Ronny Ziesmer geht es wieder besser

Vatreni

Hrvatska u srcu!
Entgegen der ersten Diagnose wird Ex-Turner Ronny Ziesmer nicht vom Hals abwärts gelähmt bleiben :hurra: Er kann bereits jetzt schon seine Arme wieder teilweise bewegen und wird natürlich weiterhin versuchen Fortschritte zu machen. Hier das Interview:

Ronny Ziesmer, wie geht es Ihnen?

Es geht aufwärts. Ich mache fast täglich Fortschritte, finde die Fortschritte noch nur in kleineren Schritten. Aber ich versuche, wieder meinen Alltag zu meistern, selbstständig zu werden.

Wie hat sich Ihr Gesundheitszustand seit dem 12. Juli, seit dem Unfall in Kienbaum, entwickelt? Kommen Sie schon mit weniger Hilfestellung durch den Tag?

Definitiv ja. Die Medikamente, auch die Pflegeleistungen werden von Woche zu Woche Stück für Stück weniger. Ich werde ganz langsam wieder etwas mobiler, kann mich im Rollstuhl schon hier im Krankenhaus bewegen. Auch das Umblättern der Lausitzer Rundschau geht schon wieder.

Ihr Vater hat in einem Gespräch nach Ihrem Unfall gesagt, Ihr großer Wunsch sei, wieder Auto fahren zu können. Bleibt das und ist das ein realistisches Ziel?

Ich denke, das wird irgendwann wieder für mich möglich sein. Da sehe ich kaum große Hindernisse.

Welche Schwierigkeiten gilt es bis dahin zu überwinden?

Die größte Hürde für mich als jetzt Querschnittgelähmter ist der so genannte Transfer. Also zum Beispiel am Morgen selbstständig aus dem Bett in den Rollstuhl zu kommen oder dann später vom Rollstuhl in das Auto umzusteigen. Die nötige Kraft dazu habe ich sicherlich immer noch, die ist nicht weg. Aber es gilt den Körper, das Zusammenspiel der Muskeln jetzt wieder aufzubauen, neu zu koordinieren. Ich brauche beispielsweise dann eine Rumpfstabilität, muss lernen, wie ich in den Rollstuhl komme, wie ich mein Gewicht verlagern muss.

Lässt sich dieser Lernvorgang mit ihrem Tagesablauf als Turner vergleichen?

Absolut. Da habe ich auch erst Grundlagen geschafft, dann ein einzelnes Element gelernt, später eine weitere Bewegung, daraus hat sich am Ende eine Übung entwickelt. Jetzt ist es ähnlich. Ich lerne ganz langsam, wieder einzelne Muskeln der Arme zu bewegen. Aus dem Zusammenspiel mehrerer Muskeln ergibt sich dann eine Aktion, eine Bewegung. Das ist fast genau wie beim Turnen.

Macht es diese Situation für Sie als Leistungssportler einfacher, damit umzugehen?

Ich denke schon, dass es so ist. Die Herangehensweise und die Motivation ist eben sehr ähnlich, sehr gewohnt für mich. Außerdem habe ich hier im UKB sehr großes Glück mit den Therapeuten. Wir schwingen da auf einer Welle, unsere Zusammenarbeit greift sehr gut ineinander. Das ist wichtig und auch mit dem Trainer-Athleten-Verhältnis vergleichbar.

Sie machen einen sehr aufgeräumten, positiven Eindruck – trotz dieses schweren Schicksalsschlags.

Ich habe mich in meinem Leben noch nie lange mit Vergangenem aufgehalten. Ich versuche, nur nach vorne zu schauen. Natürlich gibt es Höhen und Tiefen, ein Auf und Ab – auch das ist wie vorher im Training, logisch. Aber bisher gab es hier noch nicht wirklich eine Phase, in der ich depressiv war. Der Optimismus überwiegt bei mir eindeutig.

Die Ärzte haben damals nach Ihrem Unfall hier im UKB in einer Pressekonferenz gesagt, dass die Depression jeden treffe – früher oder später. Haben Sie Angst davor?

