"Unser Ziel ist nach wie vor die Meisterschaft"
"Es ist für beide Teams die letzte Chance, doch noch in den Titelkampf einzugreifen. Kein Wunder, dass Klaus Allofs dem Bundesligaduell gegen den VfB Stuttgart an diesem Samstag gespannt entgegensieht. "Wir müssen einfach gewinnen", sagt der Manager von Werder Bremen.
Herr Allofs, wie groß ist die Anspannung vor dem Endspiel um die Meisterchance?
Klaus Allofs: Sehr groß - aber nicht größer als vor anderen wichtigen Spielen in dieser Saison.
Sehen Sie nach wie vor eine realistische Möglichkeit, den Titel zu verteidigen?
Klaus Allofs: Klar. Unser Ziel ist nach wie vor der Titel. Dazu gehört natürlich, dass wir bei unserem Programm in den nächsten Wochen ungeschoren davonkommen. Denn Schalke und Bayern werden auch noch Punkte lassen.
Diese selbstbewussten Töne ist man von Werder Bremen gar nicht gewohnt.
Klaus Allofs: Das sind die Auswirkungen der letzten Saison, als wir Meister und Pokalsieger geworden sind und uns gegen viele Dinge durchgesetzt haben. Unser souveränes Auftreten damals hat sich in den Köpfen der Spieler festgesetzt. Die Jungs wissen: Wir müssen uns vor niemandem verstecken.
Vor niemandem?
Klaus Allofs: Bayern und Schalke sind sehr gute Teams - wie übrigens auch der VfB. Aber es sind keine Übermannschaften. Wenn wir jetzt Dinge richtig machen, die wir im Verlauf dieser Saison nicht immer richtig gemacht haben, ist alles drin.
Waren die Titel für dieses neue Auftreten zwingend notwendig?
Klaus Allofs: Ja. Man muss mental der Sache gewachsen sein. Durch diese Triumphe ist die Mannschaft stärker geworden. Weil sie auf dem Weg dorthin zum Beispiel auch den Angriffen aus München standgehalten hat.
Ein Eindruck aus dieser Saison widerspricht Ihrem Optimismus: Werder gewinnt die wichtigen Partien nicht. Macht Ihnen das Sorgen im Hinblick auf das VfB-Spiel?
Klaus Allofs: Da muss man unterscheiden. Was mich ärgert war die Niederlage in München - weil wir den FC Bayern nicht gefordert haben. Beim 1:2 auf Schalke waren wir dagegen die bessere Mannschaft. Aber Sie haben Recht. Im letzten Jahr haben wir solche Spiele für uns entschieden, obwohl die Unterschiede in der spielerischen Klasse nicht da sind. Dennoch haben wir keinen Komplex.
Um vorne anzugreifen, müssen Sie zuerst den VfB überholen und abhängen. Warum glauben Sie, dass das gelingen wird?
Klaus Allofs: Weil wir unser Heimspiel gewinnen werden. Das müssen wir einfach. Und danach haben die Stuttgarter ein ähnlich schweres Programm wie wir. Aber man muss auch offen sagen: Zwischen diesen beiden Mannschaften liegt nicht viel. Wir bewegen uns auf einem Niveau. Wir haben den VfB schon im letzten Jahr als einen unserer Hauptkonkurrenten angesehen.
Was gefällt Ihnen denn am VfB?
Klaus Allofs: Die Mannschaft ist durchweg mit starken Spielern besetzt. Von der Abwehr bis zum Sturm. Das ist schon sehr gut. Und der VfB hat Alexander Hleb - einen Spieler, der eine Ausnahme in der Bundesliga ist. Er kann - wie bei uns Johan Micoud - den Unterschied ausmachen.
Ist die Nummer 10 der Schlüssel zum Erfolg? Im letzten Jahr glänzte Micoud. Diesmal Schalkes Lincoln.
Klaus Allofs: Ja. Alle Teams, die um den Titel spielen, sind gut besetzt. Da kann gerade die 10 den Unterschied ausmachen. Das sind Spieler, die in einem engen Spiel durch eine geniale Einzelaktion die Wende bringen können.
Es wird diskutiert, ob Hleb eine echte 10 ist oder sie nur auf dem Trikot trägt ...
