EMPÖRUNG IN MÜNCHEN
Oktoberfest in Plaste
Ein Wiesn-Wirt will beim kommenden Oktoberfest Plastikbierkrüge testen. Zwar soll der Plastikkrug optisch nicht von einem Glaskrug zu unterscheiden sein, allerdings lässt sich damit nicht mehr laut klirrend anstoßen. Durch München geht ein Aufschrei der Empörung. Einzig die Polizei wäre begeistert.
Oktoberfest 2004: Sollen Glaskrüge bald der Vergangenheit angehören?
München - Kürzlich hatte Löwenbräu-Wirt Ludwig Hagn angekündigt, das neue Material auf der Wiesn testen zu wollen. Hagn begründet seinen Vorstoß vor allem mit der Bruchfestigkeit der Kunststoffkrüge. Im vergangenen Jahr seien ihm auf der Wiesn 36.000 Krüge verloren gegangen. Ein großer Teil davon sei zerschlagen worden. "Auf die Idee mit dem Plastik bin ich in Moskau gekommen. Beim dortigen Oktoberfest ist es völlig selbstverständlich, dass es kein Glas gibt", sagte der Wirt.
Außerdem: "Die Bedienungen müssten nicht mehr so schwer tragen. Die Krüge sind fast ein Kilo leichter als die aus Glas." Auch gehe Plastik nicht so schnell kaputt. "Auf der letzten Wiesn lagen über 26 Tonnen Glasscherben auf dem Boden meines Zeltes", sagte Wirt Hagn.
Nun ist in München die Hölle los: Und auch Wiesnwirte-Sprecher Toni Roiderer befürchtet, dass "die Tradition kaputt geht". Der Wirtesprecher Roiderer sagte weiter, wenn sein Kollege Hagn meine, es ausprobieren zu müssen, solle er das ruhig tun. Für ihn selbst kämen Plastikkrüge hingegen nicht in Frage: "Ich trinke ja auch kein Bier aus dem Tetra Pak." Auch bei den anderen Wiesnwirten sei das Thema in der vergangenen Woche bei einem Treffen auf keine große Gegenliebe gestoßen.
Der Münchner Kabarettist Ottfried Fischer sprach von einer "Geschmacksverunstaltung sonders gleichen". Fischer stört sich vor allem am fehlenden Klirren beim Anstoßen mit Kunststoffmaßkrügen: "Die Kommunikationskultur des Zuprostens bleibt dabei auf der Strecke."
Einzig die Polizei wäre begeistert von der sichereren Plastikmaß. Aus Sicht der Münchner Beamten bieten Plastikkrüge einen großen Vorteil. "Dadurch wird die Gefahr bei Maßkrugschlägereien natürlich enorm verringert", sagte Polizeisprecher Gottfried Schlicht. Immer wieder komme es auf der Wiesn zu schweren Kopfverletzungen, "weil die Glaskrüge wie Waffen benutzt werden". Neben Gehirnerschütterungen seien Schnittverletzungen im Gesicht eine der Hauptfolgen.
Zudem erhofft sich die Polizei einen Rückgang der Maßkrugdiebstähle. "Ich vermute, dass die Plastikkrüge weniger attraktiv sein werden für Souvenirsammler", sagte der Sprecher. Man dürfe nicht vergessen, dass der Krugdiebstahl eine Straftat sei. Bis zu 100 000 Krüge würden jedes Jahr von den Besuchern illegal mit nach Hause genommen.
Die neue Leicht-Maß wurde laut einem Bericht der Münchner Boulevardzeitung "tz" schon im Münchner Rathaus in einer geheimen Sitzung gefüllt. Wiesn-Stadtrat Helmut Schmid dazu: "Das Bier schmeckt, das geringe Gewicht hat mich ehrlich gesagt irritiert - und beim Anstoßen gibt es natürlich keinen Klang."
Löwenbräu-Wirt Hagn ist die Empörung seiner Kollegen jedoch mittlerweile so auf die Nieren gegangen, dass er nun die Gäste entscheiden lassen will. "Ich habe kein Interesse, mich gegen die Meinung der Menschen durchzusetzen", sagte Hagn. Er wolle nun erst einmal die "Meinungsbildung" über seinen Vorschlag abwarten.
Für den Einsatz von Plastikmaßkrügen spricht aus Hagns Sicht nach der Zustimmung der Polizei nun auch vor allem die Sicherheit. "Die Sicherheitsleute finden das alle gut", betonte der Wiesnwirt. Gegen den Wechsel zum Kunststoff spreche natürlich die Tradition, räumte der Wirt ein. "Ich lass' mir das schon eingehen, dass des manche Leut' nicht wollen", sagte er.
Ulrich Meyer, ddp