LR Faust, Anfang bis einschließlich "Vor dem Tor", bis 21.4.

Beatrix Kiddo

Bekanntes Mitglied
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So habe ich es auch verstanden. Auch Mephisto ist Werkzeug Gottes - "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Irgendwo in meinem ersten Beitrag heute Morgen schrieb ich dazu kurz etwas - der Mensch muss weiter streben und der Stillstand widerspricht der Entwicklung des Menschen. Wenn aber alles glatt läuft (was wieder zum "verweile doch, du bist so schön") führt, dann führt das zum Stillstand. Das "Böse" treibt den Menschen an (fordert ihn heraus).
Wobei „das böse“ ja tatsächlich „der Geist, der stets verneint“ ist… - also einfach nur der Trotzkopf, der immer dagegen ist, nur aus Prinzip. Und das ist ja nicht wirklich „böse“ nur anders.
 

Beatrix Kiddo

Bekanntes Mitglied
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Das versteh ich nicht. Der Teufel will das Böse und Gott schafft das Gute. Wieso wird das hier so vermischt? Selbst wenn Gott und der Teufel eins sind, so will doch nicht der komplette Teil das Böse
Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will……
Es ist ein Ganzes - so versteh ich das - EINE Kraft. Und dazu gehört das Böse (das herausfordert), damit sich das Gute bewähren kann…
 

FCK-Fan-Simone

Lehrerin und Mutter
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Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will……
Es ist ein Ganzes - so versteh ich das - EINE Kraft. Und dazu gehört das Böse (das herausfordert), damit sich das Gute bewähren kann…
Klingt für mich immer noch so, als wolle die ganze Kraft das Böse

Sonst müsste es heißen "ein Teil, der stets das Böse will"
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Wobei „das böse“ ja tatsächlich „der Geist, der stets verneint“ ist… - also einfach nur der Trotzkopf, der immer dagegen ist, nur aus Prinzip.
Für mich ist das eher ein Symbol des Gegensatzes (also z.B. gut - böse). Ich habe dazu mal etwas gelesen, aber ich gebe zu, sobald es philosophisch wird, schaltet sich mein Gehirn aus, weil mich das dann langweilt, deshalb habe ich mir derlei Themen wenig gemerkt. Ich kann aber morgen in meinem schlauen Buch auch dazu mal nachschauen.
Und das ist ja nicht wirklich „böse“ nur anders.
Das sehe ich auch so. Das meinte ich in etwa auch damit, dass hier weniger Feindschaft zwischen Gott und Teufel, gut und böse besteht, sondern ein gemeinsames Wirken mit konträren Mitteln. (Edit: Ich sehe gerade, du hast es in Beitrag 66 besser formuliert als ich gerade).
 

Beatrix Kiddo

Bekanntes Mitglied
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Due Frage, ob das Böse eine Notwendigkeit ist, führt dann unmittelbar zur Theodizeefrage. Können wir aber gern ausklammern, darüber hab ich schon sehr viel diskutiert im Religionsthread.
Ich hab’s nicht so mit dem Christentum… bin ja eher geneigt, den Buddhisten und dem Yin/Yang zuzustimmen, was Spiritualität/Glaube was auch immer betrifft. Und in deren Sinne ist’s recht klar: Gut gibt’s nicht ohne Böse, Licht nicht ohne Schatten, Kalt nicht ohne Warm, Weib nicht ohne Mann etc… die ewige perfekte Dichotomie.

Und Wachheit braucht Schlaf… Gute Nacht. 😴😘
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Goethes letzte Worte waren: "Mehr Licht." Könnte aber auch sein, daß er in hessischer Mundart sagen wollte: "Mer licht so schlecht hier!" und den Rest des Satzes nicht mehr geschafft hat.
Die Theorie wird tatsächlich öfter verbreitet, wenn auch augenzwinkernd.
Wenn man aber von seinem
"Neige
Du Schmerzensreiche"
(später in der Szene am Zwinger) ausgeht, hört man schon ein ziemliches Hessisch durch ("Neische").
 

