Präses Erwin oder die Staudviews

die bunte Kuh

unbefleckte Erkenntnis
Da es momentan Mode zu sein scheint, angestaubte Threads hochzuholen, mach' ich das auch mal. Auch wenn's nix mit Bayern zu tun hat.




"Wir sind für alle Eventualitäten gewappnet"

"Erwin Staudt (58) würde momentan nicht gerne mit seinen Kollegen beim Hamburger SV tauschen. Sportlich steckt der Traditionsverein aus dem Norden in der Krise - und die Mitgliederversammlung am Montag endete im Chaos. Die Fans bremsten den Vorstand aus. Ein Strukturproblem? Obwohl der VfB Stuttgart ganz ähnlich aufgestellt ist, sieht sich Staudt auf der sicheren Seite. "Wir können mit dem jetzigen Modell im Augenblick sehr gut leben", sagt der Präsident im Gespräch mit Thomas Haid.

Herr Staudt, sind Sie denn froh, dass Sie Ihre Mitgliederversammlung schon hinter sich haben?
Erwin Staudt: Überhaupt nicht. Die Mitgliederversammlung ist das bedeutendste Organ eines Vereins. Seit je hat die jährliche Zusammenkunft der Mitglieder - wie in jedem anderen Verein auch - eine sehr große Bedeutung und bietet die Möglichkeit zur offenen Diskussion. Für uns ist das alles andere als eine Pflichtveranstaltung.

Der Hamburger SV dürfte mit diesem Thema nicht so entspannt umgehen. Dort endete die Mitgliederversammlung am Montag im Chaos. Eine Fangruppe übernahm das Ruder - und klar wurde dadurch eines: dass diese Leute im Zweifel sogar die Wahl des Aufsichtsrats torpedieren und die Richtung der Vereinspolitik bestimmen können. Wie hat sich der VfB gegen solche Auswüchse gewappnet?
Erwin Staudt: Grundsätzlich würde ich demokratisch zu Stande gekommene Ergebnisse einer Mitgliederversammlung nicht als Auswüchse bezeichnen. Wahlen und Abstimmungen, zum Beispiel zum Rechenschaftsbericht, sind von Grund auf demokratische Vorgänge. Ich maße mir nicht an, den Fall der Hamburger Mitgliederversammlung aus der Entfernung zu beurteilen, das steht mir nicht zu. Fest steht aber nicht erst seit Montagabend, dass die Leistung einer Mannschaft auf dem Platz maßgeblichen Einfluss auf die Stimmung bei der jeweiligen Mitgliederversammlung hat.

Sehen Sie nicht die große Gefahr, dass die Mitglieder das Kommando an sich reißen - wie beim HSV geschehen? Schließlich wird der Aufsichtsrat auch beim VfB von der Mitgliederversammlung gewählt.
Erwin Staudt: Der Aufsichtsrat wird bei uns vom Ehrenrat vorgeschlagen, anschließend stimmt dann die Mitgliederversammlung über diesen Vorschlag ab. Diese Vorgehensweise halte ich für sehr vernünftig, weil so auf demokratische Art und Weise die Zusammensetzung eines der wichtigsten Gremien des Vereins ermittelt wird.

Nichts gegen die von Ihnen angesprochene Basisdemokratie, aber sprechen die Vorfälle von Hamburg nicht eher klar für eine Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein und für die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft?
Erwin Staudt: Das sehe ich nicht so. Jede Geschäftsform hat Vor- und Nachteile, es gibt aus unserer Sicht keine Patentlösung.

Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte der VfB diese Ausgliederung jedoch im Auge. Warum wurde der Plan nicht umgesetzt?
Erwin Staudt: Eine Ausgliederung der Profiabteilung wurde bei uns diskutiert, um eine Lösung für die damals schwierige wirtschaftliche Situation zu finden und eben nicht, um das Mitspracherecht der Vereinsmitglieder in irgendeiner Form zu beschneiden. Die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre hat die Weiterverfolgung der Ausgliederungspläne nicht erforderlich gemacht. Wir haben aber alle Voraussetzungen geschaffen und bräuchten im Fall der Fälle einen Beschluss der Mitgliederversammlung.