Nein, das ist zurzeit sehr weit weg für mich. Vielleicht falle ich in ein Loch, wenn sich mal vier Wochen absolut nichts weiter entwickelt. Aber das kann ich jetzt nicht sagen.

Wie sieht hier im UKB Ihr Tagesablauf aus?

Um sieben Uhr ist in der Regel das Wecken. Danach ist Waschen, so gegen 8.30 Uhr gibt es Frühstück. Um 9.30 Uhr habe ich Elektrotherapie. Ab 10.15 Uhr beginnt die Physiotherapie für eine Stunde. Dann ist Mittag und danach lege ich mich meistens ein bisschen hin. Um 15.15 Uhr folgt noch einmal eine Stunde mit Ergotherapie. Dann geht es langsam Richtung Abendessen, ich bekomme Besuch oder kann etwas lesen oder schaue Fernsehen. Im Grunde ist der Tagesablauf auch stark mit früher zu vergleichen – es sind täglich drei Trainingseinheiten.

Wie geht es hier weiter?

Das ist natürlich nur der Anfang. Schon jetzt sind die Tage ziemlich ausgefüllt. Aber das Programm wird künftig sicher immer straffer, es kommen auch jetzt schon neue Etappen dazu. Gestern haben wir hier im Krankenhaus Pizza gebacken. Wir mussten in der Gruppe den Teig selbst belegen, sollten lernen, wieder mit Messer und Gabel umzugehen. Schon bald werden andere Dinge aus dem Alltag dazukommen: ein Besuch im Kino oder ein Essen im Restaurant. Das sind alles Dinge, die mich jetzt hier aus dem Trott reißen und die mir später helfen werden. Das motiviert und es wird nicht langweilig. Und ich bin natürlich hier im Krankenhaus, um an mir zu arbeiten. Von nichts kommt nichts.

Wie lange werden Sie voraussichtlich im UKB bleiben?

Das lässt sich so nicht beantworten. Ich möchte die Bedingungen hier für mich optimal ausnutzen. Von der Erstversorgung nach dem Unfall bis jetzt zur Rehabilitation habe ich hier die beste Versorgung, die es in Deutschland gibt.

Machen Sie sich schon Gedanken, wie es für Sie weitergehen wird? Ihre Wohnung in Stuttgart ist aufgelöst. Wird es zurück nach Cottbus gehen?

Ich denke, es wird für mich zurück in Richtung Heimat gehen. Zu meinen Eltern in Groß Oßnig werde ich allenfalls für eine Übergangszeit ziehen. Ich möchte wieder meinen eigenen Haushalt haben. Und dann möchte ich natürlich wieder eine Aufgabe im Leben haben. Die Richtung halte ich mir offen, da ist noch Zeit. Denkbar wäre beispielsweise ein Studium. Die geistige Komponente ist bei mir ja vollständig intakt.

Nach Ihrem Unfall gab es eine große Welle der Anteilnahme, in Cottbus, der Lausitz, in Deutschland, selbst bei den Olympischen Spielen in Athen. Wie haben Sie das erlebt?

Ich bin absolut positiv überrascht. Wir reden gerne von der Turnfamilie. Dieser Begriff hat jetzt eine richtige Bedeutung. Turnfamilie – das ist 100-prozentig real geworden. Die Anteilnahme, die vielen Briefe und E-Mails, das ist einfach überwältigend gewesen. Ich möchte mich auch ausdrücklich für jede Form der Anteilnahme, ob ideell, materiell oder finanziell, bei allen ganz, ganz herzlich bedanken. Ob ich das je zurückgeben kann, wage ich zu bezweifeln.

Wann werden wir Ronny Ziesmer das erste Mal wieder in der Öffentlichkeit erleben dürfen?

Der erste Termin wird die vom Deutschen Turner-Bund und der Sporthilfe in Berlin geplante Gala sein. Das könnte im November sein. Bis dahin müssen sich alle noch ein wenig gedulden – auch die Turnfamilie in Cottbus. Ich hoffe, dass ich vielleicht Weihnachten im Kreise meiner Familie verbringen kann. Und dann lässt sich bestimmt auch das eine oder andere Bierchen mit den alten Weggefährten und Freunden im Black Inn in Cottbus zischen.

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