FCK-Fan-Simone

Lehrerin und Mutter
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So habe ich es auch verstanden. Auch Mephisto ist Werkzeug Gottes - "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Irgendwo in meinem ersten Beitrag heute Morgen schrieb ich dazu kurz etwas - der Mensch muss weiter streben und der Stillstand widerspricht der Entwicklung des Menschen. Wenn aber alles glatt läuft (was wieder zum "verweile doch, du bist so schön") führt, dann führt das zum Stillstand. Das "Böse" treibt den Menschen an (fordert ihn heraus).
Hier fällt mir nochmal die Schlange ein. Da hieß es doch, dass sie im Staub kriecht und Spaß dabei hat oder sowas in der Art. Und Faust soll dasselbe tun, also die Herausforderung annehmen.
 

FCK-Fan-Simone

Lehrerin und Mutter
Teammitglied
Ich hab’s nicht so mit dem Christentum… bin ja eher geneigt, den Buddhisten und dem Yin/Yang zuzustimmen, was Spiritualität/Glaube was auch immer betrifft. Und in deren Sinne ist’s recht klar: Gut gibt’s nicht ohne Böse, Licht nicht ohne Schatten, Kalt nicht ohne Warm, Weib nicht ohne Mann etc… die ewige perfekte Dichotomie.

Und Wachheit braucht Schlaf… Gute Nacht. 😴😘
Das Nirwana ist aber doch das pure Licht, oder?

Schlaf gut, ich genieße die Diskussionen mit dir und euch anderen gerade sehr (@Ma Greenhorn @Malou)
 
Ich denke, es geht darum, dass das Böse nicht einfach nur eine für sich stehende, negative Kraft ist, sondern dass es Teil eines größeren Ganzen ist und letztendlich zum Guten führen kann bzw wird, da alles von Gott ausgeht und somit nur Gutes am Ende bewirken kann.
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Also, ich schaue dann zum Typus des Teufels und zur Schlange in mein schlaues Buch. Wird aber erst morgen Nachmittag etwas.

Edit: und ich schaue nochmal, was da zum "Verneinen" stand.
 

Beatrix Kiddo

Bekanntes Mitglied
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Malou

Nicht gut mit Worten
So, einige Infos aus meinen diversen Büchern. Ich muß gestehen, ich habe die detaillierteren Wege eurer Diskussion nicht komplett verfolgt, also kann es sein, dass ich nicht alles anspreche, was ihr euch gefragt habt und vielleicht manches, was ihr euch nicht gefragt habt. Wenn ich noch irgendetwas nachschauen soll, sagt Bescheid. Zieht euch einfach raus, was ihr brauchen könnt. Ich habe es zusammengefasst, kann bei Bedarf auch irgendwas ausführlicher abschreiben.

Die Unterschiede der nicht-goethischen Vorversionen und so der Teufelsversionen zu Goethe und seinem Mephisto beruhen auf dem früher anderen Theologieverständnis, welches noch sehr von Luther geprägt wurde:
- Natur des Menschen durch Erbsünde verdorben, deshalb kann der Teufel jederzeit Herrschaft über den Menschen erlangen
- Mensch hat keinen freien Willen, bleibt dem Bösen verfangen, nur durch den Glauben kann der Mensch Rettung erlangen
- Gott und Teufel als Gegner
- Keine Wetter, kein Pakt, der Teufel hat schon von Anfang an gewonnen, Faust(us) nie eine Chance
- "Wenn sich der Mensch nicht mehr als von Gott abhängig verstehe, wenn er (...) im Vertrauen auf seine eigenen Kräfte, auf eigenes Können und Wissen sein Leben führt, dann fällt er wie einst Luzifer von Gott ab und macht sich des Hochmuts schuldig."
- Auch der Teufel (Luzifer) ist damals durch Hochmut von Gott abgefallen
- Faust(us) ist des Teufels Werkzeug. Er erkennt, dass er auf dem Weg in die Hölle ist, kann aber nichts dagegen tun. Durch seine Forschungen und sein Wissbegier ist er nicht in der Lage, an die Gnade Gottes zu glauben.
- Protestantischer Blick ist hier reflektiert, denn katholische Geschichten über Teufelspakte handeln davon, wie der Mensch sich durch Buße und Fürbitte von Heiligen aus dem Griff des Teufels lösen kann. Protestantismus hatte Buße und Heilige als Helfer abgeschafft. "Die protestantischen Teufelspaktgeschichten wollen die überwältigende Macht des Teufels beweisen, die katholischen Teufelspaktgeschichten demonstrieren die Ohnmacht des Teufels" ggü. Kirche und Gott. Außerdem behält nach katholischer Lehre der Mensch die Freiheit des Willens und kann sich deshalb aus eigenem Willen aus dem Teufelspakt lösen, "während auf den protestantischen Teufelsbündner Luthers Lehre von der Unfreiheit des Willens Anwendung findet".