Ist die Ausgliederung damit nun für alle Zeiten erledigt?
Erwin Staudt: Das lässt sich nicht definitiv beantworten, weil man zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich beurteilen kann, wie sich der Profisport in der Zukunft entwickeln wird und welche Geschäftsform dann für einen Bundesligaklub am sinnvollsten ist. Tatsache ist, dass wir mit der jetzigen Lösung und dem jetzigen Modell im Augenblick sehr gut leben können. Aber fest steht auch, dass wir für alle Eventualitäten wie veränderte gesetzliche Vorgaben gewappnet sind.

Aber können Klubs mit einem Jahresumsatz in dreistelliger Millionenhöhe überhaupt noch nach herkömmlichem Muster wie eingetragene Vereine geführt werden?
Erwin Staudt: Ich kann nur für uns sprechen. Der VfB hat im zurückliegenden Geschäftsjahr einen Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro gemacht und ist in allen Bereichen aufgestellt wie ein mittelständisches Unternehmen. Unsere Strukturen sind ohne Wenn und Aber professionell und zeitgemäß. Diese Einschätzung teilt im Übrigen nicht nur die DFL im Rahmen des jährlichen Lizenzierungsverfahrens - auch die engen und vertrauensvollen Beziehungen zu unseren Partnern und Sponsoren zeigen, dass der VfB als verlässlicher Partner wahrgenommen wird.

Haben die Ereignisse von Hamburg Konsequenzen für die Strukturen beim VfB?
Erwin Staudt: Wir haben die Vorkommnisse rund um die Mitgliederversammlung in Hamburg natürlich sehr aufmerksam verfolgt, aber wir sind dennoch nach wie vor absolut von unseren Strukturen überzeugt.

Das heißt, dass die Vereinsstrukturen beim VfB Stuttgarter nicht so unkontrollierbar sind wie beim HSV?
Erwin Staudt: Ich kenne die Strukturen des HSV nicht und möchte deshalb keine Vergleiche anstellen."

Stuttgarter Zeitung 14. Dezember 2006

Kein Wort über sportliche Belange. So gefällt mir der Erwin. :zwinker3:
 

zariz

Bekanntes Mitglied
Herr Staudt, stimmt es, dass Fußballmannschaften häufig so spielen wie die Region oder das Land, aus dem sie stammen?
Erwin Staudt: Da ist was dran.

Welche Schnittmengen hat die aktuelle Spielkultur des VfB Stuttgart mit der schwäbischen Landsmannschaft?
Erwin Staudt: Ich denke, dass die schwäbischen Tugenden den preußischen sehr nahe sind. Pünktlichkeit, Fleiß, Disziplin, Pflichtbewusstsein. All das erkenne ich zurzeit im Spiel unserer Mannschaft. Das Schönste ist aber: Sie entwickelt dabei auch die nötige Freude.

Dabei steht im multikulturellen Zweckbündnis mit dem roten Brustring kaum ein waschechter Schwabe.
Erwin Staudt: Das stimmt. Aber die Trainer Armin Veh und Alfons Higl leben vor, was an Primärtugenden erwünscht und erforderlich ist. Deren emotionale Vorgabe sickert in die Mannschaft ein.

Die Trainer sind wiederum beeinflusst vom Klima in der Vereinsführung.
Erwin Staudt: Das mag sein. Das sollte sich im idealen Fall ergänzen.

Konkret, ist das Spiel des VfB Stuttgart ein Spiegelbild schwäbischer Kultur?
Erwin Staudt: Ich entdecke zu meiner Freude die positiven Grundzüge schwäbischer Strebsamkeit und Zuverlässigkeit, die sich paart mit der Lebenslust und Spielfreude etwa unserer Mexikaner und Brasilianer. Das ist mit ein Geheimnis unseres derzeitigen Erfolges.

