Mal einen Artikel dazu:
Schlitzohr oder billiger Betrüger?
Instinktfußballer? Schlitzohr? Neuville war der Alleinunterhalter bei Borussias 2:0-Sieg gegen den FCK.
Mönchengladbach. Es gibt Situationen in einem "normalen" Bundesligaspiel, die rufen Erinnerungen an bewegende Momente des großen Weltfußballs hervor. Erinnern Sie sich noch an die "Hand Gottes"? Genau, 1986 war es, als Diego Maradona den Ball im WM-Halbfinale gegen England mit dem "falschen" Körperteil über die Linie drückte. Gestern Abend im Borussia-Park gab es wieder so ein Dé jè vu. Die Gretchenfrage nach Oliver Neuvilles Handtor zum 1:0 war gestern wie damals die selbe: Ist der Torschütze ein geniales Schlitzohr oder ist er ein billiger Betrüger. Soviel vorweg: die Meinungen gingen völlig auseinander.
"Es waren 53 000 Zuschauer im Stadion bis auf die drei entscheidende Leute haben es alle gesehen", sagte Lauterns Kapitän Timo Wenzel. Sauer auf Neuville war er nicht, "ich bin ihm nicht böse, er ist ein Stürmer, er will das Tor machen, egal wie. Nein, die Schiedsrichter müssen es sehen." Sein Lauterer Teamkollege Ioannis Amanatidis gehörte zur anderen Fraktion. "So einer soll für Deutschland spielen? Der gehört gesperrt", schnaubte der Grieche. FCK-Trainer Kurt Jara wiederum hielt es wie Wenzel: "Ich war selbst 20 Jahre lang Spieler, vielleicht hätte ich es auch so gemacht, das war eine absolut menschliche Reaktion. Aber es gibt sechs Augen die das einfach sehen müssen."
Schlitzohr oder Betrüger? Das war gestern keine Frage die man klären konnte. Einfacher war es, sich über Schiedsrichter Uwe Kemmling zu unterhalten. Fakt ist, dass der Referee Oliver Neuville nach seinem Tor auf dem Platz nicht gefragt hat, ob er Handball gespielt, oder den Ball mit welchem Körperteil auch immer rein gemacht hatte. "Deshalb ist Neuville auch kein Betrüger, denn er hat nicht gelogen", hält Borussen-Trainer Fach fest. Und deshalb kann Neuville im Nachhinein eigentlich auch nicht gesperrt werden. Und was hätte Neuville gesagt, wenn er denn gefragt worden wäre? "Ich weiß nicht, ich bin ja nicht gefragt worden", sagt Neuville, und jetzt mal ehrlich? "Ich hätte ihm gesagt, dass es keine Absicht war. Ich bin geschubst worden, es war ein Instinkt." Einigen wir uns darauf, dass Neuville ein Instinkt-Fußballer ist und Uwe Kemmling sich eine Menge Ärger hätte ersparen können, wenn er dem Stürmer einfach mal auf den Zahn gefühlt hätte.
Übrig bleiben unterm Strich wütende Lauterer und ein Oliver Neuville, der nicht nur den einen umstrittenen, sondern auch noch den zweiten Gladbacher Treffer erzielt hat. "Ich habe noch ein zweites Tor und Kaiserslautern in 90 Minuten kein einziges gemacht deshalb geht der Sieg absolut in Ordnung", sagt der 31-Jährige. Mit acht Toren in acht Spielen steht Neuville jetzt übrigens ganz alleine an der Spitze der deutschen Torjägerliste. Die Fans, sofern sie in grün und weiß gekommen waren, sangen "Olli für Deutschland".
18.10.04
Von Boris Inanici
Bor. M´gladbach