Goethes Teufelsbild ist von der Aufklärung gefärbt. So entspricht auch der Teufel dem damaligen modernen Denken und Empfinden.
"... in Mephistos Selbstexplikation ist das 'Böse' die Zerstörung, die dem Vergehen zuarbeitet, als Zerstörung bildet es aber die Voraussetzung neuen Werdens, also des 'Guten'." Mephisto als Bild zerstörerischer Negation. "Erst auf diesem Tiefpunkt nihilistischer Verneinung des Daseins (seines Sterbewunsches im Studierzimmer) ist Faust reif für den Geist, der stets verneint."
- Der Teufel und Gott sind keine Gegner mehr
- Faust wandelt den Pakt in eine Wette um
- Mephisto hat keine Chance, diese zu gewinnen
- Das Streben - die Forschung, das Wissen - sind positiv konnotiert
- Der Mensch hat einen freien Willen

"Das ganze Faust-Drama folgt dem gleichen Schema: Auf der einen Seite das Hinaufstrebende, Idealische, Pathetische bei Faust - und dagegen meist in unmittelbarer Nachbarschaft das Herabziehende, bis zum Zynismus Realistische und antipathetisch Desillusionierende in den Reden Mephistos. So hat Goethe sein Werk der fundamentalen Gespaltenheit der menschlichen Existenz entsprechend durchstrukturiert und selbst der Gegensatz von Gott und Teufel im Prolog bietet eine mythologisierende Analogie dieser fundamentalen menschlichen Gespaltenheit."

Der Teufel hat "seine leibhaftige Glaubenswirklichkeit hier verloren".

Anders als in den nicht-goethischen Versionen wirkt Mephisto "denn auch nicht frei aus eigener Machtvollkommenheit - er agiert nur mit der Lizenz des Herrn (...). Wider Willen ist Mephisto dem höheren Prinzip sogar zu Diensten. Zwar erklärt er: 'Staub soll er fressen und mit Lust, wie meine Muhme, die berühmte Schlange', womit Goethe auf die Worte des Herrn an die Schlange nach der Verführung Evas anspielt", doch belehrt ihn der Herr, daß Mephisto nicht frei agieren kann ("Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, der reizt und wirkt und muss, als Teufel, schaffen."). Ein Paradox: "dass gerade der Teufel, definitionsgemäß der Zerstörer und Verderber, 'schaffen', schöpferisch wirken muss."
Zu Mephistos Erwähnung der Schlange: "Mephisto zitiert den Gottesfluch über die Schlange, als ziele der Versuch, auch Faust von seinem Urquell abzuziehen, auf vergeltende Wiedergutmachung dieser alten Niederlage.

Zum "stets verneint": "Aus dem All-Horizont des Herrn gibt es nichts schlechthin Böses, wie es der Teufel traditionell verkörpert, sondern allenfalls den Verneiner des Guten."

Streben: ein ruheloses Verlangen nach dem Anderen, Höheren und Besseren, Lebenswerteren.
 

Malou

Nicht gut mit Worten
So, und hier noch meine Gedanken zum restlichen Abschnitt. Ihr geht das alles wissenschaftlicher an, aber ich werde weiter einfach nur etwas unbedarfter meine persönlichen Eindrücke schildern (und einiges aus meinen Schulaufzeichnungen zitieren, was ich interessant finde) - ich hoffe, ihr habt gegen diesen meinen anderen Ansatz nichts.

Nacht

Das enge gotische Zimmer, da erinnere ich mich noch daran, wie unser Deutschlehrer uns erzählte, dass dies schon auf das enge, mittelalterliche Bild hinwies, welches Streben, Fortschritt, Wissenschaft verdammt.

Der Eröffnungsmonolog - wahrscheinlich kann fast jeder mit etwas Literaturinteresse zumindest ein oder zwei Zeilen davon. Wenn man bedenkt, was aus dem Faust alles in unseren Sprachgebrauch gefunden hat ... hach, der gute Goethe wäre hocherfreut, dessen bin ich mir sicher.

Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel.
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -
Dafür ist mir auch alle Freud' entrissen.