Erfüllt Sie der Stolz des schwäbischen Patrioten, wenn Sie Ihre Helden siegen sehen?
Erwin Staudt: Ich bin bis heute wirklich sehr stolz auf die Truppe, weil sie etwas erreicht hat, was wir alle erhofft, aber nicht erwartet haben. Jetzt ist es wichtig, dass wir Rang drei mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Nicht mehr?
Erwin Staudt: Wir wollen alle Spiele gewinnen - in der Liga und im DFB-Pokal.

Die VfB-Geschichte lehrt eindrucksvoll: Erfolg zu haben ist das eine, ihn zu konservieren das andere.
Erwin Staudt: Ja, aber es gibt kein Patentrezept, um dauerhaft bei den Erfolgreichen zu sein.

Frühzeitiges und vorausschauendes Planen wäre ein guter Anfang.
Erwin Staudt: Verlassen Sie sich darauf. Wir sitzen nicht da und genießen. Wir sind ständig am Überlegen, Diskutieren und Vorbereiten im Hinblick auf die nächste Saison. Wir haben ja noch ein paar Baustellen im Personalbereich, die wir bearbeiten müssen. Davon hängt natürlich auch ab, wie wir uns punktuell verstärken können.

Ein schwieriges Unternehmen. Es gibt viele unterschiedliche Szenarien: Uefa-Cup, Champions League. Qualifikation zur Champions League ...
Erwin Staudt: ... und diese Szenarien spielen wir alle haarklein durch. Aber ich gestehe ein: Die Unsicherheit ist ein Dilemma. Das beeinflusst unser Investitionsverhalten maßgeblich.

Der Unterschied zwischen Uefa-Cup und Champions League liegt bei zehn bis 15 Millionen Euro.
Erwin Staudt: Mindestens.

Würde diese Summe im Fall des Falles in die Mannschaft investiert?
Erwin Staudt (zögert): Finanzdirektor Ulrich Ruf, die sportliche Leitung und ich würden uns jedenfalls sehr intensiv mit dieser Situation auseinander setzen. Und falls Sie mich nun fragen, ob wir bereit wären, auch ein gewisses Risiko einzugehen: Wir gehen immer Risiken ein.

Dann buhlt der VfB um internationale Topstars?
Erwin Staudt: Sicher nicht. Das würde unseren Rahmen bei weitem sprengen - und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die Risiken müssen kalkulierbar sein.

Yildiray Bastürk passt besser ins Konzept?
Erwin Staudt: Ich vertraue unserer sportlichen Führung. Da sind wir prima aufgestellt. Wir werden Lösungen finden, die zu uns passen und zu denen wir voll stehen können. Und wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Ich halte Bastürk für einen guten Mann.

Mit Erfolgen wachsen Begehrlichkeiten.
Erwin Staudt: Das haben wir in der erfolgreichen Phase mit Felix Magath gelernt. Wir können langfristige Verträge abschließen. Darauf, was in den Köpfen der Spieler passiert, haben wir nur einen geringen Einfluss. Das ist das imaginäre Kino, das von gewissen Mechanismen der Branche in Gang gesetzt wird.

Das klingt sehr fatalistisch.
Erwin Staudt: Das sind die Realitäten.

Was tun Sie, wenn Real Madrid plötzlich Torjäger Mario Gomez lockt?
Erwin Staudt: Er ist unverkäuflich. Ansonsten gilt: Wir bezahlen fair und pünktlich, wir bieten ein optimales Leistungsumfeld, jeder Mitarbeiter beim VfB Stuttgart ist auf menschlich angenehme Art und Weise in unsere Sozietät eingebettet.

