten drin, sowohl in der allgemeinen k.u.k. Welt wie auch in diesem Soldatenumfeld und in dem ungarischen Landadel (bzw. nicht ganz Landadel - aber auch da: hervorragend getroffen. Der Emporkömmling, von dem sich der "echte" Adel natürlich penibel fernhält, denn "man muss schon drauf schauen, was man für einen Umgang pflegt.). Ich bin eingetaucht in diese Welt, es gelingt einem Roman nicht oft, mich so hineinzuziehen.

Zweigs Gespür für Psychologie, immer wieder bemerkenswert. Auch hier, es ist ganz faszinierend. Es wird sehr emotional, überemotional, gar nicht mein Fall, und er hätte schon ein paar Schippen davon wegnehmen können, aber es bleibt trotzdem faszinierend und auch glaubhaft. Eben weil er es psychologisch so herrlich aufbauen kann, weil die Geschehnisse schlüssig sind. Bei jemandem mit weniger Gespür und Talent in dieser Hinsicht hätte es überzogen und unglaubwürdig gewirkt. Hier nicht. Ausgezeichnet gelungen.

Die vielen Ebenen. Zweig erzählt uns Geschichten in Geschichten in Geschichten. Es ist unglaublich, wie er mit den Erzählebenen spielt. So viele Erzählstränge, alle laufen völlig harmonisch zueinander und verbinden sich. Auch hier: ganz großes Kino.

Also: ich hab's genossen, sehr genossen. Es ist schön, dass es noch solche Bücher gibt, bei denen einfach so viel Können vorhanden ist und so viel stimmt.
 

Cheeria

Bekanntes Mitglied
Wunderbar beschrieben!
Halloo! :) Natürlich kannte er die Habsburger Monarchie, in die er geboren war und die er bis zu ihrem Untergang miterlebte. Der Geist war ja auch noch lange danach vorhanden. Er ist schon glaubhaft in dem, was er schildert. Nur die überall stattfindenden Seelengänge (Zeitalter Freuds^^) sind mir zu lang. Das will ich nur in kurzen Ausflügen wissen, weil es dazugehört, um zu verstehen. Ist sicher auch Lesertypsache.
Aber was der Mann für ein bewegtes und interessantes Leben hatte! Schade, dass wir nie erfahren, was danach noch an Literatur gekommen wäre.
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Wunderbar beschrieben!
Danke!
Nur die überall stattfindenden Seelengänge (Zeitalter Freuds^^) sind mir zu lang. Das will ich nur in kurzen Ausflügen wissen, weil es dazugehört, um zu verstehen. Ist sicher auch Lesertypsache.
Ich kann damit auch eher wenig anfangen. Ich habe ausgesprochen wenig Interesse an Philosophie und wenn es philosophisch wurde, habe ich es nur noch überschlagen. Aber auch in den Situationen, also ohne tiefe Seelengänge, merkte man wieder mal das psychologische Geschick. Und in der Plausibilität einer potentiell absurden Situation.

Auch sehr schön: die sorgfältige Arbeit des Schriftstellers. Sorgfältig konzipiert, so gut wie gar nichts Konstruiertes, da merkt man, dass jemand über seine Handlung genau nachgedacht hat. Es ist gar nicht so leicht, eine Handlung so darzubringen, dass keine konstruierten Momente oder praktischen Zufälle zur Hilfe kommen. Es ist sogar richtig anstrengend und erfordert viel Hingabe, wenn die Geschichte, die man erzählen möchte, tiefgängiger und wendungsreicher ist. Er hat es absolut gemeistert. Das schaffen auch nicht viele.
Aber was der Mann für ein bewegtes und interessantes Leben hatte! Schade, dass wir nie erfahren, was danach noch an Literatur gekommen wäre.
Ja, leider ist das etwas, das man in zu vielen Fällen sagen muss.
 

Cheeria

Bekanntes Mitglied
Jetzt steht ein Werk der neuen Literaturnobelpreisträgerin auf dem Plan. Ich glaube, ich habe noch gar nichts von Annie Ernaux gelesen.
Du? Oder alle, die hier mitschreiben?
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Jetzt steht ein Werk der neuen Literaturnobelpreisträgerin auf dem Plan. Ich glaube, ich habe noch gar nichts von Annie Ernaux gelesen.
Du? Oder alle, die hier mitschreiben?
Noch nie gehört, wie ich zugeben muss. Ich lese aber auch eher selten etwas von Preisträgern (egal ob Nobelpreis, Booker Price, Buchpreis o.ä.), weil ich die Erfahrung machte, dass diese Bücher mir so gut wie nie zusagen. Aber ich würde mich freuen, wenn du mal berichtest, wie es war, vielleicht lohnt es sich ja.