Das finde ich ganz interessant - wenn das Leben keine Mysterien mehr hat, wenn man alles mit Wissen und Zynismus betrachtet, dann kann einem auch viel verloren gehen. Da fallen mir die Künstler ein, die gerade aus ihrem seelischen Leid ihre Kunst speisen können. Ist hier nicht unbedingt so gemeint, aber es passt schon in dem Sinne, dass (zu) viel Abgeklärtheit nicht uneingeschränkt gut sein muss.

Zur Magie noch etwas aus meinen Schulaufzeichnungen - der Werk zu Klarheit, also das Streben, geschieht über verschiedene Stufen, die aufeinander aufbauen. "Die Magie ist die Beschäftigung mit dem Übersinnlichen, sie will die Ursachen für die Welt, das Leben und die Ordnung erkennen. Das Ziel - das Erreichen der Klarheit - ist also immer noch dasselbe, aber jetzt wird es durch das Übersinnliche zu erreichen versucht. Dies ist eine neue Erfahrung, Faust ist also schon eine Stufe weiter auf dem Wege zur Klarheit, die Magie ist insofern ein Erfahrungsprozess."
"Faust möchte hinaus aus der Stube - 'Flieh! Auf! Hinaus in's weite Land!', benutzt dazu aber wieder nur ein Buch. Er benutzt das, was ihn zum Gefangenen macht, um freizukommen."

Mächtig Seelenflehn - wieder so ein herrlicher Ausdruck, der so viel aussagt.

Bei dem Geist muss ich immer schmunzeln, wie er Faust so abbügelt. Faust: "Ich bin's, bin Faust, bin deines gleichen!" und der Geist ganz locker: "Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!" und zieht ab.

Die Szene zieht sich für meinen Geschmack etwas, weil es sich immer um denselben Punkt dreht. Ich glaube, die Unterhaltung mit Wagner habe ich noch nie komplett aufmerksam gelesen.

Dann greift der Herr persönlich ein, bzw. schickt seine Assistenten, um Faust vom Suizid abzuhalten. Der ist aber noch religionsskeptisch (Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube). Aber immerhin rufen ihm die Glocken die Jugend in Erinnerung und "die Erde hat mich wieder."
Das gefällt mir - hier sieht man zwar das Wirken des Herrn, aber trotzdem die Skepsis gegenüber der Religion. Diese ist es nicht, die Faust vor der Selbsttötung rettet, sondern die Jugenderinnerungen wecken seine Freude am Leben wieder.

Vor dem Tor

Gefällt mir noch besser, seit ich weiß, dass das alte Frankfurt für die Umgebung Pate stand.
Ein schöner Überblick über die verschiedenen Stände, da merkt die Hobby-Historikerin in mir immer gleich interessiert auf.

Dann Fausts Hohelied auf den Frühling:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.


Während ich das hier schreibe, sehe ich auf die seit letzter Woche so knallgrünen Bäume hinaus. Ich liebe es, wie Goethe in diesen und den folgenden Zeilen das Frühlingsgefühl einfängt, und es ist so ein schönes Zeugnis, dass diese Freude beim Frühling vor hunderten von Jahren bereits so herrschte, wie wir sie empfinden. Das ist eine schöne Verbindung zu früheren Zeiten. (Und dann haut der olle Wagner mit seinem Pathos der leichten Stimmung eine vor den Latz ...)

Dann knallharte Religionskritik von Faust:
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Tränen, Seufzen, Händeringen
Dacht ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes wert gewesen!


Für jene Zeit sehr offen kritische Worte.

Sein Rückblick auf die Pest, da haben wir gleich wieder einen historischen Verweis und erfahren etwas von seiner Arbeit. Und seiner Desillusionierung, was ich bei einem Pestarzt verstehen kann.

Dann wieder herrliche Zeilen:
Ich säh im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Tal,
Den Silberbach in goldne Strömen fließen.


Ich liebe auch Goethes Gedichte über Natur. Ich finde, man merkt, wie er diese kannte und liebte.