Reicht das als Alleinstellungsmerkmal?
Erwin Staudt (lacht): Natürlich nicht. Der VfB Stuttgart gibt auf vielen Feldern richtig Gas. Wir wollen uns an die Topgrößen der Liga weiter annähern. Das geht nur über die Nachhaltigkeit des Erfolgs. Was bedeutet: Wir optimieren weiter die Qualität unserer Jugendarbeit. Die beschert uns immer wieder Talente als Grundstock unserer Arbeit. Erfahrung und besondere Qualitäten holen wir im einen oder anderen Fall hinzu. Und generell gilt dabei: Die Höhe unserer Einnahmen bestimmt über die Höhe der Ausgaben. Wir planen mit Augenmaß das Machbare.

Parallel hierzu planen Sie, den Fußball kulturell aufzuwerten. Sie haben den ersten Stuttgarter Kulturgipfel einberufen. Wer ist mit am Ball?
Erwin Staudt: Die Einladung ging von uns und von Sportbürgermeisterin Frau Dr. Eisenmann aus. Sie umfasst die Chefs von Oper, Theater, Ballett, Kunstmuseum, Staatsgalerie und so weiter. Also alle, die in Stuttgart im kulturellen Bereich das Sagen haben.

Welche Ziele verfolgen Sie?
Erwin Staudt: Ich möchte den Sport, speziell den Fußball, als eine angesehene Kulturkomponente in der bürgerlichen Gesellschaft verankern.

Ist er das nicht schon?
Erwin Staudt: In meinen Augen wird der Fußball unterbewertet. Er ist ein Massenphänomen, das alle soziale Schichten fasziniert. Deshalb ist er auch nicht so ohne weiteres gewissen Schichten zuzuordnen - anders als Oper oder Schauspiel.

Wie wollen Sie diese umfassende gesellschaftliche Anerkennung erreichen?
Erwin Staudt: Indem wir klar machen, wie wichtig der Fußball zum Beispiel für den wirtschaftlichen Standort ist. Wir sind eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt, gespickt mit Weltmarktführern. Diese Firmen müssen sich jeden Tag auf Champions-League-Niveau mit ihren Konkurrenten messen. Diese Unternehmen brauchen die besten Leute ihres Fachs. Jetzt gibt es da einen jungen Maschinenbauer, der sich unter sechs Angeboten in Köln, München, Hamburg, Stuttgart oder anderswo entscheiden muss. Dann fragt er sich, warum soll ich ausgerechnet nach Stuttgart ziehen? Da zählen in seiner Bewertung auch die kulturellen Faktoren, und dazu gehört der VfB. Das will ich darstellen. Ich will, dass diese Region das Selbstbewusstsein abstrahlt, das sie kraft ihrer Stärke verdient.

Kultur schafft Identität. Fußball auch.
Erwin Staudt: Das sehe ich genauso. Fußball schafft unglaublich viel lokale und regionale Identität. Das ist in einer Zeit, in der die Menschen den Ängsten der Globalisierung ausgesetzt sind, ungemein wichtig.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Inszenierungen im Theater, in der Oper und im Stadion?
Erwin Staudt: Das sind identische Handlungen. Fußball ist Kunst mit großen Emotionen und Erlebnissen, die der Alltag nicht unbedingt bieten kann.

Bleibt der Stuttgarter Kulturgipfel eine einmalige Aktion?
Erwin Staudt: Ich hoffe nicht. Wichtig ist zunächst, dass wir uns alle kennen lernen, unsere Positionen verstehen und möglichst viele gemeinsame Aktionen beschließen.

Was ist konkret geplant?
Erwin Staudt: Warten Sie ab. Wir werden zum Beispiel in den nächsten Tagen eine gemeinsame Aktion mit dem Stuttgarter Kunstmuseum bekannt geben.

Stuttgarter Nachrichten 12. April 2007
anfang und ende sind :gaehn: ... und mittendrin ist auch nicht immer dabei :hammer2:
 
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