Nationalelf
Interview der Woche: Bundestrainer Jürgen Klinsmann - 14.10.2004 10:32
"Dann schießen sie mich zum Mond"
Mit einem Lächeln und mit einer klaren Linie: Jürgen Klinsmann.
Am Mittwoch sah Jürgen Klinsmann (40) das Länderspiel USA gegen Panama. Hier spricht er über Kahn, Lehmann, Maier und Köpke. Sowie über mögliche Folgen seiner Entscheidungen.
kicker: Herr Klinsmann, die Torwartfrage beschäftigt weiter Deutschland. Wer steht gegen Kamerun am 17. November im Tor?
Jürgen Klinsmann: Mit den drei Keepern ist langfristig abgesprochen, dass Jens Lehmann gegen Kamerun eine weitere Chance erhält. Oliver Kahn wird im Dezember in Japan und Korea spielen, Timo Hildebrand in Thailand.
kicker: Des Weiteren wird das Thema Sepp Maier heiß diskutiert. War seine Ablösung unumgänglich?
Klinsmann: Vom Menschlichen war es eine sehr schwere Entscheidung und ein emotionaler Moment, als ich mit ihm sprach. Die Person Sepp Maier bedeutet mir sehr viel, ich habe großen Respekt vor ihm. Mich verbinden mit ihm unvergessliche Erlebnisse, ich wurde mit ihm Welt- und Europameister. Aber es geht um die Neutralität. Und da sagte er, dass er seit elf Jahren mit Oliver Kahn zusammenarbeite und befangen sei. Wir aber wollen den absolut fairen Konkurrenzkampf, auf vielen Positionen, da können wir bei den Torleuten keine Ausnahme machen.
kicker: Ist es stilvoll, ein solches Gespräch in einer Flughafen-Lounge in Teheran zu führen?
Klinsmann: Wir haben das Thema in aller Sachlichkeit angesprochen, Sepp nahm die Entscheidung mit Fassung auf. Es war eine problematische Situation, wir waren gezwungen zu reagieren.
kicker: Bauen Sie sich langsam, aber sicher eine Hausmacht auf?
Klinsmann: Es ist doch etwas Selbstverständliches, dass sich ein Cheftrainer einen Stab aufbaut. Ich stehe in der Verantwortung; wenn es nicht gut geht, schießen sie mich auf den Mond.
kicker: Lothar Matthäus nennt Sie einen "Killer".
Klinsmann: Dazu kein Kommentar.
kicker: War die Aktion Sepp Maier ein Rücktritt oder eine Entlassung?
Klinsmann: In dem Gespräch wurde deutlich: So kann es nicht funktionieren, es hat keinen Wert. Und wir mussten reagieren, die Spieler warteten, was nun passieren würde.
kicker: War Maiers Ablösung nicht eher von langer Hand geplant?
Klinsmann: Dem Grundproblem der Neutralität sahen wir uns seit unserem Amtsantritt gegenüber; nun mussten wir handeln.
kicker: Wer ist als Nächster dran?
Klinsmann: Der Stab steht jetzt. Mit einem Mental- und Schnelligkeitstrainer lassen wir uns Zeit.
kicker: Vor seinem persönlichen Trainer verlor Kahn die Kapitänswürde. Wie sind Sie mit seinem Nachfolger Ballack zufrieden?
Klinsmann: Michael macht sich absolut super. Er sucht Gespräche mit den jüngeren Spielern, er äußert sich schnell, auch auf dem Trainingsplatz, wenn wir etwa das Tempo zu hoch ansetzen.
kicker: Nun äußert er sich zum Torwartthema. Ist das in Ihrem Sinne?
Klinsmann: Er hat gesagt, was ich sage: Kahn ist die Nummer eins, Lehmann sein Herausforderer, der legitime Ansprüche stellt, sich mit Worten aber zurückhalten soll und auf dem Platz sein Können beweisen muss. Es gibt also keinen Grund zur Aufregung.
kicker: Warum holen Sie Köpke?
Klinsmann: Er bringt alle qualitativen Voraussetzungen mit.
kicker: Fehlt ihm nicht Erfahrung?
Klinsmann: Die hatte ich vor zweieinhalb Monaten auch nicht. Andy ist sachlich, hat Weitblick, er versteht die heutige Generation und passt menschlich in dieses Team. Der eine oder andere mag nun sagen, da holt er seinen Freund, aber ich muss das totale Vertrauen haben. Er wird auch die Torhüter der nächsten Generation weiterbringen, von Hildebrand angefangen.
kicker: Welche zusätzlichen Aufgaben sind vorgesehen für Köpke?
Klinsmann: Er soll in den Klubs die Arbeit der Torhüter sehen; er soll den Keepern Infos mitgeben, Torleute auf der ganzen Welt anschauen, auch Spiele eines Gegners, um etwa die Stärken und Schwächen des argentinischen Torwarts zu sehen. Ein Fulltimejob.
kicker: Uli Hoeneß ist nicht begeistert von Köpkes Berufung.
Klinsmann: Mit ihm habe ich am Montag lange telefoniert. Uli Hoeneß hat mir mitgeteilt, dass er seine Bedenken geäußert habe. Das ist in Ordnung. Aber er wird sehen: Olli Kahn wird in keinster Weise benachteiligt. Er geht als Nummer eins in diese Konkurrenz.
kicker: Hoeneß sagt auch, die Bayern wollten die Vorgänge in der Nationalelf "genau beobachten". Steht Ärger ins Haus?
Klinsmann: Im Gegenteil. Jeder Hinweis hilft uns. Von Uli Stein habe ich gelesen, wir seien gut beraten, uns in der Torhüterfrage ein halbes Jahr vorher festzulegen. So hätte der Ärger 1986 vermieden werden können. Ein guter Hinweis von Stein, der bei uns diskutiert wird.
kicker: Wurde Lehmann wegen der falschen Handschuhe abgemahnt?
Klinsmann: Nein. Wir haben ihm aber deutlich unsere Position mitgeteilt. Er hat uns zugesagt, dass es nicht mehr vorkommen wird.
kicker: Vor dem Spiel gegen Kamerun gibt es für die Spieler einen Verhaltenskodex. Was steht drin?
Klinsmann: Einfache Grundregeln. Achtung, Respekt, positives Auftreten. Pünktlichkeit.
kicker: Darf Lehmann künftig sagen wie jüngst im kicker, dass er überzeugt sei, 2006 im Tor zu stehen?
Klinsmann: Das darf er. Jeder darf überzeugt sein, dass er auf seiner Position spielt. Aber die Äußerungen dürfen nicht zu Lasten der Konkurrenten gehen.