Artikel der
SZ
Number one in Südamerika
Ein dubioser Geschäftsmann hat dem FC Bayern den argentinischen Jungstar Carlos Tevez weggeschnappt und kauft ihn Corinthians São Paulo - für schlappe 19,5 Millionen Dollar. Steckt Abramowitsch dahinter?
Die Herren posierten für die Fotos, mal umarmten sie einander wie Brüder, mal stießen sie lachend mit Champagnergläsern an. Am Abend des 23. November hatten Alberto Dualib, Präsident des S.C. Corinthians Paulista, und Kia Joorabchian einen millionenschweren "Partnerschaftsvertrag" abgeschlossen, Joorabchian in Vertretung eines obskuren Investmentfonds namens Media Sports Investment (MSI), der nunmehr 51 Prozent des brasilianischen Traditionsklubs kontrollieren wird.
"Wir werden eine Auswahl der besten Spieler verpflichten, eine seleção wie Real Madrid und Milan", rief Joorabchian in brüchigem Portugiesisch in die Mikrofone. "Corinthians wird number one in Südamerika werden.
Number one!"
Delirium tremens? Jedenfalls scheint es Joorabchian einigermaßen ernst zu sein: Am Montag spendierte er Corinthians den argentinischen Jungstar Carlos Tevez, der zwar erst 20 Jahre alt ist, bei Boca Juniors aber bereits
Kultstatus erlangt hat und in direkte Erbfolge zu Diego Maradona gesetzt wird.
"Ich halte es nicht mehr aus", soll Tevez geklagt haben, seine Liaison mit einem Fernsehstar hatte sich auf die Form geschlagen und die Kritik in Argentinien anschwellen lassen. Dennoch bemühten sich bis zuletzt zahlreiche
europäische Großvereine um den Torschützenkönig des Olympiaturniers von Athen:
Schachtjor Donezk aus der Ukraine, Juventus Turin, PSV Eindhoven, Atlético Madrid; die riesige Yacht von Chelseas russischem Magnaten Roman Abramowitsch wurde vor kurzem ebenfalls am Ufer des Rio de la Plata gesichtet.
19,5 Millionen Dollar - in bar
Auch der FC Bayern München war an Tevez dran, das erste und letzte konkrete Angebot wurde Bocas Präsident Mauricio Macri vor über einem Jahr unterbreitet und belief sich auf zwölf Millionen Euro. Viel Geld für die derzeitige Marktlage; wenig Geld, so scheint es, für Joorabchian.
Er offerierte 19,5 Millionen Dollar. "Al contado" – "in bar", wie die Nachrichtensprecher der argentinischen Sender in seltsamer Ehrfurcht betonen.
Als sei nicht seltsam genug, dass ausgerechnet die begehrteste Figur des Marktes keineswegs von einem europäischen Verein abgeworben wird, sondern in Lateinamerika bleibt – auf Betreiben eines weithin unbekannten,
iranischstämmigen Geschäftsmannes.
Der betont, dass sein Interesse am Fußball rein kommerziell sei, MSI werde an Weiterverkäufen beteiligt. Alle Informationen über Joorabchian sind seltsam diffus: Selbst sein Geburtsdatum steht in Frage, was daran liegt, dass er
Medienberichten zufolge in den Geburtsregistern dreier Länder auftauchen und über Ausweispapiere verfügen soll, die auf fünf verschiedene Identitäten lauten.
Die vereinsinterne Opposition Corinthians will sich – auch mit juristischen Mitteln – gegen Joorabchians Einstieg wehren, weil ihr dessen Reichtum suspekt erscheint. Verschiedentlich wird Joorabchian als Strohmann des
russischen Öl-Billionärs und früheren Kreml-Beraters Boris Beresowski bezeichnet, Joorabchian leugnet: Seine Beziehung zu Beresowski beschränkten sich auf den Verkauf einer Zeitung, der schon länger zurückliege.
Fünf Jahre, um genau zu sein: Im Juli 1999 kaufte er über die Firma American Capital die Mehrheit an Kommersant, kaum zwei Monate später ging die Mehrheit des Blattes an Beresowski über – dem zwischenzeitlich beim Kreml in Ungnade gefallenen Tycoon, der wegen seiner Verbindungen zu tschetschenischen Drogen- und Terrorpaten ins Visier des FBI geraten ist.
Joorabchians jetzige Firma MSI weist, wie das argentinische Blatt Página12 schreibt, "die Charakteristika der Firmen Beresowski" auf: "fiktiver Sitz in London, Eintrag ins Besitzregister im Steuerparadies der Virgin Islands".
Strippenzieher Abramowitsch?
In der Tat war American Capital ähnlich gestrickt mit dem Unterschied, dass sich die seltsam leeren Büroräume in Manhattan befanden. Oder steckt doch Abramowitsch hinter Joorabchians Aktivitäten, wie in der Branche gemunkelt wird? Auch zwischen ihm und Beresowski gibt es Querverbindungen.
Dass Beresowski hinter Joorabchians Aktivitäten steckt, haben sowohl dieser als auch Dualib vehement dementiert. Nach Abschluss des Tevez-Deals lobte Dualib Beresowski dennoch in höchsten Tönen: "Der Boris", sagte der
Corinthians-Präsident, lebe in Londons bester Lage, "neben der Königin. Er ist bei der britischen Regierung angesehen und hat Beziehungen zu Ministerpräsident Blair. Aber er hat nichts mit MSI zu tun".
MSI wiederum verspricht weitere Stars. Corinthians Schulden (20 Millionen Dollar) werden getilgt, 30 weitere Millionen will der gebürtige Teheraner in "sieben, acht neue Stars" investieren.
Der Brasilianer França (Bayer Leverkusen) soll auf der Liste stehen, vor allem aber dessen Landsmann Robinho. Zwar haben Leverkusen und Santos abgewunken, doch Joorabchian glaubt, Verhandlungsbereitschaft herbeiführen zu können: "Wenn sie nicht verkaufen wollen, machen wir eben noch ein
Angebot."