Von Clemens Gerlach und Christian Gödecke (SPIEGEL-online)
Die außerordentliche DFB-Präsidiumssitzung wurde zu einer hitzigen Debatte. Die beiden Bosse Theo Zwanziger und Gerhard Mayer-Vorfelder gerieten erneut aneinander. Punktsieger blieb Zwanziger. Er gehört künftig im Gegensatz zu "MV" einem neuen Führungsgremium an. Das Ende der Doppelspitze ist damit wahrscheinlicher denn je.
Frankfurt am Main - Als Konsequenz aus den Versäumnissen beim Wettskandal beschloss der DFB heute auf einer außerordentlichen Präsidiumssitzung die Gründung einer vierköpfigen Task Force, um bei Bedarf schneller reagieren zu können. "Die beste Sacharbeit nützt nichts, wenn die interne Kommunikation nicht stimmt. Wir müssen handlungsfähiger werden, um bei der Brisanz innerhalb von einer Stunde Entscheidungen zu treffen", so Zwanzigers Credo.
Dem neuen Gremium gehört DFB-Präsident Mayer-Vorfelder nicht an. Das Quartett bilden stattdessen der Geschäftsführende DFB-Chef Zwanziger, Liga-Präsident Werner Hackmann, DFB-Schatzmeister Heinrich Schmidhuber und Generalsekretär Horst R. Schmidt. Mayer-Vorfelder verliert somit weiter an Einfluss. "Das ist so eine Art Geschäftsführendes Präsidium", sagte DFB-Sprecher Harald Stenger. Das Präsidium beschloss zudem die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle für Wettangelegenheiten beim DFB.
Bei der heutigen Sitzung, an der auch Ehrenpräsident Egidius Braun teilnahm, kam es nach Informationen von SPIEGEL ONLINE zu einem lautstarken Rededuell zwischen Mayer-Vorfelder und Zwanziger. Am Ende polterte Mayer-Vorfelder: "Wenn ihr mich loswerden wollt, müsst ihr mich schon erschießen." Seit Monaten schon tobt im Verband ein Machtkampf. Zwanziger, der inzwischen die Mehrheit der DFB-Präsiden hinter sich hat, scheut jedoch vor der endgültigen Konfrontation mit Mayer-Vorfelder zurück. Derzeit ist das Ansehen des größten Sportverbandes der Welt in der Öffentlichkeit wegen den Manipulationsskandals ohnehin schon genug beschädigt.
Langfristig gesehen, soll Mayer-Vorfelder jedoch entmachtet werden. So ist es innerhalb des DFB angedacht, dass sich Mayer-Vorfelder künftig auf Repräsentationsaufgaben beschränken soll. Der 71-Jährige solle verstärkt auf internationalem Parkett für die Fußball-WM 2006 in Deutschland werben. Mit dem Tagesgeschäft, so heißt es im Verband, solle Mayer-Vorfelder, der Mitglied der Uefa- und Fifa-Exekutive ist, nichts mehr zu tun haben. Er solle sich dazu auch nicht mehr öffentlich äußern.
Mayer-Vorfelder teilt sich seit dem Oktober vergangenen Jahres die Führung des DFB mit Zwanziger und ist laut Geschäftsordnung hauptsächlich für die Bereiche Fifa und Uefa sowie die A-Nationalmannschaft zuständig. Die auf dem DFB-Bundestag eingeführte Doppelspitzen-Lösung war schon damals von Mayer-Vorfelder nur widerwillig akzeptiert worden. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die beiden Funktionäre tatsächlich wie geplant bis zur WM 2006 in Deutschland (9. Juni bis 9. Juli) zusammenraufen können.
Fifa-Präsident Joseph S. Blatter hatte sich zuletzt kritisch über die DFB-Doppelspitze geäußert. "Können Sie sich zwei Bundeskanzler in Deutschland vorstellen, einer von der Regierungspartei, einer von der Opposition? Diese Kompromisslösung beim DFB ist sicherlich ein Beispiel, dem andere Verbände nicht folgen sollten. Es kann nur einen Präsidenten geben - gerade in einem Verband wie dem DFB, der sich immer wieder gerne als bestorganisierter Verband der Welt darstellt", sagte Blatter der "Sport Bild".
"Lasse mich nicht ohne Anlass aus dem Amt drängen"
In den vergangenen Tagen hatte es erneut Unstimmigkeiten zwischen Mayer-Vorfelder und Zwanziger gegeben. So räumte letzerer bei der Aufklärungsarbeit im Wettskandal um den ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer "eine ganze Reihe von Pannen" zwischen DFB und dem staatlichem Wettanbieter Oddset ein. "Es besteht nach der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft kein Zweifel, dass Oddset die Kriminalpolizei eingeschaltet hat", so Zwanziger. Der 59-Jährige stellt den Streit der beiden Partner - Oddset ist WM-Sponsor - als Verkettung unglücklicher Umstände dar. Mayer-Vorfelder hatte stets behauptet, Oddset habe Fehler gemacht, der DFB müsse sich nichts vorwerfen.
In diesem Zusammenhang wird Mayer-Vorfelder verbandsintern insbesondere sein Auftritt in der Talksendung "Sabine Christiansen" vorgeworfen. Während Zwanziger lieber handelte, die Aufklärung im Schiedsrichterskandal vorantrieb und einen Auftritt in der ARD absagte, ließ sich Mayer-Vorfelder angeblich nicht zweimal bitten. Doch der Multifunktionär erreichte mit seinem Auftritt vor allem eines: den Eindruck zu erwecken, uninformiert zu sein.
Kritik an seiner Arbeit im DFB weist Mayer-Vorfelder jedoch zurück. "Ich habe den Führungsstil, den man braucht, um in einem Verband etwas voranzutreiben", sagte der ehemalige baden-württembergische Kultus- und Finanzminister (CDU) jüngst der "Rheinische Post".
Im Verband wird seit langem Mayer-Vorfelders Selbstherrlichkeit kritisiert. So wurde "MV" im vergangenen Jahr öffentlich vorgeworfen, bei der Suche nach einem Nachfolger Rudi Völler für den zurückgetretnen DFB-Teamchef eine sehr schlechte Figur gemacht zu haben. Mayer-Vorfelder hatte diese Personalie zur Chefsache erklärt. Erst nach einer zeitweilig chaotischen Suche konnte Jürgen Klinsmann als DFB-Chefcoach verpflichtet werden.