Ich lese jetzt erst einmal etwas ganz Flaches


Von der Autorin las ich schon mal was, und es ist gute, entspannende Unterhaltung. Brauche ich gerade, passt also gut.
 

Cheeria

Bekanntes Mitglied
Noch nie gehört, wie ich zugeben muss. Ich lese aber auch eher selten etwas von Preisträgern (egal ob Nobelpreis, Booker Price, Buchpreis o.ä.), weil ich die Erfahrung machte, dass diese Bücher mir so gut wie nie zusagen. Aber ich würde mich freuen, wenn du mal berichtest, wie es war, vielleicht lohnt es sich ja.
Geht mir ähnlich, besonders auch bei Filmen. Da mag ich gar nicht erst rein, wenn alle die super finden.

Ich lese jetzt erst einmal etwas ganz Flaches


Von der Autorin las ich schon mal was, und es ist gute, entspannende Unterhaltung. Brauche ich gerade, passt also gut.
:herz1: Dazu ne Couch und nen Tee. Da verziehe ich mich jetzt hin. Der Vormittag war stressig. :winke:
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Ich auch nicht. Und ich bin meinem Deutschlehrer auch bis heute unendlich dankbar, dass er mir die Tür zu diesen Klassikern geöffnet hat. Nach bestandenem Abi hat er uns am letzten Schultag dieses Gedicht von Rilke vorgelesen:

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen:

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.


Ich krieg heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurück denke
Gerade beim Threadurchstöbern noch mal gelesen. Immer noch machtvoll. Danke für das Einstellen.
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Ich habe gestern im Rahmen einer Reserunde mit "Dracula" angefangen - den habe ich vor vielen, vielen Jahren schon mal gelesen und kaum noch in Erinnerung. Ich weiß noch, dass es mir damals gut gefallen hat und das tut es bis jetzt auch wieder, ich bin ganz angetan! Sehr zugänglicher Schreibstil, der in den Beschreibungen herrlich farbig und atmosphärisch ist, ohne dass diese das Geschehen überlagern. Auch das atmosphärisch Unheimliche gleich von Anfang an ist ausgezeichnet gelungen. Wir haben in der Runde schon überlegt, wie es sich für die damaligen Leser las, die ja noch nicht mit Vampirbüchern, -filmen, -serien u.ä. überschwemmt waren und vieles anfänglich nicht deuten konnten, was ja eigentlich auch der Sinn war und das Geschehen sicher noch unheimlicher machte. Vieles, was man dort zu Vampiren liest, hat etwas Klischeehaftes - aber eben wegen dieser Überschüttung mit solchen Sachen, da muss ich mir dann in Erinnerung rufen, dass Stoker nicht auf den Zug aufgesprungen ist ;).

Jedenfalls bisher ein Lesevergnügen, hervorragend geschaffene Atmosphäre, gelungen Unheilvolles und keine Längen. Ausgezeichnete Sprache und es macht Lust aufs Weiterlesen.
 

Stan-Kowa

Leide an Islamintoleranz
Ich habe gestern im Rahmen einer Reserunde mit "Dracula" angefangen - den habe ich vor vielen, vielen Jahren schon mal gelesen und kaum noch in Erinnerung. Ich weiß noch, dass es mir damals gut gefallen hat und das tut es bis jetzt auch wieder, ich bin ganz angetan! Sehr zugänglicher Schreibstil, der in den Beschreibungen herrlich farbig und atmosphärisch ist, ohne dass diese das Geschehen überlagern. Auch das atmosphärisch Unheimliche gleich von Anfang an ist ausgezeichnet gelungen. Wir haben in der Runde schon überlegt, wie es sich für die damaligen Leser las, die ja noch nicht mit Vampirbüchern, -filmen, -serien u.ä. überschwemmt waren und vieles anfänglich nicht deuten konnten, was ja eigentlich auch der Sinn war und das Geschehen sicher noch unheimlicher machte. Vieles, was man dort zu Vampiren liest, hat etwas Klischeehaftes - aber eben wegen dieser Überschüttung mit solchen Sachen, da muss ich mir dann in Erinnerung rufen, dass Stoker nicht auf den Zug aufgesprungen ist ;).