Klaus Allofs: Eine 10 ist er nicht. Obwohl sich diese Rolle ja sehr geändert hat. Der Stratege, der denkt und lenkt, ist eher Zvonimir Soldo. Aber Hleb kann sich dahin noch entwickeln - obwohl er vom Typ her total anders ist als Lincoln und Micoud.
Aber ganz egal wie Alexander Hleb und Johan Micoud spielen. Bei Werder gegen den VfB hatte man zuletzt immer die Garantie für ein gutes Spiel.
Klaus Allofs: Stimmt, die letzten Begegnungen waren spektakulär. Aber ich will das gar nicht beschreien, sonst sind wir nach der Partie enttäuscht. Der VfB und Werder sind eben Teams, die nach vorne spielen und sich von der Stärke her nicht viel schenken.
Beim Einkaufen unterscheiden Sie sich jedoch enorm. Sie haben Tim Wiese und Patrick Owomoyela für die neue Saison verpflichtet. Auch Zlatan Bajramovic ist ein heißer Kandidat - und dabei soll es nicht bleiben. Die Boulevardpresse titelte bereits: Werder im Kaufrausch.
Klaus Allofs: Das heißt nicht, dass wir mit Geld um uns werfen. Wir haben in der Winterpause Angelos Charisteas für fünf Millionen verkauft. Dieses Geld haben wir wieder investiert. Genauso investieren wir die Gewinne aus der Champions League. Das ist ein normales Verstärken des Teams. Wir gehen keine unnötigen Risiken ein, planen einnahmenorientiert. Wir wollen aber auch keine großen Festgeldkonten, sondern uns in der Spitze etablieren. Dazu gehören Investitionen.
International reicht es dennoch nicht nach ganz oben. Kann man mit einem 25-Millionen-Etat Europa überhaupt erobern?
Klaus Allofs: Da muss alles passen, wenn man da hin will. Ab dem Achtelfinale wird die Luft sehr dünn. Da macht sich bemerkbar, dass in anderen Ligen andere Geldquellen da sind.
Ihre Mannschaft hat sich nach dem Champions-League-Debakel gegen Olympique Lyon (0:3 und 2:7) schnell wieder stabilisiert. Hatten Sie keine Angst vor dem Absturz?
Klaus Allofs: Nein, nie. Es war eine besondere Situation. Im ersten Spiel waren wir trotz 0:3 ein ebenbürtiger Gegner. Im Rückspiel haben wir unser Heil in der Offensive gesucht. Intern konnten wir uns das erklären. Das war wichtig. Es war sicher ein Schuss Naivität dabei, zu denken, dass wir ein 0:3 aufholen können. Aber die Alternative wäre gewesen, Angsthasenfußball zu spielen.
Themenwechsel: Wie gut sind eigentlich Ihre Kontakte zum VfB Stuttgart?
Klaus Allofs: Nicht sehr intensiv. Als die Manager Karlheinz Förster oder Rolf Rüssmann hießen, war das besser - weil man sich aus der aktiven Zeit kannte.
Ist es für den VfB ein Nachteil, dass Manager und Sportdirektor keine Ex-Profis sind?
Klaus Allofs: Schwer zu sagen aus der Ferne. Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, wenn ein Manager in der Bundesliga aktiv war. Für Bremen ist es die beste Lösung. Aber es wäre anmaßend, über den VfB zu urteilen.
Zum Schluss eine Einschätzung: Wer ist denn die zweite Kraft im deutschen Fußball? Schalkes Manager Rudi Assauer behauptet, es sei sein Club.
Klaus Allofs: Nüchtern betrachtet hat er Recht, weil Schalke derzeit Zweiter ist. Aber ich habe uns im letzten Jahr trotz der beiden Titel nicht als erste Kraft gesehen. Die Bayern sind die Nummer eins. Aber wir haben bewiesen, dass man sie schlagen kann. Dahinter kommen zumindest von den finanziellen Möglichkeiten her die Schalker. Aber das muss auch auf dem Platz untermauert werden. Wir wollen uns dauerhaft auf den Champions-League-Plätzen etablieren. Das ist das Wichtigste. Da sind wir auf einem guten Weg. Und der VfB übrigens auch."
Stuttgarter Nachrichten 02. April 2005