Ach ja, noch etwas aus meinen Schulaufzeichnungen:
"Eine neue Stufe ist erreicht, die anderen Versuche, zur Klarheit zu kommen (Wissenschaft, Magie) werden abgebrochen. Faust ist jetzt einfach nur Mensch. Der Winter ist sein altes Leben, das vorbei ist, etwas Neues ist da und dies sogar in vier Bereichen:
1. die Natur überwindet den Winter ("Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden belebenden Blick")
2. Faust überwindet sein altes Wesen ("Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern")
3. die Menschen sind ans Licht gebracht, hinaus in die Natur, näher zur Klarheit
4. die Religion (Auferstehung Christi)

Faust ist erleichtert, eine neue Klarheit zu erreichen, ruft die Geister zur Hilfe, die ihn zu neuen Erfahrungen führen sollen ('Und führt mich weg zu neuem, buntem Leben!'). Dies ist gewissermaßen die Aufforderung an Mephisto. Dieser glaubt, mit 'neuem, buntem Leben' meint Faust weltliche Genüsse - dadurch beginnt sein Unternehmen unter falschen Voraussetzungen und er kann sein Ziel nicht erreichen."

Ich finde das
Die eine hält, in derber Liebslust,
Sich an die Welt, mit klammernden Organen


so herrlich ausgedrückt! Das ist so bildhaft und ein origineller Umgang mit Sprache und Worten. Er konnte es einfach!
 

FCK-Fan-Simone

Lehrerin und Mutter
Teammitglied
Ich finde alle Ansätze gut, an das Buch heranzugehen und die Schulaufzeichnungen sowie deine eigenen Gedanken sehr interessant.

Danke auch für die Recherche. Das religiöse Bild hat sich da schon ganz schön gewandelt.


"... in Mephistos Selbstexplikation ist das 'Böse' die Zerstörung, die dem Vergehen zuarbeitet, als Zerstörung bildet es aber die Voraussetzung neuen Werdens, also des 'Guten'."


Deshalb ist Mephisto also Teil der Kraft, die Böses will und Gutes schafft. Gut und Böse kann man auch nicht immer trennen, aus Bösem kann Gutes entstehen und umgekehrt, man kann gute Absichten haben und trotzdem Böses tun usw.

Das mit der Schlange ist auch interessant, dass Mephisto sich rächen will, weil Gott die Schlange verflucht hat.

Und dass das mit dem Verneinen aus dem All-Horizont des Herrn kommt, hätte ich auch nicht vermutet. Mephisto nennt sich aber ja auch selbst "Geist, der stets verneint".

Das mit den verschiedenen Stufen beim Streben nach Wissen ist auch seltsam irgendwie. Dass die Magie und die Natur und die Auferstehung da mit hineinspielen. Ob die Menschen zu Goethes Zeit das besser verstanden haben als beispielsweise ich?
 

Malou

Nicht gut mit Worten
Ich finde alle Ansätze gut, an das Buch heranzugehen und die Schulaufzeichnungen sowie deine eigenen Gedanken sehr interessant.
:)
Ob die Menschen zu Goethes Zeit das besser verstanden haben als beispielsweise ich?
Gute Frage! Ich bin bei meinen historischen Recherchen immer wieder beeindruckt, wie tiefgehend sich im 18. und 19. Jahrhundert mit Wissen aller Art befasst wurde - da machte man zum Zeitvertreib mal eine Übersetzung aus dem Griechischen, diskutierte Literatur oder Philosophie oder kam in naturwissenschaftlichen Zirkeln zusammen. Auch kamen zur Zeit der Aufklärung Zeitschriften zum Abonnement auf, in denen teilweise schon recht tiefgehende Artikel standen. Wenn ich die Unterrichtsfächer der damaligen Ritterakademien u.ä. seh, bin ich ebenfalls immer überrascht, was da alles behandelt wurde. Die gebildeten Menschen jener Zeit waren m.E. schon ausgesprochen und vielseitig gebildet. Aber es war natürlich nur ein kleiner Kreis - Adel und höheres Bürgertum (erst ab etwa Mitte/dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts breiteten sich dann Bildungsvereine u.ä. bis in die Arbeiterschichten aus).
Die religiösen Meinungen/Theorien dürften wahrscheinlich weitergehend bekannt sein, da sie in Kirchen, dem Konfirmationsunterricht u.ä. verbreitet wurden - nicht so wissenschaftlich, aber im Prinzip. Die philosophischen Themen dürften aber m.E. nur der kleinen Schicht der Gebildeten so geläufig sein. Das ist jetzt aber nur meine persönliche, aus meinen Kenntnissen zum allgemeinen Bildungsstandard jener Zeit gespeiste Meinung.
 
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