Jedenfalls bisher ein Lesevergnügen, hervorragend geschaffene Atmosphäre, gelungen Unheilvolles und keine Längen. Ausgezeichnete Sprache und es macht Lust aufs Weiterlesen.
Dieses fabelhafte Buch wurde leider immer noch nicht adäquat verfilmt.....trotz unzähliger Versuche.
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Dieses fabelhafte Buch wurde leider immer noch nicht adäquat verfilmt.....trotz unzähliger Versuche.
Ich erinnere mich dunkel an eine Verfilmung, die ich gesehen habe (gerade nachgeschaut, die von 1992), aber ich habe wenig Erinnerung daran, wie ich sie fand, nur dass mir zu viel Liebeskram drin war und ich das Buch nicht wirklich darin entdeckte.

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es schwer ist, denn das Buch gewinnt m.E. sehr aus der Sprache und den Andeutungen. Ich habe schon oft erlebt, dass Filme so etwas nicht gut umsetzen können. Und heute haben ja alle Filmemacher Angst, zu altmodisch zu sein, also wird alles aufgepeppt.

Es ist aber sehr erfreulich, endlich einmal wieder in ein Buch einzutauchen und es zu genießen. Hast du noch andere Bücher von ihm gelesen? Die Sprache ist ein Genuss, aber ich habe noch nichts anderes von ihm gelesen.
 

Stan-Kowa

Leide an Islamintoleranz
Ich erinnere mich dunkel an eine Verfilmung, die ich gesehen habe (gerade nachgeschaut, die von 1992), aber ich habe wenig Erinnerung daran, wie ich sie fand, nur dass mir zu viel Liebeskram drin war und ich das Buch nicht wirklich darin entdeckte.

Eben...der bunte Schinken heisst zwar "Bram Stokers Dracula" hat mit Bram Stokers Dracula aber nur bedingt zu tun.


Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es schwer ist, denn das Buch gewinnt m.E. sehr aus der Sprache und den Andeutungen. Ich habe schon oft erlebt, dass Filme so etwas nicht gut umsetzen können. Und heute haben ja alle Filmemacher Angst, zu altmodisch zu sein, also wird alles aufgepeppt.

Es ist aber sehr erfreulich, endlich einmal wieder in ein Buch einzutauchen und es zu genießen. Hast du noch andere Bücher von ihm gelesen? Die Sprache ist ein Genuss, aber ich habe noch nichts anderes von ihm gelesen.
Ne...wüsste nichtmal das Stoker noch anderes geschrieben hat. Aber macht allein schon optisch was her.;)
 

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Malou

Nicht gut mit Worten
Ne...wüsste nichtmal das Stoker noch anderes geschrieben hat. Aber macht allein schon optisch was her.;)
Oooooh :love: . Hanser mag ich sowieso. Ich habe eine alte, aber eher schlichte Ausgabe, die nicht ein solches Flair hat.

Einige in der Runde haben die Coppenrath-Schmuckausgabe: Große Schmuckausgabe: Bram Stoker, Dracula | 64224
Ich glaube, die wäre dir zu verspielt, aber die "Extras" dort scheinen ganz informativ zu sein und sie ist schon originell gestaltet.


Ich werde jedenfalls auch mal etwas anderes von ihm lesen - wenn ich mich schon so an der Sprache freue, wäre es schön, wenn es da noch mehr Lesenswertes von ihm gibt.
 

FrauE

Babbel !
Oooooh :love: . Hanser mag ich sowieso. Ich habe eine alte, aber eher schlichte Ausgabe, die nicht ein solches Flair hat.

Einige in der Runde haben die Coppenrath-Schmuckausgabe: Große Schmuckausgabe: Bram Stoker, Dracula | 64224
Ich glaube, die wäre dir zu verspielt, aber die "Extras" dort scheinen ganz informativ zu sein und sie ist schon originell gestaltet.


Ich werde jedenfalls auch mal etwas anderes von ihm lesen - wenn ich mich schon so an der Sprache freue, wäre es schön, wenn es da noch mehr Lesenswertes von ihm gibt.
Ich glaube, so eine schöne Ausgabe bekommt HerrE zum Geburtstag.
 
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